«Mein Kind muss nicht reich sein, Hauptsache es ist glücklich.» Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr mich dieser Satz nervt. Natürlich, wir alle wünschen uns, dass unsere Kinder ein erfülltes Leben führen. Aber hier schwingt etwas mit, das mich zum Nachdenken bringt: eine unterschwellige Abgrenzung zum Wohlstand – als ob Glück nur ohne Reichtum möglich wäre. Warum eigentlich?


Machen wir doch mal die Gegenprobe: «Mein Kind muss nicht arm sein, Hauptsache es ist glücklich.» Klingt komisch, oder? In dieser Variante habe ich den Satz auch noch nie gehört. Warum distanzieren wir uns also von Wohlstand, aber nicht von Armut? Warum verteidigen wir Glück auf Kosten von Reichtum? Diese Ungleichheit zeigt, wie tief die alten Glaubenssätze über Geld in uns verwurzelt sind. Sätze wie: «Geld verdirbt den Charakter», «Reiche sind egoistisch» oder «Wer reich ist, hat anderen etwas weggenommen» tragen wir unbewusst an unsere Kinder weiter.

Das führt dazu, dass wir unseren Kindern Grenzen setzen. Wir vermitteln ihnen, dass Wohlstand etwas Negatives ist, das man lieber meiden sollte. So entsteht bei ihnen die Vorstellung, dass Glück und Reichtum sich ausschliessen: «Okay, also wenn ich reich bin, kann ich nicht glücklich sein.» Ist es wirklich das, was wir als Eltern vermitteln wollen? Ich glaube nicht.

Simone Hoffmann
Die Wahrheit ist: Geld allein macht nicht glücklich – aber Geldmangel auch nicht.

Es ist Zeit, umzudenken. Wir sollten unseren Kindern zeigen, dass Glück und Wohlstand Hand in Hand gehen können. Denn die Wahrheit ist: Geld allein macht nicht glücklich – aber Geldmangel auch nicht. Wohlstand bedeutet Freiheit – die Freiheit, den Beruf zu wählen, der einen erfüllt, ohne sich ständig Sorgen um die Miete oder die nächste Rechnung machen zu müssen. Wohlstand öffnet Türen – zu besseren Bildungsmöglichkeiten, zu Reisen, zu einem Leben ohne ständige Existenzangst. Das ist doch der Traum, den wir für unsere Kinder haben sollten.

Darüber hinaus kursiert in unserer Gesellschaft der hartnäckige Irrglaube, dass Wohlstand nur an bestimmte Berufe gebunden ist. Doch das stimmt nicht. Ich kenne beispielsweise einen Banker, der nach aussen hin ein glänzendes Leben mit vielen Statussymbolen führt, aber mit seinen Kreditkarten alles auf Pump finanziert. Seine Kredite fressen einen grossen Teil seines Einkommens. Er sitzt also nicht auf einem Vermögen, sondern auf einem Berg von Konsumschulden.

In dem Buch «Der Millionär gleich nebenan» (Englischer Originaltitel: «The Millionaire Next Door») zeigt Thomas J. Stanley eindrucksvoll, wie das Verhältnis zwischen Einkommen und Reichtum oft verzerrt ist. Je mehr wir verdienen, desto mehr steigen unser Lebensstandard und damit auch die Kosten. Je nach Wohngegend herrscht zudem ein sozialer Druck, den «Erfolgen» der Nachbarn nachzueifern, was diese Dynamik verstärkt. Das Einkommen fliesst folglich nicht in den Vermögensaufbau, sondern nur in Statussymbole.

Simone Hoffmann
Der Beruf sagt wenig über den Umgang mit Geld aus – aber unsere Einstellung dazu sagt alles.

Auf der anderen Seite gibt es Menschen wie meinen verstorbenen Opa. Er war Maurer. Meine Grosseltern lebten bescheiden, hatten ihre Ausgaben im Griff und konnten sogar sparen und investieren. Meine Oma freut sich heute noch über die Dividenden, die in regelmässigen Abständen bei ihr auf dem Konto landen. Diese peppen ihre Pension auf, und sie kann sich auch die eine oder andere Reise damit finanzieren. Es geht also auch ohne Akademikerberufe. Der Beruf sagt wenig über den Umgang mit Geld aus – aber unsere Einstellung dazu sagt alles.

Simone Hoffmann
Wohlstand kann mit den eigenen Werten in Einklang gebracht werden und bedeutet nicht automatisch Egoismus.

Ich frage mich oft, wie die Zukunft meines Sohnes aussehen wird. Vielleicht wird er Künstler. Vielleicht Unternehmer. Wie auch immer er sich entscheidet, ich möchte ihm sagen können: «Du kannst beides haben: Du kannst mit Leidenschaft deinen Weg gehen und dabei finanziell erfolgreich sein.» Was ich keinesfalls möchte, ist, dass er seine Träume einschränkt, nur weil wir ihm beigebracht haben, dass Glück und Reichtum nicht zusammenpassen.


Wohlstand kann mit den eigenen Werten in Einklang gebracht werden und bedeutet nicht automatisch Egoismus. Es kann auch Grosszügigkeit und Mitgefühl bedeuten. Geld verdirbt nicht den Charakter – es verstärkt ihn. Wenn du jetzt schon grosszügig bist, wirst du es auch als Millionär:in sein.

Es ist kein Entweder-oder zwischen Glück und Geld. Unsere Kinder dürfen und sollen glücklich und reich zugleich sein. Aber es beginnt bei uns. Wir müssen die alten, limitierenden Glaubenssätze ablegen und unseren Kindern erlauben, beides zu wollen – und ihnen die Werkzeuge an die Hand geben, um beides zu erreichen. Denn der wahre Reichtum liegt in der Freiheit, das Leben zu führen, das wir uns wünschen – voller Glück und voller Möglichkeiten. Sicherlich nicht immer, aber oftmals braucht es dafür einfach Geld.

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