Kilian Baumann ist Vater von drei Kindern, Bauer und Politiker. Wann er die Hüllen fallen lässt, ob er Lohn für seine Arbeit auf dem Hof bekommt und wer auf seine Kinder aufpasst, wenn er im Bundeshaus ist, erzählt er in den Männerfragen.

Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Du bist ja voll der Shootingstar – in der Politik und unter den Bauern. Woher kommt dieser Fame?

(Leicht verlegen.) Es kommt ein bisschen drauf an, ich bin nicht in jeder Bubble ein Shootingstar. Aber seit ich Nationalrat bin, habe ich viel Medienarbeit gemacht. Das hat sicher etwas zu meiner Bekanntheit beigetragen.

Also «Medienarbeit», du meinst mit vielen Journalistinnen geflirtet?

(Lacht.) Nein, nein. Ich bin im Nationalrat unter den Bauern oft in einer Minderheitsposition. Meine Ansichten werden häufig nicht gehört. Eine meiner Möglichkeiten, um mir doch Gehör zu verschaffen, sind unabhängige Medien und soziale Medien. Diese Kanäle nutze ich, indem ich meine Ansichten pointiert äussere. Offenbar reicht das, um Aufmerksamkeit zu bekommen.

Kilian Baumann
Wer weiss, vielleicht bewerbe ich mich vor den nächsten Wahlen für den Bauernkalender.

Scheint so. Was mich bei meiner Recherche über dich etwas irritiert hat: Du hast noch gar nie für den Bauernkalender posiert. Warum nicht?

Haha, das ist wirklich nicht meine Welt.

Schade. Aber du würdest schon mal die Hüllen fallen lassen, oder bist du dafür zu prüde?

Nun, es sind ja nicht gerade Wahlen in nächster Zeit. Darum muss ich mich jetzt nicht für den Bauernkalender bewerben. Aber wer weiss, vielleicht überlege ich es mir vor den nächsten Wahlen (lacht herzhaft).

Das wäre dann 2027. Wir sind gespannt.

Ich auch, aber ich muss sagen: Man wird im Parlament nicht schöner. Es kann also gut sein, dass meine Chancen etwas schwinden oder ich bis dann zu alt dafür bin.

Du hast noch Zeit für die Vorbereitung. Speaking of: Hast du ein Sixpack?

Leider nicht. Der Parlamentsbetrieb trägt leider nicht zur körperlichen Fitness bei. Man sitzt einfach zu viel rum.

Stört es dich, dass man euch Bauern in erster Linie als Sexobjekt wahrnimmt?

(Schaut irritiert.) Ähm, also ich glaube nicht, dass Bauern so wahrgenommen werden. Oder? Viele nehmen uns eher als rückständige Frühaufsteher mit Edelweisshemd wahr. Es gibt viele Klischees, aber: Es gibt nicht den Bauer oder die Bäuerin. Wir sind sehr vielfältig. Darum sind die Diskussionen rund um die Landwirtschaft auch so komplex.

Bist du so ein Naturbursche, oder warum bist du Bauer geworden?

Ich bin nicht einer von denen, die schon als Kind Bauer werden wollten. Das kam erst mit der Zeit. Ich habe mich für verschiedene Ausbildungen interessiert, und weil ich nicht genau wusste, was ich wollte, entschied ich mich für die Ausbildung zum Landwirt. Als solide Grundausbildung. Erst während der Lehre habe ich gemerkt, was für ein vielseitiger Beruf es ist. Man ist draussen und arbeitet mit der Natur zusammen. Gleichzeitig ist man mittlerweile auch strategisch und planerisch gefordert. Man kann selbstständig arbeiten und einen Betrieb nach den eigenen Vorstellungen managen. Es ist echt toll.

Du kommst ja richtig ins Schwärmen. Wie sehr inspiriert dich Renzo Blumenthal?

Haha, gar nicht, muss ich zugeben. Wir haben sehr verschiedene Ansichten bei vielen Themen.

Kilian Baumann
Man wird im Parlament nicht schöner.

Du weisst, dass deine Berufswahl gerade für einen Mann finanziell heikel ist …

Es gibt auch da eine grosse Vielfalt. Es gibt Bauern, denen geht es wirtschaftlich sehr gut. Ihr Betrieb floriert. Und es gibt das Gegenteil: Landwirte, die Existenzprobleme haben und für die es wirtschaftlich schwierig ist.

Klar, aber worauf ich hinaus wollte: Hat dich deine Frau angestellt, und bezahlt sie dir einen anständigen Lohn?

(Seufzt.) Ach, hier hat die Politik viel zu lange auf einem überholten Ideal aufgebaut. Man ist einfach davon ausgegangen, dass Familienbetriebe für immer funktionieren. Ohne Trennungen oder Ähnliches. Diese Vorstellung hat dazu geführt, dass bis heute oft ein Teil der Familie – meist die Frau – im Betrieb mitarbeitet, ohne Lohn und ohne zweite oder dritte Säule für die Altersvorsorge. Politisch kommt jetzt hier langsam Bewegung rein, zum Glück.

