Ein Zimmer für sich allein – so selbstverständlich dies heute klingen mag, so kurze Zeit erst ist es her, dass es Frauen gar nicht erlaubt war, selbstständig über ihre Räume zu verfügen. Bis 1980 waren verheiratete Frauen auf die Erlaubnis ihres Ehemannes angewiesen, wenn sie eine Immobilie kaufen wollten, und Ehemänner konnten die Immobilie der Frau ohne deren Einverständnis verkaufen. Wir erklären dir in dieser Serie, was der Gender Housing Gap ist, warum es so wichtig ist, dass Frauen sich mehr Raum erobern, und wie sie damit ihre Vorsorge sichern.
Wem gehört die Welt?
Grund und Boden sind auch heute noch fest in Männerhand. Frauen besitzen weltweit gerade mal 15 Prozent der privaten Landflächen. Schwieriger ist es mit den Daten zum Immobilieneigentum. Sie werden in kaum einem Land nach Geschlecht aufgeschlüsselt, so auch nicht in der Schweiz. Und wo Zahlen fehlen, ist es schlicht unmöglich, das Ausmass der Eigentumslücke der Frauen zu beweisen und die nötigen Massnahmen zu treffen. Another Data Gap, der dringend behoben werden muss.
Für viele Frauen ist der Wohnungs- oder Hauskauf mit Hürden verbunden. Internationale Studien und Untersuchungen zeigen, dass Frauen sich wegen des Gender Pay Gaps weniger teure Immobilien leisten können als Männer. Sie müssen sich für kleinere und weniger werthaltige Objekte entscheiden. Eine internationale Studie stellte fest, dass beispielsweise der Immobilienkauf in London für Frauen 5.3 Jahre länger dauert als für Männer.
Dieser Wertunterschied zwischen Immobilien in Männer- und Frauenhand nennt sich Home Value Gap. In den USA zeigte eine Untersuchung des Home Value Gaps, dass die Immobilie einer Frau nur 92.3 Prozent des Werts der Immobilie eines Mannes aufweist. Das bedeutet, dass Wohnungen und Häuser von Frauen im Schnitt fast 8 Prozent weniger wert sind als jene von Männern.
Frauen werden an diversen Orten finanziell benachteiligt
Ob beim Autohändler oder Makler: Wenn Frauen grössere Objekte erwerben, dann werden ihnen höhere Preise und teurere Kredite, sprich Hypotheken, angeboten. Sie bezahlen die Hypothek im Durchschnitt mit kleineren Beträgen ab als Männer. Dadurch verfügen Frauen auch über weniger Eigentumsanteile und somit geringeres Vermögen.
Geringerer Lohn, weniger Finanzanlagen, schlechterer Zugang zu Krediten, Gründungskapital oder Finanzierungen: Die zahlreichen finanziellen Benachteiligungen von Frauen wirken sich auch auf ihre Häuser aus. Ihnen steht weniger Geld für Renovationen zur Verfügung, die den Wert der Immobilie steigern würden.
Die Gender Gaps im Wohnsektor verursachen gar bis zu 30 Prozent der Vermögenslücke zwischen den Geschlechtern, des Gender Wealth Gaps, wie eine Studie der Yale-Universität in den USA herausgefunden hat.
Historisch zementierte Gaps bei Werterhaltung und Weiterverkauf
Studien zeigen: Frauen kommt der Hauskauf teurer zu stehen als Männern. Sie werden als Käuferinnen diskriminiert, wie Untersuchungen ergaben. Forscher:innen haben Männer und Frauen mit identischem Text in Verkaufsgespräche geschickt. Das Resultat: Frauen haben die schlechteren Rabattangebote erhalten als Männer.
Dazu kommt, dass Frauen aus ihren Immobilien weniger Profit herausholen. Woran liegt das? Grund dafür ist nicht etwa ungeschickteres Verhandeln, wie man annehmen könnte. Man spricht von einem Gender-Rendite-Gap bei Immobilieninvestitionen. Single-Frauen erzielen mit ihrem Hauskauf im Vergleich zu Single-Männern 1.5 Prozent weniger Rendite jährlich. Insgesamt verdienen Männer bei Investitionen in Betongold durchschnittlich gar 15 Prozent mehr als Frauen.
