
Wie viel Risiko hältst du aus, Katja Weber?
Hintergrund
- Alter: 46
- Kinder: 1 Sohn
- Beruf: Event-Unternehmerin
- Einkommen: 120’000 Franken
- Schulden: privat zwei Hypotheken über rund CHF 1.3 Mio.
- Grösster Ausgabeposten: Miete und Kinderbetreuung
- Vermögen: steckt in meinen Unternehmen, Wert schwankt enorm
Die Zürcher Event-Unternehmerin hat mit dem «Wienachtsdorf» am Bellevue eine ganze Stadt verzaubert – und Zürich in die Top 10 der Weihnachtsdestinationen von Forbes katapultiert. Nach zehn Jahren entschied nun eine rein männlich besetzte Jury: Das war’s. Im Money Talk erzählt Katja, warum sie trotzdem weiter an Begegnungen glaubt, wie viel Glühwein es für ein Winterwunderland braucht – und weshalb Freiheit für sie heute heisst, jederzeit ein Taxi nach Hause nehmen zu können.
Katja, dein «Wienachtsdorf» hat Zürich auf die Forbes-Liste der schönsten Weihnachtsstädte gebracht. Bist du damit reich geworden?
Alles Geld, was ich jemals erwirtschaftet habe, steckt in meinen Firmen. Und der Wert dieser Unternehmen schwankt brutal. Ein Winter mit Regen oder eine Pandemie, und deine schöne Bewertung ist Makulatur. Mein Vermögen sieht man nicht auf dem Konto, sondern auf Plätzen, die leuchten – und im Risiko, das ich trage.
Katja Weber
Wie viele Firmen besitzt du eigentlich? Man verliert bei deinen Projekten fast den Überblick.
Ich auch manchmal (lacht) – aber eigentlich kann man wohl sagen, alle zwei Jahre eine Neugründung; unsere Branche lebt davon, dass wir am Zeitgeist bleiben. So wurden es bis heute 10 Gesellschaften und Beteiligungen: vom «Wienachtsdorf am Bellevue» über das Illuminarium bis zu Frau Gerolds Garten, Micas Garten, den Street Food Festivals, der Weinfirma Smith & Smith oder mittlerweile auch einige Ko-Produktionen in anderen Städten wie z.B. in Genf oder Bern. Für praktisch jedes grosse Projekt gibt es eine eigene Firma. Wir sehen uns als alternative Stadtentwickler:innen: Wo wir hingehen, verändert sich etwas im Stadtraum – wir schaffen einen «dritten Raum»; Menschen begegnen sich, es entsteht Atmosphäre, manchmal sogar Innovation.
Finanziell ist der Motor die Gastronomie. Wo Menschen sich treffen, wird gegessen und getrunken. Essen und Getränke werden damit zum Benzin, das diese ganzen Orte am Laufen hält. Ohne Glühwein und gutes Essen wäre das Winterwunderland finanziell nicht machbar.
Konntest du als Frau gleich unternehmerisch einsteigen wie deine männlichen Geschäftspartner? Der Vermögens-Gap ist ja enorm?
Ich komme nicht aus einer vermögenden Familie. Ich hatte kein Startkapital, um mich mit grossen Anteilen einzukaufen. Das heisst: In den meisten Projekten bin ich Mitgründerin und Minderheitsaktionärin – und meistens die einzige Frau. Der Vermögens-Gap ist nicht nur eine Statistik, er entscheidet sehr konkret darüber, wem wie viel von einer Gesellschaft gehört – und damit über Macht, Freiheit und Altersvorsorge.
Ihr habt euren Weihnachtsmarkt weitestgehend bargeldlos gemacht. Warum hast du dich ausgerechnet in einem Weihnachtsdorf an die Spitze der Digitalisierung gestellt?
Weil es sicherer ist – und ehrlicher. Mein ganzes Führungsteam ist weiblich. Wir haben deshalb viele Frauen auf dem Platz: im Team, an den Marktständen, im ganzen Kader. Wir hatten früher Delikte, organisierte Banden, sogar Überfälle. Sie haben den Standbetreiber:innen beispielsweise den Strom ausgestellt und sich danach als Elektriker ausgegeben, um die Kassen zu stehlen. Danach war klar: So geht es nicht weiter.