Wie haben deine Partnerin und du das geregelt?

Wir haben das sehr klar getrennt. Meine Partnerin ist Oberstufenlehrerin und arbeitet in ihrem Beruf. Sie ist unabhängig und verdient ihr eigenes Geld. Ich kümmere mich um den Betrieb.

Kilian Baumann
Die Politik hat viel zu lange auf einem überholten Ideal des Familienbetriebs aufgebaut. Darum arbeiten auf Bauernbetrieben bis heute oft Frauen ohne Lohn und Vorsorge.

Du bist Nationalrat: Hast du wirklich eine Ahnung von Politik und Agrarpolitik? Wäre das nicht eher was für deine Partnerin?

(Schmunzelt.) Oh, sie wäre definitiv die bessere Politikerin als ich. Das sage ich ihr immer wieder. Sie hat einige Fähigkeiten, die ich nicht habe und die im Politbetrieb sehr hilfreich wären.

Biss und Durchsetzungsvermögen?

(Lacht.) Vermutlich auch. Aber ich dachte eher an ihre Fremdsprachenkenntnisse. Sie beherrscht alle Landessprachen. Das ist sehr hilfreich. Ausserdem ist sie zugänglich und versteht sich mit unterschiedlichsten Menschen gut. Im Gegensatz zu mir. Ich bin eher stur.

Ja, du bist recht aufmüpfig. Warum so zickig?

Man schreibt mir das Bild des Aufmüpfigen auch gerne zu. Gewisse Bauern im Parlament aus anderen Parteien drängen mich in diese rebellische Ecke. Aber wenn man meine Arbeit analysiert, merkt man, dass ich oft die Wissenschaft vertrete oder die Meinung des Bundesrats. Aber natürlich, unter Berufskolleg:innen vertrete ich die Meinung einer Minderheit.

Das ist sicher hart, immer diese Kritik. Tut dir das sehr weh?

Manchmal schon. Es ist vor allem herausfordernd. Aber Kritik und Gegenwind gehören zur politischen Arbeit. Zudem gibt es immer auch positive Reaktionen, beispielsweise auf Medienartikel. An die halte ich mich und versuche, all das Negative etwas auszublenden.

An welcher starken Schulter weinst du dich aus?

Mit meiner Partnerin kann ich sehr viel besprechen, auch unangenehme Dinge. Das tut gut.

Du bist, typisch Mann, bei den Grünen. Eine richtige Wohlfühlpartei ...

Die Parteiwahl war eher zufällig. Die Grünen haben mich irgendwann angefragt, ob ich bei ihnen mitwirken wolle. Wenn eine andere Partei angefragt hätte, wäre ich vielleicht bei einer anderen gelandet.

Interessant.

Im Ernst: Ich habe die Grünen schon immer unterstützt und war auch immer ein politischer Mensch. Ich war erst Unterstützungskandidat auf lokaler Ebene und wurde dann bald ins Kantonsparlament gewählt und schliesslich in den Nationalrat. Ich habe keine Politkarriere angestrebt.

Kilian Baumann
Man schreibt mir das Bild des Aufmüpfigen gerne zu. Gewisse Bauern im Parlament drängen mich in diese rebellische Ecke.

Das war also viel Glück. Sag mal, wer kümmert sich eigentlich um deine drei Kinder, wenn du dich politisch auslebst?

Wir haben uns die Kinderbetreuung grundsätzlich 50:50 aufgeteilt. Dieses Modell ist während der Sessionen natürlich ungünstig, weil ich in dieser Zeit jeweils drei Wochen jeden Tag von morgens bis abends im Bundeshaus bin. Das ist nicht sehr familienfreundlich. Wir decken diese Zeit jeweils mit Kita, einer Tagesmutter und den Grosseltern ab. Aber es ist ein grosser Aufwand.

Vielleicht ist es auch nicht gerade der ideale Zeitpunkt für eine Politkarriere, so in deiner Lebenssituation …

Es ist sicher nicht der beste Moment. Es ist aber so, dass sich jetzt, in meinem Alter, viele berufliche und politische Möglichkeiten auftun. Später gibt es diese Optionen vielleicht nicht mehr. Es kommt immer alles gleichzeitig: Beruf, Familie, Politik. Das kennen bestimmt viele Menschen. In der Schweiz ist der gesellschaftliche Rahmen leider (noch) nicht so, dass sich all diese Dinge gut vereinbaren lassen.

Hast du ein schlechtes Gewissen, dass du alles willst und so oft weg bist?

Ja, klar. Ich finde es manchmal schwierig, die Kinder in der Kita abzugeben, vor allem den Kleinsten. Ihm hat es eine Zeit lang gar nicht gefallen, und er wollte nicht gehen. Das tut schon weh.

Das verstehe ich. Du hast es geschafft. Wie war’s?

Gut, überraschend gut. Normalerweise bereite ich mich auf die Interviews vor, aber heute hatte ich nur ein weisses Blatt vor mir mit deinem Namen, weil ich gar nicht wusste, was mich erwartet. Aber es war gar nicht so schlimm.

Da bin ich froh.