Magst du Geld?
Eigentlich schon.
Warum?
Ich finde es reizvoll, darüber zu sprechen, weil Geld so viele Möglichkeiten bietet. Einmal individuell, als Vorstellung von Luxus, wenn ich mal etwas übrig habe, andererseits finde ich Geld aus politischer Warte ultrawichtig.
Wie sieht deine Vorstellung von Luxus aus?
Für mich ist es ein Luxus, eine Massage zu buchen oder zur Kosmetikerin zu gehen. Das fühlt sich für mich sehr luxuriös an, und ob ich mir das leisten kann, ist stark damit verbunden, wie viel Geld ich Ende des Monats übrig habe. Ich empfinde es auch als Luxus, im Restaurant zu essen. Ich möchte nie vergessen, was das für ein Privileg ist. Ich habe früher auch schon einmal eine ganze Packung Jaffa-Kekse gegessen, weil ich wusste, dass mir danach übel sein würde und ich keinen Hunger mehr hätte – weil ich zu pleite war für die nächste Mahlzeit.
Was würdest du dir als erstes leisten, wenn Geld keine Rolle spielen würde?
Ein GA für die erste Klasse.
Das ist alles?
Noch einen massgeschneiderten Anzug.
Das habe ich gesehen auf Instagram. Du bist sehr stolz auf deinen Anzug?
Ja voll, das war etwas sehr Wichtiges für mich.
Wo hast du den machen lassen?
Bei der Eva Bräutigam an der Europaallee.
Warum wolltest du den Anzug haben?
Weil mir früher viele Kleider nicht passten und ich mich danach sehnte, dass mein Körper der Kleidung sagt, wie sie aussehen soll, und nicht umgekehrt. Ich finde Anzüge einfach etwas Schönes an Frauen, und ich fühle mich darin genauso wohl, wie ich es mir vorgestellt habe. Zudem ist es eine Aneignung eines männlich konnotierten Machtsymbols.
Du hast vorhin gesagt, dass du Geld auch politisch interessant findest?
Ja, es geht um wichtige Fragen: Wer kann sich was leisten, was wird wie entlohnt? Wer bekommt viel Geld für fast keine Arbeit, und wer bekommt fast kein Geld für sehr viel Arbeit? Das sind für mich sehr grundlegende Fragen. Das hat auch gar nichts mehr mit Massagen und Kosmetik zu tun, sondern mit der Frage: Wie viel Zeit verbleibt neben der Arbeit, um zu leben, um Mensch zu sein und für die psychische Gesundheit? Ein wesentlicher Aspekt von globaler Ungleichheit ist ja, dass Geld ungleich verteilt ist.
Sollte in einer kapitalistischen Gesellschaft jede Arbeit bezahlt werden?
Ich glaube nicht, dass das mit dem Kapitalismus vereinbar ist! Du hast ja kürzlich mit deiner Winterrede damit Schlagzeilen gemacht, dass der Kapitalismus auf unbezahlter Arbeit beruht. Für mich beruht Kapitalismus auf ganz verschiedenen Formen von Ausbeutung.
Gibt es valable Alternativen zum Kapitalismus?
Es muss! Es muss eine Gesellschaft möglich sein, die genuin nachhaltig und solidarisch ist – aber das würde voraussetzen, dass Geld umverteilt wird, und die Reichsten hätten da etwas zu befürchten. Das betrifft die meisten von uns nicht – das sind Menschen, die sind so wohlhabend, und ihr Vermögen hat so viele Nullen dahinter, dass es unsere Vorstellungskraft sprengt.
So wie jene, die genug Geld haben, um Phallus-Symbole ins Universum zu knallen?
Genau. Das ist völlig maumau.
Weshalb?
Angesichts eines gewissen Masses von Elend entsteht die ethische Verpflichtung, solidarisch zu sein. Das heisst nicht, dass ich nicht jeder Person wünsche, dass sie sich schöne Sachen leisten kann. Aber wenn eine Person die finanziellen Mittel hat, mit einem winzigen Prozentanteil ihres Wohlstands die Armut beziehungsweise das Elend zu verringern und das nicht macht, dann ist das für mich unethisch.