Bargeld ist nicht nur Zahlungsmittel, es ist auch ein Risiko. Und Bargeld-Handling kostet Geld: zählen, sichern, abtransportieren. Im Rahmen der Pandemie waren wir gezwungen, alles kontaktlos zu machen. Für die Gäste ist es bequem, für die Betreiber:innen sicherer und für unsere Mitarbeitenden beruhigend. Das war eine bewusst feministische Entscheidung: Wir wollten, dass sich die Frauen auf dem Platz sicherer fühlen. Wenn du nachts eine Kasse voller Bargeld schleppen musst, fühlst du dich nicht sicher. Cashless ist auch ein Schutz für Frauen.
Katja Weber
Wie gross ist dein persönliches Risiko als Unternehmerin?
Enorm. Wir sind abhängig von vielem, was wir nicht steuern können: Wetter, Fachkräftemangel, Pandemien, Bewilligungen. Beim Street Food Festival kann eine Regenperiode ein ganzes Jahr verhageln. Beim «Wienachtsdorf» liegt die Nutzungsgebühr für den Sechseläutenplatz schnell mal bei einer Viertelmillion Franken, bevor überhaupt eine Tasse Glühwein verkauft ist. Dazu kommen Investitionen in Aufbau, Dekoration, Licht, Infrastruktur. Diese schreibt man nicht in einem und auch nicht in zwei Jahren ab.
Es gab Jahre, da war das Wetter traumhaft, 2015 und 2016 hatten wir kaum einen Regentag. Und dann gibt es Jahre, in denen man nur noch Schadensbegrenzung macht; ganze Stürme ausstehen muss. Im Peak war unser Firmen-Konstrukt vom Steueramt einmal mit acht Millionen bewertet, kurz darauf wieder mit fünf. Und wenn ein Mietvertrag wegbricht, reduziert sich der Wert auf einen Schlag auf Null. Das ist Unternehmerinnen-Alltag: Es geht hoch und runter. Die Existenzängste verschwinden nie.
Du warst früher bei KPMG, hattest eine erfolgreiche Karriere mit hohem Lohn. Warum hast du dir dieses Auf und Ab angetan?
Weil ich gemerkt habe, dass mich Excel-Tabellen in Konzernen nicht glücklich machen. 2009 habe ich mich selbständig gemacht. Die ersten fünf Jahre waren hart und wild, aber auch spannend. Man arbeitet unendlich viel, rund um die Uhr. Ich hatte lange das Gefühl, nur noch zu funktionieren. Erst etwa 2014 hatte ich zum ersten Mal wieder Luft – im Kopf und auf dem Konto.
Heute würde ich trotzdem immer wieder gründen. Ich würde Frauen aber raten, sich ehrlich auf einen Marathon vorzubereiten – finanziell und mental.
Dein unternehmerisches Denken – woher kommt das?
Von meiner Grossmutter. Sie hatte ein eigenes Schuhgeschäft, war Chefin der Familie – das war damals revolutionär. Sie war eine einfache Frau mit einem riesigen Herz fürs Gemeinwohl: Alle waren in ihrem Haushalt und Esstisch willkommen, auch Migrant:innen. Im Jugoslawienkrieg brachte sie Hilfsgüter, ohne grossen Aufhebens. Dieses «Wir machen einfach» habe ich von ihr geerbt.
Was machst du selbst fürs Gemeinwohl – bei all den kommerziellen Events?
Mit dem Wort «Kommerz» kann ich mich nicht identifizieren. Das ist nicht der Grund, warum wir Projekte realisieren. Der kommerzielle Erfolg ist wichtig für einen nachhaltigen Aufbau einer Firma und gesicherte Jobs. Aber es geht immer um den Inhalt – das «warum», den «dritten Ort».
Das klingt fast poetisch.
Ich will mit unseren Projekten die Welt ein kleines bisschen besser machen. Das klingt kitschig, ist aber ernst gemeint. Nur wenn sich Menschen in echt begegnen, ausserhalb der Bubble und analog, kann Austausch entstehen. Nur wenn sich Menschen wohlfühlen, kommen sie immer wieder und lassen sich auf etwas ein. Unsere Projekte richten sich an alle. Niemand wird am Wienachtsdorf zum Konsum gezwungen. Es gibt offene Plätze, gratis Kultur- & Kinderprogramm, Essen und Getränke mit Kultur-Legi.