Der Gender Real Estate Returns Gap entsteht, weil Männer durchschnittlich 40 Prozent mehr in die Werterhaltung und Aufwertung der Immobilie investieren. Sprich: Sie können es sich wegen ihres höheren Einkommens und Vermögens leisten, mehr Geld in Häuser und Wohnungen zu stecken – Gender Pay Gap und Gender Wealth Gap lassen grüssen.
Warum mit Immobilien die Altersvorsorge sichern?
Die ungleich verteilten Betonstücke auf dem Immobilienmarkt beeinflussen auch den Gender Pension Gap. 17’293 Franken – so viel weniger Rente erhielten Frauen 2021 im Jahr. Das heisst, dass pensionierte Frauen im Durchschnitt ein Drittel weniger Rente als Männer erhielten. In den letzten Jahren hat sich daran fast nichts geändert. Und das, obwohl die AHV-Rente von Frauen durchschnittlich 3,7 Prozent höher ist als jene der Männer. Die grosse Vorsorgelücke zwischen den Geschlechtern liegt in der beruflichen Vorsorge. Während ein Grossteil der Schweizer Männer Renten aus der 2. Säule bezieht, ist es bei den Frauen nicht mal die Hälfte. Wenn Frauen eine Rente aus der beruflichen Vorsorge erhalten, dann ist diese nur etwa halb so hoch wie jene der Männer. Damit hat die Schweiz den sechstgrössten Gender Pension Gap Europas und liegt deutlich über dem EU-Durchschnitt. Schweizerinnen sind stärker von Altersarmut betroffen als Schweizer. Würden Frauen mehr Raum besitzen, um im Alter günstiger zu wohnen, könnte sich dies massgeblich ändern.
Loft, Chalet oder Tiny Home?
Die Altersvorsorge mit einer Wohnung oder einem Haus zu sichern, ist sinnvoll. Dafür sprechen gleich mehrere Gründe: Die Hypothekarzinsen sind tief, und die Investition in eine Immobilie schützt vor Inflation. Das heisst, wenn alles teurer wird, steigen in der Regel auch die Immobilienpreise. Bei einem Weiterverkauf kann man den Preis an das neue Niveau anpassen, und das investierte Geld behält seinen Wert. Die Inflation treibt auch die Mietpreise in die Höhe. Wer also eine Immobilie vermietet, verdient als Eigentümer:in mehr, wenn die Teuerung steigt. Die Erfahrung zeigt zudem, dass Immobilien ihren Wert halten oder sogar steigern. Dies führt dazu, dass die Mehrheit der 76-Jährigen in der eigenen Immobilie lebt. Wohneigentum kann neben den anderen drei Pfeilern der Altersvorsorge als zusätzliche 4. Säule dienen.
Wer eine Immobilie als Altersvorsorge nutzen will, hat vier Möglichkeiten, dies zu tun:
- Eine Immobilie als Wohneigentum selbst bewohnen.
- Eine Immobilie vermieten.
- In Aktien oder andere Wertschriften von Immobilienunternehmen investieren.
- Sich an Immobilienprojekten beteiligen.
Wir zeigen dir in dieser Serie unter anderem auf, wie du die ersten beiden Möglichkeiten nutzen kannst, also das Wohneigentum und die Vermietung eines Objekts. Der Immobilienmarkt ist ein hartes Pflaster für Frauen. Wissen und Know-how sind ein erster wichtiger Schritt, um die Geldlücken bei Grund und Boden zu schliessen. Wenn du Bescheid weisst, worauf du beim Wohnungs- oder Hauskauf achten solltest, vermeidest du so manche Kostenfallen und erhältst das Beste für dein Geld. Bist du bereit für eine augenöffnende Führung durch die sexistische Welt der Immobilien? Wir leiten dich in Teil zwei dieser Serie Schritt für Schritt durch.