Ich versuche mir immer wieder vorzustellen, wie gross das Vermögen dieser Superreichen ist und wie wenig sie machen müssten, damit sie etwas bewirken würden, und sie könnten sich immer noch ihre Yacht und alles leisten, was ich ihnen durchaus gönne! Aber ihr ganzer Reichtum beruht doch letztlich auch wieder auf der Ausbeutung anderer Menschen.
Was sollte Geld idealerweise sein?
Idealerweise ist Geld Verantwortung, und das sollte jeder Person bewusst sein. Wenn man Geld hat, sollte man daran denken, wie man diese Verantwortung einsetzt. Wer kein Geld hat, soll sich bewusst werden, dass es systemisch bedingt sein kann. Es wird uns doch immer diese Geschichte erzählt, dass du alles erreichen kannst, wenn du wirklich willst, und wenn du es nicht schaffst, dass du selber daran schuld bist. Das ist ein neoliberales Märchen.
Dir fällt es offensichtlich nicht schwer, über Geld zu sprechen?
Nein, ich spreche gerne darüber.
Warum ist es für dich kein Tabu?
Ich finde es grundsätzlich reizvoll, Tabus zu brechen, das ist ein Teil meiner Arbeit und von mir als Person, aber es ist auch ein politischer und feministischer Akt, über Geld zu reden.
Das finden wir auch. Wofür gibst du gerne Geld aus?
Blumen! Es ist so etwas Schönes.
Wofür würdest du am liebsten kein Geld ausgeben?
Katzensand, ich finde, ich sollte dafür bezahlt werden, das Zeug rumzuschleppen.
Das ist etwa so wie Windeln.
(Lacht herzlich.) Das stimmt.
Oder Tampons!
Ja, da hätte ich gerne keine Mehrwertsteuer drauf.
Warum?
Wenn Viagra als genug lebenserhaltend angesehen wird, um befreit zu sein von der Mehrwertsteuer, sollte das für Menstruationsprodukte auch gelten.
Ich finde es völlig absurd, dass Viagra als derartig essenziell für Sex angesehen wird, da Befriedigung durchaus auch ohne Erektion stattfinden kann. Dass unsere Vorstellung von Sex offenbar nicht ohne die Erektion eines Penisses auskommt, ist heteronormativ. Sex kann ohne Erektion stattfinden. Aber die Menstruation kann schlecht ohne Menstruationsprodukte stattfinden.
Seit wann stehst du finanziell auf eigenen Beinen?
(Überlegt lange ...) Etwa seit Mitte 20.
Die Steuererklärung steht bald wieder an. Machst du das selber?
Ja, und zwar lausig. Die nächste mache ich aber definitiv nicht selber, da ich seit einem halben Jahr selbstständig bin. Zum Glück ist einer meiner tausend Brüder Steuerberater, und ich werde ihn lieb fragen, ob er mir hilft.
Viele Frauen haben das Gefühl, Geld sei nichts für sie – warum ist das aus deiner Sicht so?
Geld ist Macht, und wir wachsen in einer Gesellschaft auf, in der Macht männlich konnotiert ist und den Frauen vorenthalten wird.
Mit wem sprichst du regelmässig über Geld?
Mit meinen Freund:innen, besonders jenen, die selbstständig sind. Wir reden seit meiner eigenen Selbstständigkeit sehr viel öfters über Geld und treffen uns sogar manchmal für Geldgespräche.
Und was diskutiert ihr da so?
Beispielsweise, wie viel Honorar darf ich verlangen, wie soll ich meine Gage verhandeln? Wie kann ich meine Grenzen stecken und Anforderungen formulieren? Ich habe mal einen halben Abend lang mit meinen Freund:innen verbracht, um zu überlegen, wie viel ich verlangen sollte, um bei der Delegiertenversammlung einer rechtspopulistischen Partei aufzutreten.
Und?
Wir haben uns gegenseitig völlig aufgewiegelt, ich war erst seit kurzem selbstständig und hatte noch kein Gefühl dafür, wie viel ich verlangen kann. Dann habe ich 7000 Franken verlangt.
Das klingt nach Schmerzensgeld. Hast du den Job bekommen?
