Nadira Zellweger-Ferhat und Mirjam Arnold sind Rechtsanwältinnen bei MME Legal AG und Erbrechtsspezialistinnen. Ein grosses Anliegen ist den beiden die Vorsorge- und Nachlassplanung, bei der die (weibliche) Bevölkerung nach wie vor oft unsicher ist.
Warum ist es wichtig, dass wir uns frühzeitig um unsere Vorsorge- und Nachlassplanung kümmern?
Mirjam Arnold: Unerwartete Ereignisse können uns alle treffen. Sei es ein Unfall, eine Krankheit oder eine Altersschwäche, die von einem Tag auf den anderen zu einer Urteilsunfähigkeit oder zum Tod führen können. Aus diesem Grund sollten sich junge genauso wie ältere Menschen mit diesen Themen auseinandersetzen – je früher desto besser.
Wenn ich nichts unternehme, hat das Konsequenzen? Ist nicht sowieso alles gesetzlich geregelt?
Nadira Zellweger-Ferhat: Es ist richtig, dass das Gesetz «Auffangregelungen» vorsieht. Dabei handelt es sich aber um allgemeine Regelungen, die nicht unbedingt den eigenen Wünschen und Vorstellungen entsprechen. Wir empfehlen deshalb, eine individuell zugeschnittene Lösung zu errichten. In unseren Beratungen stellen wir auch immer wieder fest, dass Selbstbestimmung für viele Menschen eben auch bedeutet, über die Urteilsfähigkeit beziehungsweise das Lebensende hinaus entscheiden zu können. Diesem Wunsch kann man mit einer Vorsorge- und Nachlassplanung nachkommen. Zudem entlastet eine Planung auch Angehörige in einer schweren (Trauer-)Phase und kann für Klarheit und (hoffentlich) Frieden sorgen.
In diesem Interview wollen wir uns vor allem mit dem Thema Vorsorgeplanung auseinandersetzen. Welche Dokumente/Verträge gibt es, um die eigene Vorsorge zu regeln?
Nadira Zellweger-Ferhat: Das Gesetz sieht zwei zentrale Instrumente vor, um die eigene Vorsorge selbstbestimmt zu regeln, falls man urteilsunfähig wird: den Vorsorgeauftrag und die Patientenverfügung.
Was kann ich mit einem Vorsorgeauftrag regeln?
Nadira Zellweger-Ferhat: Ein Vorsorgeauftrag legt fest, wer dich bei persönlichen, finanziellen oder rechtlichen Angelegenheiten vertreten soll, wenn du urteilsunfähig bist. Bei den persönlichen Angelegenheiten geht es beispielsweise um Entscheidungen betreffend deine Wohn- und Betreuungssituation. Bei den finanziellen Angelegenheiten geht es um die Verwaltung deines Vermögens und bei den rechtlichen um deine Vertretung gegenüber Dritten.
Was passiert, wenn ich keinen Vorsorgeauftrag habe?
Nadira Zellweger-Ferhat: Ohne Vorsorgeauftrag entscheidet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), wer diese Aufgaben übernehmen soll. Dies kann eine nahestehende Person oder aber eine unabhängige Drittperson sein.
Wenn ich verheiratet bin: Brauche ich dann trotzdem einen Vorsorgeauftrag, oder ist sowieso automatisch mein:e Partner:in zuständig?
Nadira Zellweger-Ferhat: Der/die Ehepartner:in hat gemäss Gesetz gewisse Vertretungsrechte. Diese umfassen jedoch nur alltägliche Angelegenheiten. Wenn es aber um grössere Dinge geht, wie zum Beispiel darum, eine Hypothek zu erhöhen oder das Haus zu verkaufen, dann geht das nicht ohne Weiteres ohne umfassenden Vorsorgeauftrag.
Kann ich im Vorsorgeauftrag mehrere Personen beauftragen? Ist klassischerweise die gleiche Person für die persönlichen und finanziellen Angelegenheiten zuständig?
Nadira Zellweger-Ferhat: Ja, es ist möglich, mehrere Personen zu beauftragen. Zum Beispiel kann eine Person für die persönlichen Angelegenheiten bestimmt werden und eine andere für finanzielle Angelegenheiten. Es ist aber auch eine «Co-Vertretung» möglich, also dass mehrere Personen zusammen die Angelegenheiten regeln.
Nun zum zweiten Instrument: Was regelt die Patientenverfügung?
Mirjam Arnold: Mit einer Patientenverfügung bestimmst du selbst, wie du medizinisch behandelt und gepflegt werden sollst, falls du selber nicht mehr in der Lage bist, deine Wünsche zu äussern.
Brauche ich, wenn ich schon einen Vorsorgeauftrag habe, zusätzlich eine Patientenverfügung?
Mirjam Arnold: Ja, denn die Patientenverfügung ist spezifisch und detaillierter auf die medizinischen Wünsche ausgerichtet. Deshalb ist es in den meisten Fällen sinnvoll, neben dem Vorsorgeauftrag auch eine Patientenverfügung zu erstellen.
Sollten Frauen spezifische Punkte beachten bei der Vorsorgeplanung?
Mirjam Arnold: In unserer Beratung stellen wir immer wieder fest, dass Frauen mehr Mühe haben, über ihre Vorsorge zu sprechen und zum Beispiel einen Vorsorgeauftrag aufzusetzen. Häufig bestehen Ängste, zum Beispiel, dass jemand benachteiligt werden könnte. Dabei ist doch gerade ein Vorsorgeauftrag eine ideale Möglichkeit, klare Vorgaben und die eigenen Wünsche festzuhalten.
Am 4. Dezember gebt ihr ein Online-Coaching bei ellexx. Was erwartet uns da?
Mirjam Arnold: Wir möchten euch aufzeigen, weshalb die Vorsorgeplanung wichtig ist und was dabei beachtet werden muss. Wer seinen Ehegatten/seine Ehegattin, eingetragene:n Partner:in, Lebenspartner:in und/oder Kinder möglichst absichern beziehungsweise entlasten und darüber hinaus sicherstellen möchte, dass die eigenen Wünsche gehört und umgesetzt werden, sollte sich frühzeitig diesem Thema widmen – dabei möchten wir euch unterstützen. Im Coaching werden wir euch deshalb durch eine Vorlage für einen Vorsorgeauftrag und eine Patientenverfügung führen.