Im ersten Teil unserer Serie haben wir die Dating-Apps durchleuchtet und festgestellt: Dating-Plattformen sind beliebt und bringen gewisse Vorteile, aber nicht nur. Sie arbeiten mit teilweise unethischen Algorithmen und sind datenschutztechnisch nicht immer bulletproof. Trotzdem floriert das Geschäft mit der Liebe. Darum widmen wir uns der Frage: Wer verdient mit Dating-Apps das grosse Geld, und wer bezahlt dafür?
Kurz gesagt: Das Geschäft mit Liebe und Sex ist äusserst lukrativ. Für die dahinterstehenden Konzerne werfen die Apps Milliarden ab. Die Match Group, dazu gehört Tinder, erzielte im vergangenen Jahr über 3 Milliarden US-Dollar Umsatz, allein ihre App Tinder trug dazu zwei Milliarden bei. Bumble Inc. – eine ihrer Plattformen ist Bumble – verzeichnete 2023 einen Umsatz von rund einer Milliarde US-Dollar.
Um an ihr Geld zu kommen, verkaufen Konzerne – wie in Teil 1 erklärt – Nutzer:innendaten. Ihre anderen Einnahmequellen sind Premium-Abos, Zusatzleistungen und Werbepartnerschaften. Und nun die matchentscheidende Frage: Wie viel bezahlst du als User:in bis zum passenden Match? Ein Versuch, die Kosten zusammenzustellen.
Money, money, money für den perfekten Match
Die am meisten verbreiteten Apps haben eine Gratisversion mit begrenzten Funktionen, die man nur erweitern kann, indem man dafür bezahlt. Für Dating-Apps bezahlt man von einigen Franken bis zu 500 Dollar und mehr pro Monat – je nach Anbieter und Funktionen.
Aufgrund von Umfragen geht man davon aus, dass ein Grossteil der Nutzer:innen in den Gratisversionen swipen. In den USA geben 35 Prozent der befragten Erwachsenen an, bereits für eine Dating-Plattform bezahlt zu haben. Dabei zeigen sich klare Geschlechterunterschiede: 41 Prozent der Männer geben Geld fürs Online-Dating aus, hingegen bezahlen nur 29 Prozent der Frauen. Die Premiumversionen der Apps scheinen zu einem positiveren Nutzer:innenerlebnis zu führen, da mehr Funktionen zur Verfügung stehen. Je nach Plattform ist bei der Bezahlversion beispielsweise sichtbar, wem man gefällt, oder man hat eine grössere Anzahl Likes zur Verfügung.
Achtung: Personalised Pricing
Dabei ist der Preis für dieselben Funktionen nicht immer derselbe. Tinder koppelte beispielsweise im Jahr 2015 die Preise für die Bezahlversion explizit ans Alter der User:innen. Älteren User:innen wurden doppelt so hohe Preise verrechnet wie den jüngeren. Das Unternehmen erhielt eine Sammelklage wegen Altersdiskriminierung und wurde zu einer Strafe von 23 Millionen Dollar verurteilt. Dies zwang Tinder, das altersabhängige Preismodell wieder einzustampfen.
Aber schon wenige Jahre später stand Tinder erneut in der Kritik, «personalised pricing» zu betreiben. Die Plattform bestritt dies vehement. Obwohl eine Studie aus den USA eine Personalisierung der Abogebühren aufzeigte – mit Preisdifferenzen von bis zu 483 Prozent zwischen dem tiefsten und dem höchsten Preis. Die Forscher:innen fanden bei einem grossangelegten Ländervergleich heraus, dass die Abopreise für heterosexuelle Männer aus nicht-städtischen Gebieten im Alter von 30 bis 49 Jahren am höchsten sind.
Die schwedische Verbraucherschutzbehörde führte 2022 eine weitere Studie durch und konnte ebenfalls das personalisierte Preismodell Tinders nachweisen. Dieses verstösst gegen das Verbraucherschutzrecht der EU. Tinder verpflichtete sich gegenüber der EU, «personalised pricing» in Zukunft gegenüber den Nutzer:innen offenzulegen.
Time is running – vom stundenlangen Swipen bis zum ersten Treffen
Nun zu dir als Nutzer:in. Wie lange musst du statistisch gesehen swipen, und wie viele Matches brauchst du, bis du «the one» findest? Dazu einige nackte Zahlen.
- 57 Tinder-Matches sind nötig, bis daraus ein Date wird.
- Im Schnitt erzielt eine Person auf Tinder 51 Matches pro Monat. Frauen verzeichnen durchschnittlich rund 80 Matches im Monat, Männer hingegen nur gut 30. Das heisst, man trifft ungefähr ein Match pro Monat auf ein Date.
- Bis man den perfekten Match für eine Beziehung findet, trifft man sich durchschnittlich zu rund fünf Dates mit verschiedenen Personen.
