Eine Scheidung ist ein komplexes Thema, das sowohl rechtlich als auch emotional herausfordernd sein kann. Hier lernst du, wie du dich darauf vorbereitest und was du während der Scheidung beachten solltest.
Zuallererst: Wie reicht man eine Scheidung ein?
In der Schweiz kann man eine Scheidung entweder auf gemeinsamen Wunsch der Eheleute oder gegen den Willen eines Ehepartners oder einer Ehepartnerin beantragen. Das Verfahren variiert je nachdem, ob die Ehepartner:innen sich einig sind oder nicht.
Beide sind einverstanden: Scheidung auf gemeinsames Begehren
Wenn beide Ehepartner:innen mit der Scheidung einverstanden sind, könnt ihr gemeinsam ein Scheidungsbegehren beim zuständigen Gericht einreichen. Dafür braucht ihr folgende Unterlagen:
- Ein von beiden unterschriebenes Schreiben, in dem der Scheidungswille zum Ausdruck gebracht wird. Es ist nicht notwendig, die Gründe für die Scheidung anzugeben. Für das Scheidungsbegehren reicht in der Regel ein formloses Schreiben, das von beiden Parteien handschriftlich unterzeichnet wurde.
- Ein Dokument, in dem die Folgen der Scheidung beschrieben werden, auf die sich die Ehepartner:innen geeinigt haben. In dieser sogenannten Scheidungsvereinbarung geht es unter anderem um die Auflösung des Güterstands, die Teilung der beruflichen Vorsorge, die Regelung über das Sorgerecht für die Kinder, den Unterhaltsbeitrag und die Wohnung. Dieses Dokument müsst ihr zusammen mit der Scheidung einreichen. Um diese Scheidungsvereinbarung geht es später noch etwas spezifischer.
Achtung: Das Gericht kann zusätzliche Dokumente anfordern. Wenn ihr euch als Ehepartner:innen über alle Folgen der Scheidung einig seid, dauert das Verfahren in der Regel einige Monate. Wenn ihr euch jedoch in gewissen Punkten nicht einigen könnt, kann sich das Verfahren über mehrere Jahre hinziehen.
Eine Partei will keine Scheidung: einseitiges Scheidungsbegehren
Wenn sich die Ehepartner:innen nicht einig sind, muss die Scheidung mittels Klage eingeleitet werden. In diesem Fall muss eine Partei eine Scheidungsklage beim zuständigen Gericht einreichen. Das kann er oder sie tun, nachdem man schon zwei Jahre getrennt lebt – das müsst ihr übrigens beweisen können, zum Beispiel mit einem neuen Mietvertrag oder der Anmeldung in einer anderen Gemeinde.
Unter bestimmten Umständen kann die Scheidung auch ohne die Trennungsjahre früher vollzogen werden, zum Beispiel wenn eine Unzumutbarkeit vorliegt. «Die Voraussetzungen für eine solche Unzumutbarkeit sind sehr hoch. Darunter fallen etwa sexualisierte Gewalt oder ein Mordversuch», erklärt Juristin Valentina Cicco.
Bei einem einseitigen Scheidungsbegehren entscheidet das Gericht über sämtliche Folgen der Scheidung, einschliesslich des Unterhalts. Das Verfahren kann länger dauern und mit höheren Kosten verbunden sein als bei einer einvernehmlichen Scheidung.
Was ist bei einer Scheidungsvereinbarung wichtig?
Eine Scheidungsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen den Ehepartner:innen, der einerseits festhält, dass ihr euch scheiden lassen wollt. Andererseits werden darin die Vereinbarungen über die sogenannten Nebenfolgen der Scheidung definiert, beispielsweise die finanziellen Belange. Wenn eure Verhältnisse einfach sind und ihr euch gut versteht, könnt ihr dieses Dokument selbst ausarbeiten. Ist es kompliziert – rechtlich, finanziell oder emotional – empfiehlt es sich, einen Anwalt oder eine Anwältin beizuziehen. Die wichtigsten Punkte, die in einer Scheidungsvereinbarung geregelt werden sollten, sind:
- Gemeinsamer Scheidungsantrag: Beide Ehepartner:innen sollten sich einig sein, dass sie die Scheidung wünschen.
