Ich bin letzthin von einer Besenkammer in ein richtiges Büro gezogen. Also eines wie man sich das heute vorstellt: mit viel Glas, Licht, Beton. Dazu Sofas und Kaffeebars ohne Dichtestress. Die alte Garnitur passte da natürlich nicht mehr. Was passierte damit?
Vieles Gebrauchte landet wie so oft bei Büro-Umzügen im Müll. Darunter ist vieles, was andere noch brauchen könnten. Zum Beispiel Wohltätigkeits-Organisationen, Vereine, Nichtregierungsorganisationen, Notschlafstellen. Aber Firmen zahlen lieber dafür, Inventar zu entsorgen, statt es zu verschenken. Auch Onlinehändler wie Amazon & Co. verbrennen nigelnagelneue Ware, weil es günstiger ist als Schenkaktionen.
Wie Ebay, aber alles gratis
Dieser wirtschaftliche Irrsinn ging der britischen Bankerin May Al-Karooni nicht aus dem Kopf. 2013 fragte sie sich: Warum haben wir Airbnb und Uber, aber niemand hat eine Plattform für die Abfall-Wirtschaft gebaut? Gedacht, getan. Globechain war erfunden.
Man kann sich diesen Marktplatz vorstellen wie eine Art Ebay, aber alles ist gratis. Das Geschäftsmodell ist einfach. Vor allem Grossfirmen wie Warenhausketten und Krankenhäuser zahlen statt Entsorgungskosten eine Mitgliedergebühr und erhalten im Gegenzug Daten. Damit können sie nachweisen, dass sie nachhaltig handeln. Auf der anderen Seite können Hilfsorganisationen und Private die Ware gratis abholen.
Der Kreislauf ist Billionen wert
Diese Idee hat Stiftungen in wenigen Jahren 2,5 Millionen Franken gespart, und fünf Millionen Kilo vermeintlicher Abfall ist nicht in der Tonne gelandet. Freecycling nennt sich das. Die digitale Brockenhaus-Plattform fürs Gewerbe leitet Ungewolltes zu Menschen, die damit etwas Neues aufbauen. Ware möglichst lange nutzen, reparieren, wiederverwerten: Das ist Kreislaufwirtschaft. Sie ist lange belächelt worden. Mittlerweile gesteht man diesem Wirtschaftszweig zu, fünf Billionen Franken wert zu sein.
Al-Karooni gehört zu den wachsenden Social Entrepreneurs, Unternehmerinnen, die mit ihrem Geschäft vor allem soziale Probleme lösen wollen. Umgekehrt zur kommerziellen Geschäftswelt führen hier die Frauen. In 90 Prozent dieser Firmen sitzt ganz oben auch eine Frau. Die Britin hat sich aber immer dagegen gewehrt, rein in die soziale Ecke gestellt zu werden.
Giga-Geldgeber übergehen Frauen
Globechains schwarze Zahlen beweisen, dass ihre Idee auch Geld bringt und interessant wäre für Investoren. Für Frauen ist es aber schwer, an Geld zu kommen. Daten von Pitchbook zeigen, dass die globalen Risikokapitalisten gerade mal nichtige 2,2 Prozent ihres Geldes in weibliche Gründerinnen investieren. Mehr als 90 Prozent der Kapitalgeber sind männlich. Sie investieren in Gründer, die ihnen ähnlich sind. Die Investment Bank Morgan Stanley schätzt, dass die Giga-Geldgeber sich bis zu vier Billionen Franken entgehen lassen, weil sie nicht mehr in Frauen investieren.
Globechain hat sich selber finanziert. Die junge Frau hat mit 1000 Franken angefangen und gratis gearbeitet. Die Plattform für alles, was die Geschäftswelt nicht mehr will, ist mittlerweile in elf Ländern aktiv und mehrfach ausgezeichnet. Nach Secondhand-Ausstattungen für Büros, Shops und Restaurants will Globechain nun die Welt der Mode vor der Deponie bewahren. Die Modebranche ist eine der dreckigsten Industrien überhaupt, Überschussware landet tonnenweise im Feuer. Globechain hat das Zeug dazu, eine Branche nach der andern und letztlich auch Investoren dazu zu bringen, anders über Abfall nachzudenken.