Sina Trachsel, viele Menschen schieben die Steuererklärung möglichst lange auf und füllen sie erst so spät wie möglich aus. Hat das Nachteile?
Grundsätzlich hat es keine Nachteile oder Konsequenzen, wenn man die Frist für die Einreichung verlängern lässt und die Steuererklärung entsprechend später ausfüllt. Wichtig ist aber, dass man die Verlängerung rechtzeitig online eingibt – dann kann man in den meisten Kantonen die Einreichung bis ins zweite Halbjahr erstrecken. Verlängert man die Frist nicht rechtzeitig und reicht die Steuererklärung einfach nicht ein, dann gibt es eine Mahnung und gegebenenfalls sogar eine Busse. In diesem Fall hat das Aufschieben finanzielle Konsequenzen.
Und was hat es mit dieser provisorischen Rechnung auf sich, die man jeweils im Voraus erhält?
Wir bezahlen die provisorische Rechnung in den meisten Kantonen in der Regel für das aktuelle Jahr. Konkret bedeutet das, dass wir im Jahr 2024 die provisorische Rechnung für das Jahr 2024 erhalten und bezahlen müssen. Bezahlt man diese nicht oder ist sie zu tief angesetzt, dann kann es zu Verzugszinsen kommen. Hat man den Betrag jedoch schon bezahlt und verlängert seine Steuererklärung korrekt, hat das keine finanziellen Konsequenzen. Wichtig ist zu erwähnen, dass die provisorische Rechnung für die Direkte Bundessteuer immer ein Jahr später zu bezahlen ist, im Gegensatz zur kantonalen Rechnung.
Hat es denn Vorteile, wenn man seine Steuererklärung aufschiebt?
Eigentlich nicht. Ein Nachteil des frühen Erledigens der Steuererklärung kann jedoch sein, dass vielleicht noch Quittungen und Rechnungen auftauchen, die für die Steuern relevant sind. Gerade wenn man zum Beispiel Wohneigentum hat, kann es sein, dass gewisse Abrechnungen erst später kommen. Dann kann es passieren, dass man noch etwas nachreichen muss. Aber wenn man eine einfache Steuererklärung hat, dann kann man sie auch gut sofort einreichen. Dann ist das Thema erledigt, und man muss nicht mehr daran denken.
Apropos Belege: Was sollte ich schon mal bereitlegen, bevor ich mit dem Ausfüllen der Steuererklärung loslege?
Bei den Steuern ist es wie beim Umziehen: Die Vorbereitung ist das A und O. Wenn man beim Ausfüllen der Steuererklärung noch alles zusammensuchen muss – ein Jahr später – dann wird es oft schwierig und mühsam. Ich selbst empfehle deshalb immer, gleich Anfang Jahr ein Mäppchen anzulegen für die Steuern. Ich selber mache das übrigens auch so. Natürlich kann man das auch elektronisch machen mit einem Ordner auf dem Computer.
Was kommt in dieses Mäppchen alles rein?
Alles, was während dem Jahr kommt und für die Steuern relevant ist, lege ich da rein. Wenn ich zum Beispiel im Februar ein Seminar besuche, lege ich den Beleg dafür gleich dort ab. Was man sowieso jedes Jahr dort sammeln sollte, sind die gängigen Unterlagen wie Lohnausweise, die Abrechnung der Krankenkasse – es gibt bei den meisten Krankenkassen einen Auszug Ende Jahr dafür –, die Steuerauszüge der Banken, Säule-3a-Bescheinigungen und sonstige Krankheitskosten wie beispielsweise Zahnarztrechnungen. Einiges kann man auch direkt online downloaden, etwa Bankauszüge. Wer Wohneigentum hat, sollte zudem die Belege für die Unterhaltskosten sammeln.
Und wenn ich das nicht gemacht habe und Belege nicht mehr finde, was dann?
Leider wird das mit den Abzügen dann schwierig. Es passiert aber relativ häufig, gerade bei Spenden, Abzügen für die Säule 3a, Unterhaltsarbeiten oder Kinderbetreuungskosten. Klar, man muss nicht von Anfang an zwingend alle Belege einreichen, aber die Steuerverwaltung hat jederzeit das Recht, Stichproben zu machen und Belege einzufordern. Hat man diese nicht und kann den Abzug somit nicht nachweisen, ist das nicht gut. Man gerät so auf den Radar der Steuerbehörden und wird deshalb vielleicht auch in den Folgejahren genauer kontrolliert. Dann wird es vielleicht schwieriger, gewisse Abzüge geltend zu machen.
