Breathwork, geführte Atemübungen, sind im Trend. Einer, der die Bewegung mit keur Wellness aus den USA in die Schweiz gebracht hat, ist Matthias Hunkeler. Lies, warum er selbst die härtesten Männer zum Weinen bringt, weshalb er sich eher als moderner Guru statt Hobby-Modell sieht und wieso er das Zeitgeschehen für Männer momentan härter findet als für Frauen.

Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.

Warum bist du als Mann so angezogen von diesen «Gspürschmi-, Fühlschmi-Zeugs»? 

Gute Frage. (Schmunzelt, überlegt sehr lange.)

Was musst du so lange überlegen?

Wie das alles angefangen hat. Das war eine tiefe persönliche Erfahrung 2016 in Kalifornien, die mir sehr viel Ruhe und Balance ins Leben gebracht hat und tiefe Einsichten – alles dank des Breathworks. Das war schon damals völlig normal in den USA, auch für Männer. Und manchmal muss ich selber schmunzeln, dass ich in diesem Bereich gelandet bin.

Matthias Hunkeler
In Kalifornien atmen tatsächlich mehr Männer in unseren Kursen, hier in Europa ist es gerade umgekehrt.

Viele Frauen denken, Breathwork ist Hokuspokus, nur was für Männer mit schwachen Nerven und einem Hang zu Räucherstäbchen. 

In Kalifornien atmen tatsächlich mehr Männer in unseren Kursen, hier in Europa ist es gerade umgekehrt.

Tatsächlich? Wie erklärst du dir das?

Ich habe das Gefühl, es hat damit zu tun, dass Neues immer länger braucht, bis es hier in der Schweiz «landet». Beim Breathing überrascht es mich besonders, weil die Wirksamkeit der Atemübungen ja auch wissenschaftlich untersucht und bewiesen ist. Wir merken aber langsam, wie es dreht. Breathwork wird zum Mainstream, es gibt immer mehr Führungsteams, die bei uns einen Workshop buchen. 

Braucht es das wirklich: Managerinnen gefühlvoller machen zu wollen?

Gefühlvoller? (Sinniert erneut lange.) Breathing ist viel vielseitiger. Es hilft in erster Linie, aus dem Kopf zu kommen, was wieder der Kreativität hilft, um bessere Entscheidungen zu treffen.

Bessere Entscheidungen dank Ein- und Ausatmen? Das muss euch Männer ja besonders schwerfallen.

Die meisten Menschen atmen oberflächlich und schnell. Das hat mit dem Nervensystem zu tun. Mit der Veränderung des Atems kann man dem Körper signalisieren, dass er sich beispielsweise entspannen kann. Ich beobachte aber schon, dass mehr Männer als Frauen dysfunktional atmen.

Wie hört sich männliches dysfunktionales Atmen an?

Laut und mit Unterbrüchen, was sich Apnoe nennt. Interessant ist auch, dass viele Männer das Gefühl haben, dass mehr Atmen besser ist und durch den Mund hyperventiliert wird. Dabei ist es viel besser, wenn man langsam durch die Nase atmet, dann bekommt der Körper mehr Sauerstoff. Das merke ich auch in den Kursen: Männer gehen eher mal over the top und spüren sich weniger. Atmen ist so ein effizientes Tool, und es ist für den Mann eigentlich super geeignet, weil er weder ins Yoga gehen noch meditieren muss. Er erlebt rasch einen Durchbruch und ist mehr bei sich und klarer. 

Du bringst ja deine Teilnehmer:innen regelmässig zum Weinen: Ist das nötig? Männer sind ja sowieso schon Heulsusen?

Bei mir haben schon viele Topmanager geweint. Ich weiss nicht, wieso Tränen mit Schwäche in Verbindung gebracht werden. Es ist vielfach das Gegenteil. Ich sehe bei vielen Menschen nach Tränen Durchbrüche, es ist eine Form von Release, Spannung wird gelöst im Körper. Oft kommt nach dem Weinen auch das Lachen. Und dann kommt das Verständnis für das eigene Dasein.

Ist dein Breathwork-Angebot vor allem für die unter Männern überproportional vertretenen Hysteriker geeignet? 

Nein, überhaupt nicht! (Lacht.) Es ist wirklich für alle. Das Weinen kommt ja oft nach den schnellen Atemübungen. In vielen Workshops, gerade mit Sportler:innen oder auch in Firmen, wenn es um Fokus und Konzentration geht, wende ich langsame Atemübungen an. Das ist das Fundament von Breathwork-Übungen. Langsam, wenig und tief. 

