Wir fragen hier Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Wir wollen damit einen Dialog über Stereotypen in Gang setzen, zum Nachdenken und Schmunzeln anregen, aber auch Toxizität entlarven.
Du hast fünf Kinder. Ist das Schreiben für dich also eher ein Hobby neben der Familie?
Nein, ich muss ja das Geld heimbringen. Ich bin der Haupt- und Alleinernährer.
Also dann ist die Schreiberei doch bitterer Ernst. Du bist also eher Workaholic, der nie zu Hause ist. Wie kannst du deinen fünf Söhnen dann ein Vorbild sein?
Ich bin fast immer zu Hause, praktisch jeden Abend. Und auch während der 13 Wochen Schulferien bin ich immer zusammen mit meiner Familie. Zu Hause oder in Spanien.
Also beim Workload als Selbstständiger kann ich mir das nicht ganz vorstellen.
Ja, das kennst du ja, als Selbstständiger ist man mit dem Kopf immer ein wenig im Geschäft. Trotzdem bin ich sehr häuslich und ein Familienmensch.
Okay, du beharrst darauf, dass du ein sehr präsenter Vater bist. Was für eine Art der Männlichkeit lebst du deinen Söhnen denn vor?
(Lacht schallend.) Ich bin präsent. Ich bin ich. Ich bin einfach ein Typ, 57.
Also ein Boomer.
64er, ja, die Pille ist danach gekommen. Also jedenfalls ist meine Frau das Zentrum der Familie. Aber ich bin sehr präsent. Jetzt kann ich auch mehr machen mit dem Ältesten, der ist dreizehn, und in der Mathe kann ich noch folgen.
Du bist auch Role Model. Welchen Typ Mann verkörperst du?
Ich überlege das nicht so. Meine Kinder leben hier in Zürich, die wachsen hier auf. Und je mehr Geschwister es sind, desto mehr lernen sie voneinander.
Bist du zu Hause auch so hässig und zänkisch wie auf deinem Blog?
Nein, ich bin doch auf dem Blog nicht hässig, wirkt das auf dich so?
Ja.
(Pause.)
Du willst also sagen, du seist positiv bestärkend in deiner Tonalität?
So vertone ich halt meine Geschichten. Da ist dieses Hämmern, dieses Kurze, Schnelle, nach dem Vorbild der amerikanischen Nachrichtenagenturen.
Agenturen sind neutral.
Ja, das ist bei mir nicht so.
Zurück zum scharfen Ton: also auch zu Hause?
Nein, nein. Manchmal muss man ihnen schon mal den Tarif durchgeben. Aber das macht meine Frau. Ich bin da nur second line.
Man munkelt, du könntest dir solche Liebhaber-Medienprojekte wie Inside Paradeplatz nur leisten, weil du eine reiche Frau hast.
Reich ist jetzt relativ. Also vor zehn Jahren habe ich angefangen als Start-up, und nun trägt sich das alleine.
Du bist also zufrieden, wie es läuft?
Schon, mit Ausnahmen. Wie diese Prozesse mit dir.
Das Mitleid hält sich gerade in Grenzen. Arbeitest du eigentlich am liebsten allein, weil du so stutenbissig bist?
Also ich würde sagen, da ist eine andere Art der Bissigkeit in meinen Stories ... Du, am Schluss musste ich die Weltwoche verlassen, und dann habe ich mich eben selbstständig gemacht. Eigentlich hatte ich die Idee schon lange, aber ich hatte mich nie getraut.
Kannst du als Wirtschaftsjournalist ein Werk einer Autorin empfehlen, das jeder Mann gelesen haben muss?
Du meinst abgesehen von deinen Texten … Nein, ich kenne keines von einer Autorin, auch keines eines Autors. Ich lese Zeitung. Ich bin nicht so der Leser. Sachbücher schon gar nicht. Ich habe die HWV, die Höhere Wirtschafts- und Verwaltungsschule, gemacht, mein Schulsack ist nicht so gross. Ich bin da nicht so bewandert.
Du liest auch keine Literatur?
Ja, gut, da liegt dieser Schunken «Crossroads» von Jonathan Franzen schon länger bei mir rum. Es fasziniert mich, wie er Personen beschreibt.
Aha, du zielst ja auch gerne auf Personen.
Ja, aber ich schaue mir das ja nur von aussen an. Wenn ich dich da von aussen ansehe, dann nehme ich zwei, drei Adjektive, ein paar Pinselstriche und fertig. Aber Franzen geht richtig in diese Personen rein. Er verurteilt sie nicht, zeigt sie mit ihren Stärken und Schwächen.
Betonung auch auf ihre Stärken, Lukas, er schreibt eben auch über Stärken.
Ja.
Gut, lassen wir das. Du hast selbst mehrere Bücher geschrieben. Hast du die wirklich alle alleine geschrieben?
(Überschlägt sich vor Lachen.) Wer soll die denn sonst geschrieben haben?
Deine Frau?
Nein, das sind meine Worte.
Du betreibst ein Tratsch- und Klatsch-Portal und bist damit in einer typischen Männerdomäne gelandet. Warum?
Als Klatsch würde ich das nicht bezeichnen, eher als süffisante Geschichten. Die werden auch am meisten gelesen. Ich schreibe eben auch über den Wassermelonenpreis im Globus oder den Salat für 20 Franken im Storchen, weil es viel über Zürich aussagt. Es sind Boulevard-Geschichten mit Kern.
