Olga, wobei erwischen wir dich?
Psst, im amerikanischen Aktienmarkt, S&P 500, beim Daytraden. Das mache ich notabene mit meinem Geld aus dem Spekulationstopf. Ich rate niemanden zum Daytrading. 85 Prozent der Daytrader schlagen die Märkte nicht.
Wie viele Frauen hast du schon geschult?
Es waren bisher über 9000 Frauen, dich ich gecoacht habe. Und zwar in der Schweiz und Grossbritannien.
Wieso liegt dir Finanzbildung so am Herzen?
Geld kann unglaublich viel bewegen, für die Nachhaltigkeit oder die Gleichstellung beispielsweise. Diese Kraft muss man sich mal vorstellen. Wir können zusammen viel bewegen. Als Kollektiv. Jede kann mit ein paar Hundert Franken mitwirken.
Zudem wird die Finanzbranche gerade durchgeschüttelt. Das reisst nicht mehr ab. Das Verstaubte, die steifen Anzüge, es stirbt aus! Mittlerweile ist viel neue Technologie im Sektor angekommen. Wir sehen nachhaltige oder andere innovative Produkte. Es ist hochspannend.
Viel Neues eröffnet auch viele Möglichkeiten. Das kann jedoch verwirrend sein. Moderne Finanzbildung muss Menschen über die Möglichkeiten informieren, mit allen Vor- und Nachteilen. Innerhalb einer Bank ist das nur schwer möglich. Es braucht deshalb Unabhängigkeit.
Was sind die grössten Hürden für Frauen?
Die Hürden nehmen glücklicherweise ab. Das Jubiläum des Frauenstimmrechts hat geholfen. Die Stimmung hat sich definitiv gewandelt. Viele Frauen wollen sich mittlerweile mit Geld befassen. Ich sehe nun vor allem praktische Hürden, welche Frauen daran hindern, sich um ihre Finanzen zu kümmern. Sie fragen sich, wie sie es anpacken sollen, mit welchen Beträgen, Risiken und zu welchem Preis.
Warum sind Finanzprodukte immer noch so schwer vergleichbar?
In der Tat sind die Gebühren, die sogenannten Fees, immer noch teilweise versteckt oder uneinheitlich. Das ist für Menschen nicht intuitiv und sie verlieren deshalb schnell die Lust am Anlegen. Es liegt nicht an der Intelligenz. Anlegen ist leider immer noch zu mühselig. Wenn man wenig Geld hat, gibt man es um so schneller auf.
Dich stört dieser Jargon und Intransparenz also auch?
Als Unabhängige habe ich hier natürlich leicht reden. Ich bin viel freier. Aber ich weiss ja auch, wie es innerhalb der Banken aussieht. Da ist der Druck der Regulatoren und da sind unzählige rechtliche Vorgaben. Man verzweifelt fast, wenn man etwas Neues ausprobieren will. Die Regulierung hat natürlich auch ihr Gutes: diese Überwachung gibt Sicherheit. Gleichzeitig geht das zu Lasten der Kund:innen oder der sogenannten Customer Experience. Man muss sich vorstellen: Es fliesst viel mehr Geld ins Regulatorische als in die Innovation.
Ab wann sollte man sich mit Geld befassen?
Der ideale Einstiegszeitpunkt ist für Kinder zwischen fünf bis sieben Jahren. Da werden die Geldgewohnheiten geprägt. Ich probiere auch den Jugendlohn an meinen eigenen Teenager-Kindern aus.
Wir sprechen regelmässig über Geld. Das Geld, das ihnen Grosseltern oder Gottis geschenkt haben, schauen wir genau an und diskutieren, wie wir es anlegen wollen. Gerade das Thema Krypto ist bei ihnen wegen der sozialen Medien sehr präsent. Ich erkläre ihnen, wie hochspekulativ das ist.
Ist es eigentlich auch irgendwann zu spät, um einzusteigen?
Nein, im Gegenteil. Guck dir mal die Börsen-Oma aus Deutschland an. Die hat mit dem Aktienhandel erst im fortgeschrittenen Alter begonnen. Danach ist sie durchgestartet, war sehr erfolgreich und hat letztlich gar eigene Börsen-Seminare veranstaltet.
Wie entscheidend ist die Psychologie beim Anlegen?
Geld hat vor allem mit Menschen zu tun. Es ist etwas sehr Menschliches. Viele Menschen haben Probleme mit Finanzplänen, weil sie sich zuerst klar werden müssen, was ihnen wichtig ist. Weil sie sich auf eine Selbstanalyse einlassen müssen. Was will ich für Freiheiten im Alter?
Auch eine gewisse Vorstellungskraft ist wichtig. Ich nenne dies den Money Mindset. Es ist wichtig, herauszufinden, ob man eher ängstlich oder gierig ist oder ob man der Masse, den Trends folgt - dem Herdentrieb. Wie ticke ich mit Geld? Dieser Frage muss man sich stellen.
Was sind denn die problematischsten Verhaltensmuster?
Da hätten wir beispielsweise die Loss Aversion. Menschen haben mehr Angst vor Verlusten als dass sie sich über Gewinne freuen würden. Dadurch verkaufen sie eher im Tief und kaufen im Hoch. Spannend ist auch das Close to home Phänomen. Wir investieren in das, was man besser kennt. Das führt zu Klumpenrisiken. Oder es narrt uns der Information Bias und wir verfallen dem Herdentrieb. Dann kaufen und verkaufen die Menschen wie wild, das ist nicht ideal.
Brauchen Männer nicht auch mehr Finanzbildung?
Ganz klar Ja. Frauen haben aber die grösseren Vermögenslücken. Sie investieren weniger und können hier aufholen. Es braucht manchmal einen geschützten Rahmen für einen Austausch. Männer verhalten sich nach dem Fussballspiel beim Bier unter sich auch anders, als wenn sie noch ihre Partnerinnen mitnehmen. Deswegen richten sich meine Seminare auch vor allem an Frauen. Etwa 30 Prozent der Kursteilnehmer sind aber Männer.
Dein Top-Rat an deine Kursteilnehmer:innen?
Macht Euch Geld-schlau und dann fangt an! Startet zuerst mit kleinen Beträgen. Sammelt Erfahrungen. Danach wächst das Selbstvertrauen. Man kann es mit der Finanzbildung nämlich auch übertreiben. Gewisse Menschen sind sehr akribisch. Manchmal habe ich auch Teilnehmer:innen, die vorher schon drei Kurse belegt haben. Sie sollten doch besser die Kurskosten sparen und sie investieren!
Das habe ich von einer Kursleiter:in noch nie gehört. Danke für das Gespräch!