«Geld ist mir nicht wichtig.» «Ich will nicht reich werden.» «Geld ist lediglich Mittel zum Zweck.» Diese Sätze stammen alle von Frauen, aus Interviews, die wir im Rahmen unserer Rubrik «Money Talk» geführt haben. Es sind Antworten auf die Frage, welche Gefühle Geld bei ihnen auslöst. Und es sind jene Antworten, die wir auf diese Fragen am häufigsten erhalten. Selten sagen Interviewpartnerinnen Sätze wie: «Geld ist mir wichtig.» «Ich will mal viel Geld haben.» «Geld macht mir Spass.» Wir haben keine Gegenthese zu den Aussagen, da wir keine Money Talks mit Männern führen. Untersuchungen zeigen aber: Frauen sind in Sachen Geld zurückhaltender, vorsichtiger und weniger selbstbewusst als Männer.
Woher das kommt? Dieser Frage gehen wir nach.
Mädchen sollen sparen, Buben ihr Geld vermehren
Wie so oft, wenn es um eine Haltung oder die Einstellung zu einem Thema geht, liegen die Wurzeln in der Kindheit. Ein wesentlicher Faktor, der den weiblichen Umgang mit Geld prägt, sind die Bilder in unseren Köpfen und verinnerlichte Glaubenssätze. Frauen werden, wenn es um Geld geht, anders sozialisiert als Männer.
Schon in jungen Jahren gibt es Unterschiede, sagt Alexandra Niessen-Ruenzi. Die Ökonomin leitet den Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Corporate Governance an der Universität Mannheim und forscht zu geschlechtsspezifischen Unterschieden an Kapitalmärkten. «Das Thema Finanzplanung und Geldanlage wird in den meisten Haushalten häufiger zwischen Vätern und Söhnen besprochen als zwischen Vätern oder Müttern und Töchtern», so Niessen-Ruenzi. Laut einer amerikanischen Studie sprechen Eltern zudem anders mit Mädchen über Geld, als sie das mit Buben tun: Mädchen bringen sie bei zu sparen, Buben, ihr Geld zu vermehren. Buben erhalten zudem mehr Wertpapiere als Geschenk und werden stärker ermutigt, am Aktienmarkt teilzunehmen als Mädchen. Und zu guter Letzt: Für Mädchen gibt es weniger Inspiration. Denn – auch das zeigen Untersuchungen – Mädchen fehlt es an weiblichen Vorbildern, die einen lustvollen und aktiven Umgang mit Geld pflegen. So nennen Frauen bei der Frage nach Vorbildern in Sachen Finanzen vor allem Familienmitglieder, darunter an erster Stelle ihre Väter, dann Mütter und Partner. Männer hingegen orientieren sich lediglich an ihren Vätern und ansonsten eher an öffentlichen Personen wie etwa Warren Buffet oder Elon Musk. Natürlich ist fraglich, ob Buffet und Musk «gute» Vorbilder sind. Sie sind aber insofern interessant, weil sie anregen, in Sachen Geld gross zu denken.
Viel Schweigen, wenig Austausch
Diese Tendenzen ziehen sich laut Alexandra Niessen-Ruenzi auch im späteren Leben von Frauen weiter: «Unsere Umfragedaten zeigen, dass im Verlauf der Jugend und des frühen Erwerbslebens Frauen das Thema Geld seltener im Freundinnen- und Kolleginnenkreis besprechen als Männer.» Frauen haben ausserdem seltener Freundinnen, die selbst investieren und sie zum Anlegen animieren. Männer hingegen tauschen sich regelmässig mit anderen Männern aus Familie, Freundeskreis oder der Arbeit über Geld, Finanzen und Investieren aus.
Aus all diesen Gründen kommen Frauen gemäss Niessen-Ruenzi oft erst relativ spät im Leben in Berührung mit Themen wie Investieren oder Vorsorgen und dies meistens auch nur, wenn sie selbst aktiv werden und von sich aus Informationen dazu einholen. Und das braucht manchmal auch noch ganz schön Überwindung. Denn die Finanzindustrie hat Frauen als Kundinnen nicht wirklich auf dem Radar. Eine Mehrheit der Vermögensberater:innen sieht Männer als ihre Standard-Kunden. Die meisten Frauen fühlen sich von der Finanzindustrie denn auch nicht angesprochen oder abgeholt.
Und schliesslich darf man nicht vergessen: Das weibliche Schweigen oder die Zurückhaltung in Sachen Finanzen hat in der Schweiz auch historische Gründe: Hierzulande haben Frauen noch nicht so lange die Möglichkeit, sich unabhängig mit dem Thema Finanzen zu befassen. Erst seit das neue Eherecht 1988 in Kraft trat, können verheiratete Frauen ohne die Erlaubnis des Ehemanns einer Erwerbsarbeit nachgehen oder ein Bankkonto eröffnen.