Matthias Hunkeler
Mit der Veränderung des Atems kann man dem Körper signalisieren, dass er sich beispielsweise entspannen kann. Ich beobachte aber schon, dass mehr Männer als Frauen dysfunktional atmen.

Hast du es auch mal mit einem richtigen Job versucht, in der Wirtschaft oder so?

So guet! (Lacht laut.) Diese Frage wird mir ja nur in der Schweiz gestellt, weil man davon ausgeht, dass das, was ich mache, kein richtiger Job ist. Was mich anfangs nervte und mich nun befeuert in dem, was ich mache. Ich nehme es als Zeichen wahr, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich mag sehr gerne rebellische Projekte und der Schweiz tut es, glaube ich, gut. Danke für diese Frage. (Lacht weiter.) 

Hast du eine reiche Frau, die deine Träume finanziert?

Leider nicht. Das hätte es viel einfacher gemacht, wahrscheinlich. 

Wovon lebst du denn?

Ich habe mich das auch lange gefragt, wie ich überleben konnte, und mein Trick war folgender: Ich habe, seit ich angefangen habe, Breathwork zu unterrichten, einfach nie aufs Bankkonto geschaut. Im Gegensatz zu früher, als ich jeden Tag auf diverse Konti schaute. Aber heute komme ich immer irgendwie durch, und im Zweifelsfall hilft es, tief durchzuatmen.

Matthias Hunkeler
Bei mir haben schon viele Topmanager geweint. Ich weiss nicht, wieso Tränen mit Schwäche in Verbindung gebracht werden. Es ist vielfach das Gegenteil.

Das musst du erklären, warum du früher auf so viele Konti Zugriff hattest?

Als Private Banker hatte ich Zugriff auf diverse Konten. Durch die vielen wohlhabenden Menschen, mit denen ich zu tun hatte, habe ich eines gelernt: Je mehr Geld man hat, umso grösser ist teilweise die Angst, es zu verlieren. Das hat mir meine eigene Transition in ein anderes Leben nochmals vereinfacht. Meine alten Banker-Kolleg:innen hatten anfangs das Gefühl, sie hätten mich komplett verloren. Und jetzt werden sie langsam zu meinen besten Kunden.

Hat dein gutes Aussehen deine Karriere beeinflusst?

(Schaut verlegen auf die Seite.) Das überlege ich mir ganz ehrlich gesagt nicht, aber ich hoffe es! (Denkt wieder lange nach). Wie kann man das in Worte fassen? Anfangs wurde ich ja belächelt, mit dem, was ich mache. Ich fand ich es darum nur fair, immerhin ein Asset wie das Aussehen behalten zu können. 

Hast du es auch schon als Hobby-Modell versucht, um dein Budget aufzubessern?

Ich habe schon ein paar Anfragen bekommen. Der Reiz war da, besonders, als es finanziell knapp war – aber ich habe es nie gemacht, weil: Ich führte früher eine Talent Agency, und nachdem ich die Leute betreut habe, konnte ich das irgendwie nicht selbst tun. Aber ich stand wirklich kurz davor. 

Wie siehts aus mit Kindern? Hörst du mit 37 Jahren nicht die Uhr ticken?

(Langgestrecktes Ähm). Ich habe das Gefühl, die tickt schon länger, die tickt einfach. Es kann in beide Richtungen gehen, und beides ist total okay. Ich liebe das Ungewisse. (Schaut in die Ferne.) Wir planen das effektiv nicht so, es kann sein, dass es zu uns kommt. 

Was machst du sonst für deine männliche Gesundheit, ausser Atmen?

Surfen! 

Hormonelle Dysbalance, ein Thema für dich? Du kommst ja langsam in das Alter …

Ich glaube nicht, dass ich es auf Hormone herunterbrechen kann. Vielleicht spüren wir Männer schon Veränderungen, aber sie finden viel linearer statt. Deshalb sind die Effekte nicht so spürbar und intensiv wie bei den Frauen. Was aber nicht heisst, dass es weniger schmerzhaft oder stark wäre.

Matthias Hunkeler
Ich habe, seit ich angefangen habe, Breathwork zu unterrichten, einfach nie aufs Bankkonto geschaut.

Und wie gehst du damit um?

