Ich mag Geld nicht. Wirklich. Kein Geld mag ich natürlich auch nicht, aber kein Geld nicht zu mögen, ist nicht das Gleiche wie Liebe zu Geld. Umgekehrt scheint mich das liebe Geld auch nicht besonders zu mögen – vielleicht ist das der Grund dafür, dass wir Zeit meines Lebens meist getrennte Wege gegangen sind.
Lass es mich erklären.
Aufgewachsen in einem hochpolitischen, aber mausarmen Haushalt im Zürcher Kreis 1, in direkter Nachbarschaft zur grössten offenen Heroinszene Europas, dem Platzspitz, lernte ich von klein auf nur einen Skill in Bezug auf die Finanzen: keinen.
Wir hatten wenig, und das, was da war, wurde sofort wieder ausgegeben: für Krankenkassenprämien, Telefonrechnungen und den lächerlich tiefen Mietzins unserer 3-Zimmer-Dachwohnung mit WC auf dem Gang. Für Nahrungsmittel, Schulmaterial und ab und zu ein «neues» Kleidungsstück aus dem Caritas-Shop oder von der Kinderkleiderbörse. So bin ich aufgewachsen. Teures Spielzeug lag genauso wenig drin wie teure Hobbys, und von Barbies Traumhaus konnte ich stets nur träumen – was allerdings nicht nur an der Kohle, sondern auch an den feministischen Lebensgrundsätzen meiner alleinerziehenden Mutter lag. Aber das ist ein anderes Thema.
Diese Beziehung zu Geld – oder besser: dieser Mangel an Beziehung – ist mir bis heute erhalten geblieben. Mein Umgang mit monetären Mitteln orientiert sich gelinde gesagt an kurzfristigen Parametern. Ich schaffe es weder, Geld zu sparen, noch es auf irgendeine Art zu vermehren. «Wie gewonnen, so zerronnen», könnte man sagen.
Diese Eigenschaft hat nicht nur negative Seiten. So bin ich kein bisschen materialistisch veranlagt. Das macht bei einer Person, die wie ich regelmässig ihr Hab und Gut verliert oder verlegt, auch schlicht keinen Sinn. Ich hänge mein Herz nicht an Dinge und verfolge im Grossen und Ganzen andere Lebensziele als die Anhäufung von Besitz. Was mich antreibt bei dem, was ich tue, sind Spass, Spannung und das subjektive Empfinden von Sinn. Bereits als Kind war meine Standardantwort auf die Frage «Was willst du einmal werden, wenn du gross bist?» lapidar: ein dickes Buch mit möglichst vielen interessanten Kapiteln.
Dies sind die positiven Seiten meines mangelhaften Bezugs zu Material. Werfe ich jedoch einen Blick über den Horizont meiner eigenen kleinen Wenigkeit hinaus, ist diese Eigenschaft recht problematisch.
Erstens offenbart sie nämlich, wie privilegiert ich trotz allem bin. Sich nicht für monetäre und materielle Dinge interessieren zu müssen, ist ein riesiges Privileg, das nur wenigen Menschen zuteil wird. Meine Grundbedürfnisse waren stets gedeckt, trotz Kindheit am Platzspitz mit Spritzen im Sandkasten. Ich durfte zur Schule gehen und schlug mich dort – schnell, schlau und wortgewandt wie ich bin – prächtigst. Ich wurde gefördert, unterstützt und zum Studieren motiviert. Finanzieren musste ich mir meine Hochschulbildung (Journalismus und Ökonomie, ausgerechnet!) zwar selber, allerdings in einem System, welches dies möglich macht und es auch Menschen aus bildungsfernen Schichten ermöglicht, zu studieren. Kurz: Ich gehöre zur Elite der Menschheit. Und dies, obwohl ich eine Frau bin!
Vielen Mädchen wird dieser Luxus nicht zuteil. Noch immer sind zwei Drittel aller Analphabet:innen weltweit weiblich. Noch immer besitzen Frauen nur 40 Prozent des globalen Reichtums, wobei Frauen in Europa und den USA ungleich besser gestellt sind als Frauen in Indien oder Afrika. Noch immer überlassen die meisten Frauen finanzielle Entscheidungen ihren Partnern – auch hier –, und noch immer leben viel mehr Frauen unter der Armutsgrenze als Männer.
Mein Desinteresse an Geld ist also einerseits zwar ein Luxus, den ich mir als privilegierte, weisse, heterosexuelle Schweizerin leisten kann. Andererseits widerspiegelt es aber auch ein globales Phänomen der Chancenungleichheit zwischen den Geschlechtern – was mir als überzeugter Feministin natürlich total gegen den Strich geht.
Ich habe mir daher vorgenommen, mein Verhältnis zu Geld zu verbessern, rein aus prinzipiellen Gründen. Wenn ich über mehr monetäre Mittel verfüge, verfügen Frauen über mehr monetäre Mittel, schliesslich machen wir alle gemeinsam die Statistik aus. Und wenn ich dieses Mehr an monetären Mitteln wiederum in Frauen investiere, werde ich nicht nur ein reicheres Mädchen, sondern vielleicht auch ein besserer Mensch.