Frauen sind bei Finanzen weniger selbstbewusst
Für Frauen gibt es noch eine andere Hürde: den Gender Pay Gap. So verdienen Frauen in der Schweiz auch heute noch 18 Prozent weniger als Männer und haben damit schlicht weniger Geld zur Verfügung. Hinzu kommt: Dieser Gap existiert laut einer Studie schon im Kindesalter. Sechsjährige Mädchen bekommen weniger Geld von ihren Eltern als gleichaltrige Buben. Der Unterschied beim Taschengeld beträgt laut Studien bis zu 11 Prozent. Zwar ändert sich dies in der Jugend – zwischen 12 und 15 Jahren erhalten Mädchen etwas mehr Geld als Buben. Trotzdem können Mädchen finanziell kaum noch zu den Jungs aufschliessen. Weshalb sie weniger Gelegenheit haben, ihre Fähigkeiten im Umgang mit Geld zu üben.
Wie die Macher:innen der Studie folgern, könnte dies mit ein Grund sein, weshalb erwachsene Frauen bei Finanzfragen in Untersuchungen schlechter abschneiden als Männer. Dabei betonen die Forscher:innen, dass dies nicht daran liege, dass Frauen tatsächlich weniger über Finanzen wissen, sondern dass sie vielmehr glauben, weniger kompetent zu sein, wie es in der Studie heisst: «Frauen sind bei Finanzthemen weniger selbstbewusst.»
Nur jede sechste Frau investiert ihr Geld
Mangelndes Selbstbewusstsein, finanzielle Ungleichheit, eine unterschiedliche Erziehung in Geldfragen und fehlende Vorbilder: All das hat Konsequenzen für das ganze weibliche Leben und die finanzielle Situation. «Frauen sind tendenziell unsicherer und haben weniger Vertrauen in ihre Finanzentscheidungen als Männer», sagt Alexandra Niessen-Ruenzi. So befassen sich Frauen weniger mit dem Thema Finanzen und lassen eher die Finger vom Investieren. Vier von zehn Frauen in der Schweiz gaben in einer Umfrage der Universität Luzern an, sich «überhaupt nicht» für die Finanzmärkte zu interessieren. Lediglich eine von zehn hat ein «starkes Interesse» am Thema. Bei den Männern ist es immerhin jeder Dritte.
Beim Investieren sieht es kaum besser aus. Zwar variieren die Zahlen zum Anlageverhalten von Frauen und Männern je nach Untersuchung, in einem Punkt sind sich aber alle einig: Frauen legen ihr Geld deutlich weniger oft an als Männer. Eine aktuelle Studie aus Deutschland zeigt: Während jeder dritte Mann sein Geld investiert, tut dies nur gut jede sechste Frau.
Die Prägungen und die Bilder, die tief in uns Frauen sitzen, zeigen sich auch in anderen Bereichen: So kümmern sich in heterosexuellen Beziehungen bis heute mehr Männer um das Thema Finanzen als Frauen. Und im Job-Kontext verhandeln Frauen seltener um ihren Lohn als ihre männlichen Kollegen.
Die Glaubenssätze gipfeln in Altersarmut
Die Quittung bekommen viele Frauen, wenn sie pensioniert werden. Stichwort: Altersarmut. «Frauen verdienen über den Lebenszyklus gesehen deutlich weniger als Männer, legen ihr Geld weniger gewinnbringend an und leben im Durchschnitt auch noch fünf Jahre länger. Sie haben ein 25 Prozent höheres Risiko für Altersarmut», sagt Alexandra Niessen-Ruenzi. Natürlich liegt das nicht allein daran, wie sie in Bezug auf Geld geprägt wurden. Das aktuelle Rentensystem, das Teilzeitarbeit bestraft und unbezahlte Care-Arbeit nicht aufnimmt, ist ein wesentlicher Faktor. Trotzdem betont die Ökonomin: «Sich nicht mit dem Thema Geldanlage zu befassen, hat für Frauen durchaus besorgniserregende Folgen und gefährdet die Möglichkeit von Frauen, auch im Alter ihren Lebensstandard sichern zu können.»
Eine neue Strategie für die Finanzbildung
Alexandra Nissen-Ruenzi plädiert deshalb für eine grundlegende Veränderung im Umgang mit Finanzthemen – im privaten und öffentlichen Leben. «Wir benötigen eine Finanzbildungsstrategie und eine Verankerung des Themas in den Lehrplänen von Schulen.» Nur so könne man die breite Bevölkerung erreichen. Daneben sei es zentral, dass auch im Familienkontext ein Bewusstsein für die Themen Geld, Finanzen und Investieren geschaffen werde: «Es ist wichtig, dass Eltern oder andere Bezugspersonen darauf achten, dass sie geschlechtsunabhängig mit ihren Kindern über die Bedeutung von Sparen, Inflation, Zinsen etc. kommunizieren.»
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