- Zuteilung der elterlichen Sorge über die Kinder: Es sollte festgelegt werden, wie die elterliche Sorge nach der Scheidung aufgeteilt wird.
- Unterhaltszahlungen: Die Höhe und Dauer von Unterhaltszahlungen, sowohl für den Ehepartner als auch für die Kinder, sollten vereinbart werden.
- Güterrechtliche Auseinandersetzung: Es sollte festgelegt werden, wie das gemeinsame Vermögen aufgeteilt wird.
- Berufliche Vorsorge: Die Regelung der beruflichen Vorsorge, wie zum Beispiel die Aufteilung der Pensionskassenguthaben, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt.
Welche Dokumente brauche ich sonst noch bei einer Scheidung?
Die genauen Anforderungen können je nach Kanton und Art der Scheidung (einvernehmlich oder strittig) variieren. Mit dieser Liste bist du aber auf jeden Fall gut vorbereitet:
- Amtlicher Auszug aus dem Zivilstandsregister (Original)
- Heiratsurkunde und/oder Familienschein (Originale) für Ausländer:innen
- Lohnausweise oder -abrechnungen des letzten halben Jahres
- Kontoauszüge
- Aufstellung über Privatbezüge, also etwa Einkünfte aus einem Nebenerwerb oder Ersatzeinkommen wie beispielsweise IV
- Nachweis über eventuellen Unterhalt
- Scheidungsvereinbarung
- Unterlagen, die Unterhaltsansprüche begründen
- Unterlagen, die Ansprüche hinsichtlich der Vermögensaufteilung begründen
Braucht man eine:n Anwält:in, um sich scheiden zu lassen?
In der Schweiz ist es möglich, sich ohne Anwält:in scheiden zu lassen. Es gibt kein Gesetz, das die anwaltliche Vertretung vorschreibt, weder für Scheidungen auf gemeinsames Begehren noch für Scheidungsklagen. Jede Scheidung wird jedoch immer von einem Gericht beurteilt und ausgesprochen. Der grösste Vorteil einer Scheidung ohne Anwalt oder Anwältin sind die tieferen Kosten, da in einem solchen Fall nur die jeweiligen Gerichtskosten anfallen.
Wie viel kostet eine Scheidung?
Die Kosten einer Scheidung in der Schweiz variieren je nach Fall und Kanton. Die folgenden Faktoren beeinflussen die endgültige Höhe der Kosten bei strittigen Scheidungen:
- Gebühren für Vorladungen, postalische Zustellungen usw.
- Auslagen des Gerichts, z.B. für Gutachten
- Pauschale Beträge für gerichtliche Entscheidungen
- Beweisführungskosten (zum Beispiel für Gutachten oder Anwält:innen)
- Gegebenenfalls Vertretungskosten für Kinder
Bei einer einvernehmlichen Scheidung kann es übrigens sein, dass ihr euch einen Anwalt oder eine Anwältin teilt und somit ein bisschen an Kosten sparen könnt. Wenn die Kosten für eine Scheidung aufgrund eurer wirtschaftlichen Situation für euch zu hoch sind, habt ihr Anspruch auf sogenannte unentgeltliche Rechtspflege. In diesem Fall können die Kosten für ein Scheidungsverfahren nahezu entfallen.
Bei strittigen Scheidungen, bei denen es zu langwierigen Auseinandersetzungen kommt, können die Kosten erheblich sein und im fünfstelligen Bereich liegen. In solchen Fällen muss die unterlegene Partei die vollen Scheidungskosten tragen, einschliesslich der Anwaltskosten, Mediatorenkosten, Gutachterkosten und Schreibgebühren.
Was ist bei einer Scheidung wichtig, wenn Kinder involviert sind?
Sobald es nicht mehr nur um euch beide geht, wird die Angelegenheit etwas komplizierter. So bereitest du dich entsprechend vor:
- Strebt eine einvernehmliche Scheidung an: Eine einvernehmliche Scheidung ist ratsam, da sie geringere Kosten, einen unkomplizierteren Ablauf und eine verkürzte Dauer hat. Ausserdem erspart sie den Kindern langwierige Streitigkeiten während der zweijährigen Trennungsphase.
- Rückt das Kindeswohl in den Vordergrund: Gibt es Zweifel bezüglich Sorgerecht, sieht es das Gesetz vor, dass das Kind im Zuge des Verfahrens befragt werden kann.
