Sie sind CEO des IT-Unternehmenss Emineo. Arbeiten bei euch wirklich nur Männer im Management?
Ja, die einzige Frau hat uns leider bereits wieder verlassen.
Und das funktioniert jetzt ohne diese Frau?
Ja, es funktioniert schon.
Verblüffend!
Es fehlen in der Tat ganz viele Komponenten. Frauen bringen andere Ideen mit ein. Das ist sehr bereichernd. Wir versuchen, es über den Verwaltungsrat zu kompensieren. Da sind zwei Frauen dabei, die Wandel und Dynamik gebracht haben. Seither haben wir andere Blickwinkel. Das Klima ist auch offener, weniger testosterongesteuert.
Findet ihr nur Männer?
Der Arbeitsmarkt für IT ist generell ausgetrocknet und jener für Tech-Frauen insbesondere. Nur 15 Prozent unserer 150 Angestellten sind Frauen. Das ist sehr schade, denn Frauen haben mehr Empathie, denken vernetzter, sie sind offener für Veränderungen und gut im Change Management.
Es war auch eine Frau, Ada Lovelace, die 1840 das erste Computerprogramm geschrieben hat. Programmiererinnen können sich noch besser einfühlen in User:innen.
Vielleicht schreiben Sie ihre Stellen einfach nicht gut aus?
(Zögert, runzelt die Stirn.) Wir schreiben die Stellen immer genderneutral aus. Wir bieten Teilzeit, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice, also alles für die Balance zwischen Arbeit und Freizeit oder Familie. Emineo veranstaltet zudem den Women Hack, einen Hackathon nur für Frauen, und hat ein internes Frauennetzwerk.
Vielleicht stimmt die Sprache in den Inseraten nicht?
(Stutzt. Sinniert.)
Also wir inserieren auf Deutsch, Französisch, Englisch.
Das meine ich nicht, Sie wissen vielleicht, dass gewisse Schlüsselworte in Jobprofilen Frauen total abturnen?
Auf das haben wir noch nicht geachtet.
Eben.
Was wären denn das für Worte? (Blinzelt.)
Die Forschung zeigt, dass beispielsweise Superlative Frauen abschrecken oder kompetitive Wörter, wie Spezialist oder Senior. Und Bulletpoints sind auch ganz schlecht.
Das war mir so nicht bewusst.
Umformulierte Inserate erhalten bis zu 40 Prozent mehr weibliche Bewerbungen.
Tatsächlich?
Bei elleXX arbeiten nur Frauen, wir suchen trotzdem Männer, wegen der Diversity, aber wir finden einfach keine.
Vielleicht müsstet ihr Inserate in männergerechter Sprache schalten: Superlative, kompetitive Wörter wie Senior und Spezialist und ganz viele Bullet Points.
Okay, touché. Gut pariert.
Männer und Technik, wie geht das eigentlich zusammen?
Ja, also geht sehr gut zusammen. Das sind Vorurteile, dass Technik nur ein Geschlecht anspricht. Technik ist entweder 0 oder 1, sie ist logisch. Deshalb liebe ich Technik, sowohl geschäftlich als Chef einer IT-Bude, als auch privat. Ich bin ein Gadget-Freak, löte auch gern mal Drohnen zusammen oder arbeite mit meinem 3D-Home-Drucker. Natürlich ist das nicht jedermanns Sache. Ich kenne viele Männer, die Technik nicht mögen – aber auch Frauen, die technikaffin sind.
Hat Ihre virtuelle Assistenz eine weibliche oder männliche Stimme?
Ich habe Siri blockiert. Das Navigationssystem auch. Das nutze ich nur visuell. Auch zuhause habe ich keine Alexa. Das kommt mir nicht ins Haus. Ich will nicht, dass Google, Amazon & Co immer mithören. Ich komme aus der Informatikbranche, ich bin mir der stetigen Überwachung bewusst. Ich schütze meine Privatsphäre und schotte mich da privat ab.
Von wirklich allen Geräten?
Okay, ja mein 13-jähriger Sohn hat eine Apple Watch, und er hat die weibliche Stimme eingerichtet.
Sind Frauen die besseren Assistentinnen?
Dazu kann ich nur so viel sagen: Ich bin seit zwölf Jahren verheiratet und habe gelernt, auf Frauenstimmen zu hören (schmunzelt).
Warum haben Sie sich überhaupt für eine Karriere entschieden? Sie hätten mit Ihrem Aussehen auch eine gute Partie gemacht?