- Aus nur einem von 291 Matches wird eine feste Partnerschaft. Der Zeitaufwand ist bei diesem Match-Love-Verhältnis also ziemlich hoch. Konkret sind für die 291 Matches nötig: 51 Matches pro Monat und 5,7 Monate, also knapp ein halbes Jahr.
Frauen haben es einfacher auf Dating-Apps, zumindest in Sachen Match-Zahlen. Das hängt damit zusammen, dass es auf den meisten Apps mehr Männer als Frauen gibt. Beim Hetero-Dating spielt so das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Jedoch berichten Frauen öfter als Männer von negativen Erfahrungen. Beispielsweise bekommen Frauen deutlich öfter ungefragt Nacktbilder zugeschickt.
Wie viel Zeit Nutzer:innen auf Dating-Apps verbringen, lässt sich schwer sagen. Die Zahlen variieren je nach Quelle stark. Die Nutzungsdauer schwankt von 35 bis über 90 Minuten pro Tag. Eine Befragung in der Schweiz kommt zum Resultat, dass Nutzer:innen bis zu vier Stunden wöchentlich auf Dating-Apps verbringen. Das sind ungefähr 16 Stunden monatlich und um die 200 Stunden im Jahr. Die Opportunitätskosten fürs Online-Dating sind also hoch, wenn man bedenkt, was User:innen ansonsten mit der Zeit anstellen könnten. Besonders, da Dating-Apps nicht das Ziel der Nutzer:innen teilen, dass sie den perfekten Match finden und ihr Profil für immer löschen können.
Wie geht’s dem «Herzli» dabei? Von Suchtpotenzial und Dating-Erschöpfung
Gamification, das Prinzip der variablen Belohnung – mal gibt’s eine und mal keine – und weitere psychologische Tricks sorgen für das Suchtpotenzial von Dating-Apps. Immer häufiger beklagen sich Nutzer:innen über Erschöpfung von Online-Dating, auch «Swipe-Fatigue» genannt. Das lässt sich mit der Funktionsweise der Plattformen erklären: Bei den ersten Swipes und Matches berieselt einen das Gehirn mit Glückshormonen. Nach der neununddreissigsten ersten Nachricht mit einem neuen Match ist das anders. Das Gehirn hat inzwischen gelernt, dass die Trefferquote tief ist. Es schüttet darum nicht bei jedem weiteren Profil die gleiche Menge an Dopamin aus. Besonders wenn die Onlinesuche lange andauert und man sich intensiv damit beschäftigt, kann sie psychisch belastend sein.
Dating-Apps können ein Risiko für die psychische Gesundheit darstellen, wie eine Untersuchung zeigt. Hierbei gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Während Dating-Apps bei Männern Stress auslösen, scheinen sie nicht deren Selbstwert zu beeinflussen. Bei Frauen hingegen vermindern sie den Selbstwert, was depressive Symptome auslösen kann.
Online-Dating kann also auch emotionale Kosten verursachen. Wer extra eine App fürs Daten runterlädt und sogar bezahlt, um die Chance auf den perfekten Match zu steigern, bringt eine Erwartungshaltung mit. Da hilft es, entspannt zu bleiben und nicht zu hohe Erwartungen an die Apps zu haben, besonders wenn man deren Funktionsweise kennt und weiss, dass die App nicht in jedem Fall will, dass man den perfekten Match findet.
Auch sonst kann es helfen, nicht nur aufs Online-Dating zu setzen, sondern auch mit offenen Augen durchs reale Leben zu gehen. Selbst wenn du bei der Online-Suche darauf hoffst, dass der perfekte Match gleich um die Ecke wartet, ist es wichtig, dich mit Hobbies, Freund:innen und eigenen Projekten zu beschäftigen. Das steigert die Chance auf Zufriedenheit, damit du die Vorzüge des Online-Datings in vollen Zügen geniessen kannst.
Prüf deine Optionen – schon bei der Wahl der App
Dating-Apps haben also gewisse Vorteile gegenüber herkömmlichem Kennenlernen und sind beliebter denn je. Wenn du davon profitieren möchtest, kann es sinnvoll sein, dass du vorher die dahinterstehenden Algorithmen verstehst und dich erkundigst, wie die App deine persönlichen Daten verarbeitet und weitergibt. Beschäftige dich mit verschiedenen Anbieter:innen und vergleiche die grossen Apps mit den kleinen Start-ups, um herauszufinden, welches Angebot am besten zu deiner Suche passt. So kannst du eine informierte Entscheidung treffen und losswipen.
P.S. Dating-Apps sind nicht nur zum Daten da, sondern bei einigen kann man auch neue Freunde kennenlernen. Diese Funktion empfehle ich aus eigener Erfahrung, gerade bei Solo-Reisen.