Was machen die meisten Leute falsch, die ihre Steuererklärung selber ausfüllen?
Am häufigsten beobachte ich, dass allfällige Weiterbildungskosten nicht abgezogen werden. Hier hat das Gesetz erst kürzlich geändert: Pro Jahr kann man unter gewissen Voraussetzungen 12’000 Franken für Weiterbildungen abziehen. Das wissen leider viele nicht, obwohl sich viele Menschen regelmässig weiterbilden. Als Weiterbildung zählen beispielsweise auch Kurse für Fremdsprachen, die man fürs Berufsleben braucht. Wichtig ist, dass man die Kosten für die Weiterbildung auch tatsächlich selbst bezahlt hat. Wenn diese vom Arbeitgeber erstattet werden, kann kein Abzug gemacht werden.
Gibt es noch andere Punkte, die dir auffallen?
Was ich häufig sehe, ist, dass Säule-3a-Konten beim Wertschriftenvermögen deklariert werden. Dann zahlt man Vermögenssteuern dafür, obwohl dieses Vermögen nicht der Vermögenssteuer unterliegt und nicht deklariert werden muss.
Stimmt es, dass es bei Leuten mit einem herkömmlichen Lohn und ohne viel Vermögen fast kein Optimierungspotenzial gibt?
Das stimmt so nicht ganz. Natürlich, ein Lohn ist gegeben, und den muss man als Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit deklarieren. Wenn jemand selbstständig ist, gibt es also sicher etwas mehr Spielraum, um Aufwände als geschäftsmässig begründet zu deklarieren und entsprechend das Einkommen zu optimieren. Aber: Als Angestellter kann man bei den Auslagen optimieren.
Wie denn?
Als erstes würde ich mir anschauen, wie man zur Arbeit geht, ob man zum Beispiel ÖV-Kosten abziehen kann. Auch wer regelmässig Homeoffice macht, kann gegebenenfalls Abzüge machen. Für diese Dinge gibt es Pauschalen, aber je nachdem lohnt es sich, die effektiven Abzüge geltend zu machen und nicht die Pauschalen zu nehmen. Zudem kann man sicher optimieren, indem man in die dritte Säule einzahlt.
Sind die Abzüge in allen Kantonen gleich geregelt?
Grundsätzlich sind die Steuergesetze harmonisiert. Aber es gibt Unterschiede je nach Kanton, zum Beispiel wie hoch die Pauschalen sind oder was man alles abziehen kann. In gewissen Kantonen können zum Beispiel, die Ausbildungskosten der Kinder abgezogen werden.
Wie finde ich heraus, ob mein Kanton solche Spezialregelungen hat?
Solche Informationen findet man in der Wegleitung zur Steuererklärung oder auf der Website der Kantone – meistens hat die Steuerverwaltung solche Praxishinweise auf ihrer Seite. Im Zweifelsfall kann man auch mal die Steuerverwaltung anrufen und fragen oder sich von einer Fachperson beraten lassen.
Was sollten Paare mit Kindern besonders beachten?
Das hängt davon ab, ob das Paar verheiratet ist oder nicht. Verheiratete füllen gemeinsam eine Steuererklärung aus. Generell würde ich also Paaren empfehlen, zu prüfen, was eine Heirat steuertechnisch bedeuten würde. Es gibt Konstellationen, bei denen sich das Heiraten steuerlich gesehen lohnt – vor allem dann, wenn eine Person viel verdient und die andere fast nichts. Dann kann die Steuerlast als Ehepaar runtergehen. Leider ist es aber so, dass die Steuern bei Ehepaaren steigen, wenn beide hochprozentig arbeiten. Ich beobachte, dass sich viele Leute dessen nicht so bewusst sind. Aktuell wird ja auch die Individualbesteuerung für Ehepaare diskutiert. Bis diese aber umgesetzt wird, dauert es voraussichtlich noch einige Jahre.
Welche Abzüge können Paare mit Kindern machen?
Die gängigsten Abzüge sind Kinderabzüge, Betreuungsabzüge und Abzüge für die Krankenkassenprämien. Bei Versicherungsprämien gibt es Pauschalabzüge pro Kind. Auch Krankheitskosten der Kinder können Paare von den Steuern abziehen, sofern diese eine gewisse Schwelle überschreiten. Oftmals ist diese Schwelle aber sehr hoch – bis zu fünf Prozent des Einkommens.
Und welche Nachteile hat es aus steuerlicher Sicht, wenn man mit Kindern nicht verheiratet ist?