Hey, ich liebe Veränderungen, ich umarme sie. Ich erlaube mir auch, Pausen zu machen und Auszeiten zu nehmen, wenn es zu viel ist, damit ich mich hinterfragen kann. Ich reflektiere, wenn es notwendig ist, eine Veränderung in meinem Leben vorzunehmen. Ich glaube, das Zeitgeschehen momentan ist gerade für Männer viel schwieriger als für Frauen: Wir befinden uns auf dem Weg zur Gleichberechtigung, und die Frauen kommen in ihre Kraft. Das verlangt, dass sich Männer tiefer damit auseinandersetzen, was ihre Bestimmung ist. 

Warum tun sich viele Männer damit schwer?

Es hat damit zu tun, wie wir aufgewachsen sind, was uns mitgegeben wurde in der Schule und zu Hause, beispielsweise, dass man später Alleinernährer ist. Männer identifizieren sich sehr stark über ihre Arbeit und das Aussen. Plötzlich geht es vielmehr um Inneres: Wer bin ich, was sind meine Werte, was möchte ich im Leben machen? Es geht in diesem Prozess auch darum, die eigenen Stärken zu finden. Und dann haben Männer plötzlich Raum, sich mit noch viel mehr als nur ihrer Arbeit zu identifizieren. 

Matthias Hunkeler
Ich liebe Veränderungen, ich umarme sie.

Findet das momentan kollektiv statt, dieser Wandel? Bist du jetzt der neue Männer-Guru?

Guru ist ja sehr negativ belastet, dabei heisst Gu Dunkelheit und Ru Licht – also einer, der aus der Dunkelheit in das Licht führt, und damit kann ich mich stark identifizieren. Aber das mit dem klassischen Guru, der von oben Anweisungen gibt, das trifft gar nicht auf mich zu. Diese Zeit haben wir hinter uns gelassen. Jetzt gehen wir nebeneinander, es ist nicht einer, der voranschreitet, das ist eben auch Equality. Aber zurück zu deiner Frage. Ja, der Wandel findet im Kollektiv statt, auch wenn Männer heute fast etwas in diesen Wandel gepusht werden.

Wie war es bei dir, wurdest du auch gepusht?

Keur Wellness aufzubauen war vor zehn Jahren in Kalifornien einfacher. Es war ein Umfeld, in dem sich viel mehr veränderte, lockerer als hier in der Schweiz, und man war auch schon ein paar Jahre voraus. Wenn wir damals nicht in die USA ausgewandert wären, würde ich heute 100 Prozent nicht das tun, was ich heute mache. Ich habe sehr viel Mut, Zuversicht und Unterstützung erfahren in diesem Umfeld. Man wird unterstützt im Anderssein, es braucht keinen Plan B. Die Frage, was, wenn du es nicht schaffst, die kam nur in der Schweiz. 

Wo kaufst du deine stylischen Yoga-Klamotten?

Die bekomme ich geschenkt. 

Was ist dein Schönheitsgeheimnis?

Ganz viel Lachen.

Das gibt aber Falten!

Einfach in der Freude und in der Natur sein, dann lebt man forever, dann muss man nicht mal ins Breathwork kommen. Schafft man das, könnte ich mich anderen Sachen widmen, was auch okay wäre.

Matthias Hunkeler
Der Wandel findet im Kollektiv statt, auch wenn Männer heute fast etwas in diesen Wandel gepusht werden.

Was denn? Gibt es ein Leben für dich ausserhalb von Breathwork?!

Ja, es gibt so viel! Ich würde mich so gerne mit Permakultur-Anbau auseinandersetzen und Heilpflanzen im Allgemeinen. 

Wie sieht dein Haarpflege-Ritual aus?

Ganz ehrlich, das wirst du mir nicht glauben, ich habe keines. Mein Geheimnis ist höchstens: Keine Pflegemittel!

Verbringst du viel Zeit vor dem Spiegel?

Praktisch keine. 

Was ist Dein Signature Look?

Das sind meine längeren blonden Haare, it stands out.

Da haben wir ja etwas gemeinsam. Von Blondine zu Blondine: Wie findest du eigentlich ellexx?

Das erste, was mir in den Sinn kommt: ellexx inspiriert mich. Es ist eine Unternehmenskultur, die ich aus Kalifornien kenne, es ist visionär, mutig, und es geht um Impact. Und das geführt von starken Frauen, finde ich richtig cool.