Die zwei XX in elleXX rühren nicht etwa daher, dass wir prinzipiell ein X mehr haben wollten als Elon Musk – im Nachhinein betrachtet ist das aber durchaus ein Plus. Sie stehten auch nicht für Double XXellence – was wir aber gerne garantieren. Nein, die Doppelkreuze symbolisieren die von Frauen angekurbelte, fähige, aber unterdrückte XX-Wirtschaft, die weibliche Wirtschaft, die Oxford-Professorin Linda Scott in ihrem Jahrtausendwerk «The Double X Economy» beschreibt.
Diese von Frauen angetriebene Wirtschaft wird weltweit laut Schätzungen bis 2026 29.3 Billionen Dollar erbringen. Das ist mehr, als China oder die USA erwirtschaften. Der amerikanische Finanzanalyse-Dienstleister Businesswire sagt gar voraus, dass die Sheconomy in den nächsten Jahren schneller wachsen wird als die grössten Nationen. Und die XX-Wirtschaft wäre die stärkste Wirtschaft der Welt, wenn sie ein Land wäre. Kurzum: Sie ist ein wirtschaftlicher Elefant, fristet aber das Dasein eines unscheinbaren Mäuschens.
Die Sheconomy ist in Wirtschaftsorganisationen höchstens ein Randthema, in der Politik und den mächtigsten Lenkern dieser Welt oft erst gar kein Begriff. Diese Ignoranz kommt die Welt teuer zu stehen. Frauen und ihre Arbeit, Ideen, Produkte, Geschäfte im Wirtschaftssystem mitzudenken und sie in nationale Budgets, Verordnungen, Richtlinien und Gesetze einzubeziehen, könnte das erhoffte Wirtschaftswachstum bringen. Wenn Frauen gleichermassen am Arbeitsmarkt teilnehmen könnten, würden westliche Länder bis zu 9 Prozent und aufstrebende Länder bis 30 Prozent wirtschaftlich wachsen.
Doch zurzeit wird die XX-Wirtschaft enorm gebremst. Frauen machen die Hälfte der Bevölkerung aus und tragen nur 37 Prozent zur weltweiten Wirtschaftsleistung bei. Auch weil sie nicht dürfen oder können – Vereinbarkeit und Sozialisierung lassen grüssen, – weniger verdienen oder leider erst gar nicht für ihre Leistung bezahlt werden.
Frauen sind die wahren Workaholics
Der Grossteil der Beiträge, die Frauen für die Wirtschaft leisten, ist nämlich unbezahlt, wie Zahlen der internationalen Arbeitsorganisation ILO zeigen. So etwa die Pflege-, Sorge-, Haus-, aber auch landwirtschaftliche Arbeit. Unsere momentanen ökonomischen Messsysteme und Kennzahlen berücksichtigen diese wirtschaftliche Aktivität von Frauen noch überhaupt nicht.
Die Arbeit von Frauen wird mehrheitlich nicht nur nicht bezahlt; noch immer sind sie jene Gruppe, die am meisten ausgebeutet wird. 70 Prozent der versklavten Menschen weltweit sind weiblich. Es ist erwiesen, dass vor allem wirtschaftliche Not sie zu Opfern macht. Wirtschaftliche Ermächtigung von Frauen gilt auch unter Expert:innen für Menschenhandel als der einzige Weg aus der Sklaverei.
Wirtschaftliche Ausgrenzung
Die Geschichte der Frauen ist deshalb auch die Geschichte wirtschaftlicher Gefangenschaft, einer historischen Minusbilanz, einer Verlustzone grossen Ausmasses. Frauen wurden und werden allein wegen ihres Geschlechts «arm» gemacht. Frausein bedeutete und bedeutet global in der Realität allzu oft noch immer: keine Rechte auf Eigentum, Landbesitz, Erbe, auf eigene Bankkonten – oder gar selbst als Eigentum angesehen zu werden. 58 Länder erlauben immer noch die Polygamie.
Aber selbst in Industrienationen sind Löhne und Vermögen nach wie vor ungleich verteilt. In der Schweiz, dem zweitreichsten Land der Welt, können sich 56 Prozent der Frauen allein nicht finanziell über Wasser halten. Und praktisch alle Kulturen unterscheiden in Männer- und Frauenberufe. Typische Frauenberufe sind Jobs ohne Aufstiegschancen und solche, die schlechter bezahlt sind, wie zum Beispiel Berufe in der Pflege, Reinigung oder Betreuung.