Dann wird die Steuererklärung komplizierter. In der Praxis sehe ich viele Patchworkfamilien oder Eltern, die im Konkubinat leben, bei denen es schnell komplex wird. Es stellen sich dann Fragen wie: Wer kann die Kinderabzüge und Fremdbetreuungsabzüge geltend machen? Je nachdem darf das nur ein Elternteil, und dann kommt es darauf an, wer wie viel verdient und ob der eine Elternteil dem anderen Alimente zahlt respektive welcher Elternteil zur Hauptsache für den Unterhalt des Kindes aufkommt.
Wie sieht es eigentlich aus, wenn ich nicht verheiratet bin und zum Beispiel ein gemeinsames Konto mit meinem Partner habe? Wer deklariert das?
Wenn es auf beide lautet, dann müssen es beide hälftig in der Steuererklärung deklarieren. Egal ob beim Bankkonto, einer Liegenschaft oder einem gemeinsamen Depot, es kommt immer auf die Eigentumsverhältnisse an, wie etwas deklariert werden muss.
Wenn ich etwas in meiner Steuererklärung vergesse – was passiert dann?
Wenn man bei den Abzügen etwas vergisst, ist das meist zuungunsten des/der Steuerzahlenden. Wenn man das frühzeitig merkt, kann man die Belege und Abzüge nachreichen. Nach Einreichung der Steuererklärung bekommt man eine Veranlagung, also eine Einschätzung der Steuerbehörde. Dort kann man schauen, ob alle Abzüge übernommen wurden. Wenn nicht, hat man 30 Tage Zeit, um eine Einsprache zu machen und gegebenenfalls eben auch Abzüge nachzureichen. Nach dieser Frist wird es schwierig, Abzüge geltend zu machen.
Und wenn ich Einkünfte vergessen habe?
Hier hat man eine Pflicht, diese nachzumelden. Wenn man noch keine Veranlagung erhalten hat, kann man die zusätzlichen Einkünfte einfach nachmelden mit einem Brief. Sobald man die Veranlagung erhalten hat, hat man auch wieder 30 Tage Zeit, um Einkünfte noch zu melden. Verpasst man die Frist, müsste man theoretisch eine Selbstanzeige bei der Steuerbehörde machen und die vergessenen Einkünfte deklarieren. Eine solche Selbstanzeige kann man einmal im Leben straflos machen – man kriegt also keine Busse. Wenn es mehrere Male passiert, kann die Steuerbehörde ein Strafverfahren einleiten und es gibt entsprechend auch eine Busse. Und wenn man bewusst oder vorsätzlich etwas nicht angibt und die Steuerbehörde kommt dahinter, kann es ein Nach- und Strafsteuerverfahren geben. Es ist also wichtig, alles vollumfänglich zu deklarieren. Gerade bei Expats oder aus dem Ausland Zugezogenen passieren hier leider oft versehentlich Fehler.
Weshalb?
Wenn sich Leute aus dem Ausland in der Schweiz steuerlich niederlassen, müssen sie die weltweiten Einkünfte und das weltweite Vermögen deklarieren. Also auch das Wohneigentum in Spanien zum Beispiel. Das wird ausgeschieden mittels internationalen Steuerausscheidung, aber man muss es deklarieren. Dessen sind sich viele nicht bewusst, sie denken: Das ist ja im Ausland, das muss ich in der Schweiz nicht deklarieren. Aber das ist eben nicht so.
Am 19. März gibst du ein Online-Coaching für ellexx Members. Was erwartet uns da?
Wir werden uns die gängigsten Formulare für die Steuererklärung zusammen anschauen, und ich werde bei jedem einige Tipps und Tricks geben und aufzeigen, worauf man achten muss. Ziel ist, dass sich die Teilnehmer:innen nach dem Coaching sicher fühlen, ihre Steuererklärung selbst auszufüllen – es ist nämlich wirklich nicht so eine Hexerei bei den meisten. Aber die wenigsten von uns wurden wahrscheinlich in der Schule durch eine Steuererklärung geführt. Das machen wir im Coaching. Danach haben wir noch genug Zeit, um konkrete Fragen zu besprechen.
Zur Person: Sina Trachsel ist Treuhänderin mit eidgenössischem Fachausweis und eidgenössisch diplomierte Steuerexpertin. Als sie vor zehn Jahren Weiterbildungen und Kurse im Steuerbereich besuchte, war sie häufig die einzige Frau. Mittlerweile beobachtet sie mit Freude, dass sich immer mehr Frauen in dem Bereich weiterbilden.