Mitte Februar entscheiden die Schweizer Stimmberechtigten über das neue Mediengesetz. Es ist nach der No-Billag-Initiative von 2018 bereits die zweite Abstimmung innert wenigen Jahren, welche den Medienstandort Schweiz betrifft. Und wie bereits damals staune ich auch jetzt darüber, wie wenig selbst meine gut ausgebildeten Freund:innen über Medienfreiheit, Medienökonomie und die Medien als vierte Säule der Demokratie wissen. Ich möchte daher an dieser Stelle mein Wissen mit euch teilen.
Was soll das Mediengesetz bringen?
Die Gesetzesvorlage, über die wir am 13. Februar abstimmen werden, sieht vor, dass die Schweizer Medien mit zusätzlichen 151 Millionen Franken pro Jahr vom Staat unterstützt werden. Damit wollen Bundesrat und Parlament, die dem Paket übrigens bereits zugestimmt haben, die Corona-gebeutelten Medien unterstützen und die Medienvielfalt der Schweiz bewahren. Aber wie genau soll das funktionieren?
Erstens: die Zustellung von gedruckten Zeitungen soll noch stärker subventioniert werden als bis anhin: Heute gibt der Bund 50 Millionen Franken jährlich für diese sogenannte «indirekte Medienförderung» aus, in sieben Jahren sollen dafür 120 Millionen Franken zur Verfügung stehen. Ausserdem ändert sich der Verteilschlüssel. Profitieren sollen zukünftig nicht mehr nur kleine Blätter, sondern auch auflagenstarke Zeitungen wie z.B. der «Tages-Anzeiger». Die Unterstützung wird dabei degressiv aufgeschüttet. Das bedeutet: Je grösser der Verlag, desto kleiner der Betrag.
Zweitens: Neu sollen auch Online-Medien mit 30 Millionen pro Jahr unterstützt werden. Bisher gingen diese leer aus. Endlich scheint auch der Bund verstanden zu haben, dass «dieses Internet» halt doch nicht nur eine Phase ist, die wieder vorüber geht.
Drittens: Die Beiträge an private Radio- und Fernsehsender sollen von 81 Millionen Franken pro Jahr auf bis zu 109 Millionen Franken im Jahr erhöht werden.
Und viertens: 23 Millionen Franken jährlich sollen in die Schweizer Journalistenschulen, die Presseagenturen, den Presserat und verlagsübergreifende IT-Projekte investiert werden.
Finanziert würde das Medienpaket übrigens durch eine Umverteilung der Serafe-Gebühren sowie durch den Bund. Du und ich werden also nicht tiefer in die Tasche greifen müssen - zumindest nicht direkt.
Wie verdienen Medien Geld?
Nun fragt ihr euch vielleicht - wie gewisse Leute in meinem Freundeskreis auch - warum die Medien überhaupt unterstützt werden müssen. Oder anders: Warum sie es nicht (mehr) schaffen, rentabel zu wirtschaften. Dazu muss man erst einmal wissen, wie Medien überhaupt Geld verdienen.
Grob unterteilen lassen sich 3 Modelle: «Bezahl-Medien» bitten ihr Publikum zur Kasse, verlangen also eine monetäre Gegenleistung für den von ihnen erbrachten Service. Die sogenannten «Gratismedien» - 20 Minuten ist da ein schönes Beispiel - finanzieren sich über den Verkauf von Werbung, die sich ihr Publikum dann parallel zum Journalismus reinziehen darf. Und dann gibt es noch die Öffentlich-Rechtlichen, welche durch Gebührengelder finanziert sind. Die Regel sind Mischformen - viele private, grundsätzlich werbefinanzierte Radio- und TV-Sender profitieren zum Beispiel bereits jetzt von öffentlich-rechtlichen Subventionen.
Verschiedene Entwicklungen - allen voran die Digitalisierung - haben nun dazu geführt, dass Menschen weniger Geld für Medien ausgeben, oder ihr Geld lieber Medienunternehmen aus den USA wie z.B. Netflix in den Rachen werfen. Und nicht nur das Publikum wird geiziger, wenn es um Medienprodukte aus der Schweiz geht - auch die Schweizer Wirtschaft lässt einen immer grösseren Teil ihres Werbebudgets in amerikanische Grosskonzerne à la Facebook, Google und Co. fliessen.