Ja, wir könnten deutlich mehr Profit rausholen. Aber was bleibt dann? Ich will, dass Menschen sich begegnen, staunen, neue Ideen haben.
Katja Weber
Wie ist dein persönliches Verhältnis zu Geld?
Ich hatte lange das Gefühl, ich hätte gar keines. Ein früherer Geschäftspartner hat einmal gesagt, er habe noch nie jemanden erlebt, dem Geld so wenig wichtig sei wie mir. Das war für mich ein Kompliment. Heute sehe ich es differenzierter: Geld bedeutet Freiheit. Es bedeutet Wahlmöglichkeiten. Für mich ist wichtig, dass ich mir immer ein Taxi nach Hause leisten kann. Dass ich aus einer Situation rauskomme. Dieses «Ich brauche immer einen Ausweg» ist tief in mir drin – wie bei vielen Frauen.
Geld ist krass. Es entscheidet darüber, ob du bleiben musst oder gehen kannst.
Investierst du? Oder liegt dein Geld auf dem Konto, weil dein Risiko schon im Business steckt?
Ich sage mir seit Jahren: «Ich sollte anlegen, ich müsste, ich hätte früher…» Typischer Satz, oder? Ich bin da fast stereotyp vorsichtig. Gleichzeitig habe ich in der Dotcom-Krise als Studentin 5000 Euro verloren, das sitzt tief. Dieses Gefühl – «egal, was ich mit Geld mache, ich mache es falsch» – begleitet mich bis heute.
Trotzdem habe ich die klassischen Schritte gemacht: Ich habe immerhin zwei Immobilien gekauft, eine in Zürich, eine in Berlin – leider ziemlich spät, zu einem schlechten Zeitpunkt. Ich habe etwas Krypto, ich habe ETFs bei einem Broker, einen Sparplan, Festgeldanlagen. Aber emotional fühle ich mich immer noch wie die Studentin, die ihr ganzes Erspartes verliert.
Katja Weber
Du sagst, du hast in deinem Leben mehr Geld verloren als gewonnen. Wie hält man das aus?
Indem man versucht, die Reihenfolge zu beeinflussen (lacht). Im Ernst: Verluste gehören dazu, wenn man gestaltet. Wichtig ist, dass du sie verkraften kannst – finanziell, aber auch mental. Ich habe bei Männern oft beobachtet, dass sie auch auf gescheiterte Projekte stolz sind und sich dafür anerkennen, es überhaupt probiert zu haben. Bei Frauen wird es viel härter bewertet, auch von ihnen selbst. Ich versuche, mir diesen männlichen Pragmatismus ein bisschen abzuschauen.
Du bist aktuell mehrheitlich alleinerziehend. Wie sehr bestimmen Betreuungskosten und Fixkosten deine Geldentscheidungen?
Sehr. Kinderbetreuung ist einer meiner grössten Ausgabeposten, zusammen mit der Miete. Das ist nicht nur eine Budgetfrage, es ist auch eine Zeitfrage. Ich trage die Verantwortung für ein Kind, für meine Mitarbeitenden, für meine Projekte. Diese Verantwortung ist mein Antrieb – und manchmal auch meine grösste Angst: Was, wenn ich diese Freiheit wieder verliere?
Ich habe mir geschworen, nie in Situationen zu geraten, in denen finanzielle Abhängigkeit meine Entscheidungen bestimmt. Ich will, dass Frauen finanziell so stark werden, dass sie frei entscheiden können.
Ihr arbeitet neu mit einer amerikanischen Firma zusammen, um eure Formate global zu skalieren. Was ist dein nächster Geld- und Business-Schritt?
Gemeinsam mit Fever arbeiten wir an einem Projekt in Paris – und damit an der Chance, unsere Ideen international zu tragen. Dabei bleiben wir unseren Werten verpflichtet: echte Begegnungsräume, faire Bedingungen, nachhaltige Veranstaltungen. Geld öffnet die Türen, unsere Werte bestimmen aber den Kurs..
Ich will Städte zum Leuchten bringen – nicht nur im Winter, sondern immer.
Katja, danke für deine Offenheit und deinen Mut für dieses Gespräch.