Es ist höchste Zeit, Frauen aus diesem wirtschaftlichen Gefängnis zu befreien, und zwar entschlossen und mit vereinten Kräften. Andernfalls wird es noch 267 Jahre dauern, bis Frauen und Männer die gleichen ökonomischen Chancen haben. Das World Economic Forum hat dies anhand aktueller Daten berechnet.
Die XX-Wirtschaft hat Giga-Potenzial
Die wirtschaftliche Gleichstellung von Frauen kann – oh Wunder – Wohlstand für alle bringen. Gleichberechtigung und Wirtschaftsleistung entwickeln sich nämlich Hand in Hand. Sie bedingen sich. Das ist in den Wirtschaftswissenschaften unbestritten. In gleichberechtigten Ländern sind auch Einkommen und Lebensstandard hoch, Länder mit geringer Gleichberechtigung prägen Armut und Konflikte, das hat Forscherin Linda Scott aufgrund von Daten der Weltbank und des World Economic Forum errechnet. Wenn Frauen führen, gewinnen Firmen. Firmen, die mehr Frauen an der Spitze haben, geschäften erwiesenermassen nachhaltiger und erfolgreicher.
In wenigen internationalen Ausnahmefällen hat die Politik diese Zusammenhänge erkannt und mit Programmen reagiert. Die Erkenntnisse zur XX-Wirtschaft haben in Skandinavien, aber beispielsweise auch in Japan bereits vor 20 Jahren in den «Womenomics» ihren Niederschlag gefunden.
Japan tat dies aus einer dramatischen demographischen Notlage heraus, die selbst den grössten Skeptikern offenbarte, dass ohne die chancengerechte Teilnahme der Frauen am Arbeitsmarkt die Wirtschaft schlapp macht. Und die Reform zeigt Wirkung: 71 Prozent der Japanerinnen arbeiten in bezahlten Jobs. Damit haben sie wirtschaftlich gar Europäerinnen und Amerikanerinnen überholt. Selbst die Investmentbank Goldman Sachs schätzt die positive Wirkung der Womenomics auf die japanische Wirtschaftsleistung, sprich auf das Bruttoinlandprodukt, auf 10 bis 15 Prozent.
Eine inklusive Wirtschaft fördern
Die XX-Wirtschaft ist von zahlreichen, vielschichtigen und erschütternden Mustern wirtschaftlicher Benachteiligung geprägt.
elleXX zeigt deshalb diese Muster und die daraus entstehenden Lücken stetig auf und versucht sie zu schliessen. Einer der am besten dokumentierten und grotesken Nachteile ist der Zugang zu Kapital für die XX-Wirtschaft. Gründerinnen erhalten weltweit 98.1 Prozent weniger Wagniskapital als Gründer. Oder nur 1.9 Prozent der jährlich (!) investierten 508 Milliarden Dollar.
Selbst die Frauenbewegungen haben den Kern der grossen Abhängigkeit der Frauen, die wirtschaftliche Ausgrenzung, vernachlässigt. Es gilt jetzt, dies aufzuholen und den Fokus auf die wirtschaftliche Ermächtigung von Frauen zu setzen. Und zwar sowohl mit bewusstem Konsum als auch mit bewusstem Investieren.
Die Konsument:innen werden generell als Hebel unterschätzt. In Westeuropa und Nordamerika kontrollieren Frauen 75 Prozent der Kaufentscheidungen. Es ist der einzige Teil der Wirtschaft, der von der Sheconomy regiert wird. Konsum bedeutet Einfluss. Umso wichtiger ist es, darauf zu achten, frauenfreundlich einzukaufen. Noch grössere Wirkung aber entfalten unsere Investitionen. Die Rede ist von 21 Mal mehr. So setzt Gender Lens Investing beispielsweise den Fokus auf die XX-Wirtschaft.
Eine inklusive Wirtschaft schliesst Frauen ein. Wir – Männer wie Frauen – können zusammen die XX-Wirtschaft und den Wohlstand aller stärken. Raus aus dem Schattendasein, rein ins Scheinwerferlicht. Wir können als Konsument:innen, Mitarbeiter:innen, aber vor allem auch als Anleger:innen oder (Crowd-)Investor:innen diese grotesken Missverhältnisse ausgleichen. Wir können in Gründerinnen investieren, Geschäfte, Produkte von Frauen kaufen, nutzen und sie richtig gross machen.