Vielleicht hätte das ja geklappt, ich bin aber auch gerne unabhängig. Die Karriere habe ich eigentlich auch nicht gesucht. Ich habe mir nie gesagt, dass ich einmal mit 42 Jahren schon CEO werden will.
Stört es Sie, wenn Journalisten Sie Boy nennen, oder sehen Sie es als Kompliment?
Damit habe ich kein Problem, ich bin gerne jung und dynamisch.
Was ist mit Seite-3-Boy?
Da bin ich relativ schmerzfrei. Solange es nicht Toyboy ist.
Sie sind so jung CEO geworden, fragen Sie sich nie, ob Sie das alles können?
Doch, sicherlich, Zweifeln ist menschlich. Als CEO ist es wichtig, mit Unsicherheit leben zu können. Das ist einer der prägenden Parameter für eine:n CEO. Ich bin kein ängstlicher Typ, sondern optimistisch. Eines der wichtigsten Leadership-Prinzipien für mich ist, Stabilität und Sicherheit zu vermitteln, sich das Zweifeln nicht anmerken zu lassen.
Aha. Darf man als CEO Angst und Unsicherheit nicht zeigen?
Doch, «ask for help» ist ebenfalls ein sehr wichtiges Leadership-Element. Das muss man auch zulassen und tun.
Führen Sie also mit Gefühl?
Extrem, ich führe mit viel Gefühl. Der Kopf muss allerdings schon ab und zu dazukommen (schmunzelt). Aber Gefühle muss man zulassen, der Kopf will immer Überhand nehmen.
Wer passt auf die Kinder auf, wenn Sie arbeiten?
Ich habe extremes Glück, dass meine Frau das macht. Meine Karriere wäre sonst nicht möglich. Wir haben aber klare Regeln: Wenn ich zu Hause bin, dann bin ich ansprechbar. Alles andere klappt nicht. Es ist stressig für die Kinder, wenn ich zu Hause bin, aber nicht ansprechbar und in Meetings. Meine Frau hält mir den Rücken frei. Dafür bin ich sehr dankbar. Sie hatte selber eine exzellente Karriere, wollte aber mehr mit den Kids zusammen sein.
Dieses Bedürfnis hatten Sie nicht?
Nein, hatte ich nicht.
Dann haben Sie noch nie Geburtstagspartys, Playdates, Zahnarzt, Schulsport, Hobbies, Schulausflüge und Waldtage organisiert?
Also Geburtstagspartys organisiere ich schon mit.
Und backen bestimmt auch die Geburtstagstorte?
Nein, die nicht.
Was ist denn Ihr Signature-Gebäck, Cupcakes?
Nein, aber ich koche gern.
Sagen Sie jetzt nicht: Ich grilliere, ich koche vor allem Fleisch.
Doch. (Grinst.)
Zu Ihrer Gesundheit: 64% der Männer haben Männertage, wie gehen sie mit den Ihrigen um?
Männertage habe ich nicht, das kenne ich gar nicht.
So Hormonschwankungen?
Ich bin sozusagen nicht launisch.
Sie gehen auch langsam auf die 50 zu. Wie meistern Sie die Andropause?
Solange ich als Boy bezeichnet werde, mache ich mir da keine Sorgen. Und nein, ich werde mir auch keine Harley kaufen, Marathon laufen oder eine neue Frau suchen, sondern hoffe, dass ich in Würde altern darf und wie ein guter Bordeaux mit den Jahren besser werde.
Sie haben auffällig prachtvolles Haar, was ist das Geheimnis?
Gute Walliser Bergluft und Weisswein (lacht herzlich). Das ist vererbt. Ja, da ist wirklich nichts eingepflanzt. Mein Vater hat auch keine Glatze. Wobei, ein bisschen was ist schon ausgefallen, hier und hier. (Zeigt auf eine Reihe voll behaarter Stellen, die kurzsichtige Journalistin kann auch mit konzentriertem Starren nur lauter Haare entdecken.)
Und welche Problemzonen kaschieren Sie, welche Körperteile betonen Sie?
Ich betone die breiten Schultern. Ich kann auch nichts dafür, dass ich eine Maschine bin (seine Mundwinkel zucken leicht, die Journalistin macht grosse Augen). Das Wohlstandsbäuchlein versuche ich hingegen einzuziehen und zu verbergen. Intervall-Fasten hilft.
Das war jetzt tapfer.
Was?
Das ganze Gespräch.
Gespräche 2022 unter CEOs halt.