- Gemeinsames Sorgerecht: Das Schweizer Recht sieht vor, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach einer Scheidung oder Trennung grundsätzlich bestehen bleibt. In Ausnahmefällen kann die elterliche Sorge einem Elternteil allein übertragen werden.
- Regelt frühzeitig das Wohnverhältnis der Kinder: Der Wohnsitz des Kindes ist in mehreren Bereichen von Bedeutung, wie z.B. für die Zuständigkeit der Behörden oder die Schule. Bei einer Trennung oder Scheidung ist der Wohnsitz des Kindes ein wichtiger Punkt, der geklärt werden muss.
- Behaltet Rituale bei: Wenn die Elternteile nah beieinander wohnen, ist es leichter, liebgewonnene Rituale der Familie beizubehalten. Rituale helfen Kindern, mit der Angst, ein Elternteil zu verlieren, leichter fertig zu werden.
- Verstärkt eure Präsenz: Gerade während einer Scheidung mit Kindern ist die verstärkte Präsenz der Eltern wichtig – und zwar von beiden. Kinder haben ausserdem ein Recht darauf, im Rahmen der Scheidung angehört zu werden.
Was muss ich als Frau spezifisch beachten?
Bei einer Scheidung haben Frauen keine besonderen Rechte, sondern die gleichen wie Männer. Es gibt jedoch einige Aspekte, auf die du als Frau besonders achten kannst:
- Finanzielle Absicherung: Frauen haben ein höheres Risiko für Altersarmut nach einer Scheidung. Dies vor allem deshalb, weil sie auch heute noch häufig den Grossteil der Care-Arbeit übernehmen, weniger Erwerbsarbeit leisten und dadurch finanziell weniger gut aufgestellt sind. Daher ist es wichtig, sich frühzeitig um die finanzielle Absicherung zu kümmern – selbstverständlich auch dann, wenn sich keine Scheidung am Horizont aufbaut.
- Kinder und Sorgerecht: Es gibt keine automatische Regelung, dass die Mutter das Sorgerecht für die Kinder erhält. Das gemeinsame Sorgerecht ist in der Schweiz seit 2014 als Regelfall vorgesehen.
- Namensänderung: Als geschiedene Frau kannst du deinen Ledignamen wieder annehmen – du musst aber nicht, und dein Ex-Mann oder deine Ex-Frau können dich nicht dazu zwingen. Die Namensänderung kannst du auf dem Zivilstandsamt beantragen. Deine Kinder behalten den Namen, den sie vor der Scheidung hatten.
… aber wie war das nochmals mit der 45er-Regel?
Die sogenannte «45er-Regel» war eine langjährige Praxis in der Schweiz. Sie besagte, dass einem Ehegatten oder einer Ehegattin die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar ist, wenn er oder sie während der Ehe nicht berufstätig war und zum Zeitpunkt der Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes, beziehungsweise bei der Scheidung, das 45. Altersjahr bereits erreicht hatte. In den meisten Fällen waren Frauen von dieser Regel betroffen, sie wurde jedoch per Anfang 2021 vom Bundesgericht aufgehoben.
Mit der Aufhebung der «45er-Regel» verlangt das Bundesgericht nun eine Prüfung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Dabei erachtet es sogar einen Berufswechsel oder einen Neueinstieg in ein komplett neues Berufsgebiet als zumutbar. Das Aus-, Um- und Weiterbildungsangebot in der Schweiz sei gross und vielfältig, was bedeutet, dass es für geschiedene Frauen viele Möglichkeiten gäbe, sich beruflich neu zu orientieren und finanziell unabhängig zu werden, argumentiert das Bundesgericht.
Du siehst also: Die Konsultation eines Anwalts oder einer Anwältin ist sicher keine schlechte Idee, wenn du dich scheiden lassen willst. Auch Rechtsschutzversicherungen wie die CAP bieten oft eine Rechtsberatung im Familienrecht an und übernehmen Kosten wie Anwaltshonorare oder Gerichtskosten. Und mit der ellexx JUSTIS kannst du nicht nur Beratungen im Familienrecht bis zu 1'5oo Franken in Anspruch nehmen, sondern erhältst auch bei einer Trennung oder Scheidung rechtliche Unterstützung.