Hast du dich eher auf Gossip spezialisiert, weil die harten Wirtschaftsthemen dich abschrecken und überfordern?
Aber ich habe doch Wirtschaftsbücher geschrieben.
Früher ja.
Du meinst, ich habe nachgelassen? Wobei ich beim Fall Vincenz oder Kahn ja doch harte Wirtschaftsthemen aufgedeckt habe.
Also du meinst Lust, Stripclubs, Verfolgungsjagden und Schlägereien.
(Stutzt, ungeduldig.) Und Daniel Vasella, mit Abgangsentschädigungen.
Ja.
Du bezeichnest gestandene Geschäftsmänner gerne als Boy. Siehst du dich auch als Boy?
Das mache ich nur wegen dir, weil du kritisiert hast, dass ich Frauen nicht als Girls bezeichnen soll, und nun nenne ich Männer halt auch Boys.
Du verharmlost das.
Ich habe einfach Freude an Worten. Ich weiss nicht, was das bei mir ist, aber ich liebe kräftige Worte, mit viel Farbe. Natürlich ist es schöner, wenn es spielerisch mit dem Florett getextet ist als mit der Dampfwalze. Privat bin ich eigentlich zivilisiert.
Wie gehst du mit all den Hasskommentaren deiner Leserinnen um?
Ja, es ist zum Teil grauenhaft, was da an Hass kommt. Ich versuche ja, das zu moderieren und das Schlimmste herauszustreichen.
Das merkt man nicht.
Alle Medien kämpfen damit. Man will die Schleusen doch offen halten, Kommentare und Diskussionen ermöglichen, aber dann kommt zu viel Hass.
Bist du persönlich wegen der vielen Haters auch schon zur Opferhilfe oder #NetzCourage gegangen?
(Leicht fassungslos, lacht nervös auf.) Also Hass gegen mich?
Ja, das muss doch schlimm für dich sein.
Mmh, den Hass lasse ich zu. Ja, ich teile hart aus, und manchmal trifft es auch mich. Nur wenn es gegen meine Familie geht, dann lösche ich es. Aber manche Menschen treffen immer einen wunden Punkt, dann tut es einfach weh.
Du implizierst in deinen Posts gerne, dass sich Männer hochschlafen. Warum dies? Hast du damit Erfahrung?
Hm? (Stutzt.) Was, wer jetzt? Männer schlafen sich hoch? Nein, das ist nicht regelmässig ein Thema bei mir. Es gibt vielleicht schon ein-, zweimal solche Stellen, das ist jetzt ein bitzli reininterpretiert. Aber wenn jemand in sieben Jahren Managing Director bei der CS werden kann, dann ist das auffällig.
Also Hochschlaf-Alarm?
Das interpretierst du jetzt so.
Du bist preisgekrönter Journalist. War es für dich als Mann besonders schwierig, diesen Preis zu ergattern, da fast nur Frauen in der Jury sitzen?
(Lacht.) Ich zeichne mich ja nicht selber aus.
Du bist gertenschlank. Was ist dein Diätgeheimnis?
Ich gehe halt immer mit dem Velo arbeiten. Morgens hin und abends zurück.
Du verwendest und schluckst keine geheimen Schlankmacher?
Im Gegenteil, ich esse sehr gern.
Macht dir denn die Andropause zu schaffen?
Welche Pause?
Andropause.
Was? Das kenne ich nicht.
Das Gegenstück zur Menopause, so Hormonschwankungen, Psyche, Potenzprobleme?
Nein, also gar nicht.
Wie verbringst du denn deine Me-Time?
(Leicht genervt, ungeduldig.) Meine was? Was ist das?
Zeit für dich.
Nix Me, Kinder! Meine Me-Time verbringe ich mit den Kindern. Oder mit der Frau, die gibt es ja auch noch.
Was ist denn dein Selfcare-Ritual?
Mach mich nicht wahnsinnig! Was ist das?
Du müsstest halt mehr Männermagazine lesen. Das bedeutet, dass du dir ein wenig luegst.
Also die Kinder geben mir genug Erfüllung. Ich habe da eine Aufgabe. Muss dazu schauen, dass die was werden.
Was ich dich schon immer fragen wollte: Wie gehst du denn mit deinen rehbraunen Augen um?
Meine rehbraunen Augen haben noch Grün drin. Nein, ich bin definitiv zu alt für Augenflirts (kneift sie zu, die Journalistin kneift die ihrigen zu).
Du trittst aber sehr elegant auf. Wie wichtig ist dir dein adrettes Aussehen?
Ich würde unter der Woche nie Jeans tragen. Ich ziehe meistens Chinos an, dazu ein Hemd und eine Krawatte. Das ist meine Art, mich für den Tag bereit zu machen.
Jeden Tag Krawatte?
Von Montag bis Freitag, das gibt mir das Gefühl, dass ich bereit zum Arbeiten bin.
Das ist doch sehr uniformiert?
Das Uniformierte ist heutzutage das T-Shirt.
Du rettest die vom Aussterben bedrohte Spezies der Krawattenträger … Du hast vor dem Interview befürchtet, dass du wie ein Elefant vorgeführt wirst. Wie fühlst du dich jetzt?
Gut. War jetzt angenehmer als gedacht.
Was hältst du denn generell von elleXX?
Ich lese es nicht.
Diesen Freitag musst du es schon lesen.
Ja, diesen Freitag schon.
Wer weiss, vielleicht kommst du ja noch auf den Geschmack.