Die Schweizer Medienlandschaft befand sich bereits vor Corona in der Krise - und das Virus hat sein Übriges getan: Es brachte den Medien zwar enorme Leser:innenzahlen, leider kam aber auch die Schweizer Wirtschaft arg ins Straucheln. Werbebudgets wurden folgerichtig fast überall reduziert. Zeitungen segneten das Zeitliche (z.B. das jedes Wochenende von rund 70’000 Tessinern gelesene Investigativ-Magazin «Il Caffè»), Journalist:innen wurden entlassen (z.B. bei SRF), Redaktionen wurden zusammengelegt (z.B. die «Berner Zeitung» und «Der Bund», welche zwar weiterhin beide erscheinen, allerdings inhaltlich deckungsgleich und unter einem Dach - dem der TX Group, ehemals Tamedia).
Um die Medienvielfalt in der Schweiz steht es also in der Tat eher schlecht im Moment. Soweit, so «Ja zum Mediengesetz».
Um die Medienvielfalt in der Schweiz steht es also in der Tat eher schlecht im Moment. Soweit, so «Ja zum Mediengesetz».
Warum ein Nein zum Mediengesetz?
Das Problem: Eben jene Medien, um die es angeblich so schlecht steht, haben in der Krise zwar staatliche Unterstützung in Form von Kurzarbeit bezogen, zugleich aber teils schwindelerregend hohe Dividenden an ihre Aktionär:innen ausbezahlt - allen voran die TX Group alias Tamedia. Warum das gemacht wurde, war mir lange Zeit nicht klar - die schiessen sich doch imagemässig ins eigene Bein, dachte ich.
Bei der Recherche zu dieser Kolumne habe ich allerdings einiges erfahren, was diese Dividendenausschüttung in einem anderen Licht erscheinen lässt. Und zwar Folgendes: Die TX Group ist zwar eine AG, mehrheitlich aber in Besitz der Gründerfamilie Coninx. Diese ist gross und weitverzweigt, und trotz millionenschweren Bankkonten leben einige Familienmitglieder über ihre Verhältnisse. Ihre Anteile an der TX Group dürfen sie gemäss Firmenstatuten nicht verkaufen, und wenn doch, dann geniesst die Verwandtschaft Vorkaufsrecht, damit der Konzern in Familienbesitz bleibt. Mit dem Verkauf von Aktien kann die Familie Coninx ihren extravaganten Lebensstil also nicht bestreiten - wohl aber mit der Ausschüttung von Dividenden an sich selbst. So flossen seit dem Börsengang im Jahr 2000 auch rund 800 Millionen Franken in Coninx-Taschen. Das wäre ohne die Subventionen des Bundes - zumindest in den Pandemie-Jahren - kaum möglich gewesen.
Und hier kommt das Nein-Komitee ins Spiel. Mit dem Slogan «Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre» macht es Stimmung gegen die Vorlage. Aushängeschilder des Komitees sind Philipp Gut (seines Zeichens Journalist bei der «Weltwoche», deren Verleger und SVP-Nationalrat Roger Köppel sich selber jeweils ebenfalls beträchtliche Dividenden ausschüttet) und FDP-Politiker und Medienunternehmer Peter Weigelt. Nebst den «Steuermilliarden für Medienmillionäre» - auch in meinen Augen ein valider Punkt! - stört sie vor allem die Gefährdung der «Unabhängigkeit der Medien» durch staatliche Subventionen. Dass auch ihre eigenen politischen und medienökonomischen Interessen derart miteinander verquickt sind, dass sie sich unmöglich separiert betrachten lassen, darüber schweigen sie selbstverständlich. Dass Bundesbern über die Subventionen mehr redaktionellen Einfluss nehmen könnte, als sie und ihre eigene politische Gesinnung auf ihre Medienprodukte haben, halte ich für wenig wahrscheinlich.
Und die Lösung?
Fazit: Die Schweizer Medien sind - mit einigen wenigen Ausnahmen! - bereits heute alles andere als unabhängig. Entweder sie hofieren reiche Aktionäre oder katzbuckeln vor der werbetreibenden Wirtschaft.
Der Staat scheint tatsächlich das geringste Problem zu sein. Schliesslich stellt sich also die Frage:
Wollen wir Tausende von Arbeitsstellen sichern und dafür die Taschen von ein paar Reichen noch ein wenig voller machen? Oder stimmen wir lieber Nein zum Mediengesetz und riskieren damit, dass nur die am besten finanzierten Medienhäuser überleben - mit unklarem Ausgang für die Pressefreiheit?
Die einzig wirklich saubere Lösung wäre es wohl, wenn wir wieder eigenhändig das Portemonnaie für die Arbeit unserer Journalist:innen zücken würden.
Gute Informationen gab es halt noch nie umsonst.