Nein, sie haben mir geantwortet, dass sie erwartet hätten, dass ich es umsonst mache. Was aber interessant war, war die Welle von Scham, die über mich hereingebrochen ist, im Wissen, dass ich einen zu hohen Preis für meine Arbeit verlangt habe. Niemals würde ich mich so fühlen, wenn ich zu wenig verlangen würde. Eigentlich sollten doch sie sich schämen, dass sie mir gar nichts für meine Arbeit zahlen wollten.
Wer hat mit dir zu Hause über Geld gesprochen?
Niemand. Und das war zu einem Teil schön. Unser Haus stand immer allen offen. Mir wurde zu Hause eine megaschöne Form von Grosszügigkeit vorgelebt, losgelöst von Geld. Aber gleichzeitig hat auch niemand darüber geredet.
Lebst du allein oder in einer Gemeinschaft – wie habt ihr das mit dem Geld geregelt?
Ich lebe mit meiner Partnerin in einer Mietwohnung.
Und mit einer Katze. Ich frage, weil du deine Community immer wieder mit «Büsis» ansprichst.
Ja.
Warum?
Meine Hoffnung ist, das Büsis eine liebevolle Ansprache ist, die geschlechterneutral ist.
Wieviel verdienst du?
2000 bis 4000 Franken im Monat.
Wieviel würdest du gerne verdienen?
5000.
Welchen Stellenwert hat Geld in der Queer Community? Einen anderen als bei den Heteros? Oder genau den gleichen?
Wir müssen uns in der der Queer Community viel mit Zugänglichkeit beschäftigen. Da spielt Geld eine grosse Rolle, beispielsweise Anlässe, die nur zehn Franken kosten, das ist wichtig, damit die Jugendlichen teilnehmen können. Besonders in Bezug auf trans Menschen beobachte ich, dass manche Operationen nicht durch die Krankenkasse bezahlt werden und dass diese durch Crowdfunding finanziert werden. Es wird klar, dass lebenserhaltende Massnahmen nicht durch die Krankenkasse finanziert werden. Viele lesbische Frauen landen zudem in der Altersarmut.
Wieso lesbische Frauen und Altersarmut?
Weil unser System darauf aufbaut, dass eine Frau einen Mann heiratet. Eine Witwenrente bekommen lesbische Frauen nicht. Auch Lohnungleichheit, auch bei Kindern, entstehen die gleichen Lücken, nur füllt diese dann kein Partner auf.
Spendest du? Warum und wie?
Ja voll, sehr häufig ans TGNS (Transgender-Netzwerk der Schweiz), das lebensrettende Massnahmen und Bildungsarbeit anbietet, die der Staat bisher nicht leistet. Ich habe in letzter Zeit ausprobiert, ob ich so Influencer-mässig Werbung machen will. Aber die meisten Produkte sind nicht trans freundlich – und wenn ich Werbung machte, die trans Menschen nicht konsequent mitdachte, spendete ich immer 20–25 Prozent meines Honorars an TGNS.
Konsequent!
Ja, solange es geht und solange ich meine Miete zahlen kann. Aber ich habe mir auch schon überlegt, keine herkömmliche Influencerinnen-Werbung mehr zu machen.
Warum?
Mir ist einfach nie so recht wohl damit. Vorher nicht, währenddessen nicht und nachher nicht.
Nimmt es dir die Unabhängigkeit?
Ja, und zu einem Teil auch die Authentizität. Obwohl ich Influencer:innen total verteidigen möchte, die werden ja oft auf sehr sexistische Art kritisiert, weil sie gerade Macht haben innerhalb einer Branche.
Sorgst du persönlich fürs Alter vor?
Seit Kurzem habe ich eine dritte Säule, ja.
Gratuliere. Was hat dich zu diesem Schritt bewegt?
Meine Partnerin hat eine dritte Säule angelegt.
Sinnvoll vorsorgen? Aber mit Rendite. Das geht. Wir sind überzeugt, dass ein verantwortungsbewusster Einsatz deines Geldes langfristig Wert schafft, ganz nach unserer Vision «Close the Gaps». Wenn du erwerbstätig bist, kannst du dich mit der elleXX 3a zusätzlich finanziell absichern, langfristig investieren und damit Steuern sparen.
Investierst du?
Nein, noch nicht.
Hast du es dir vorgenommen?
Ja, ich möchte es zumindest genug gut verstehen, um mich dafür oder dagegen zu entscheiden.
Was wäre dir beim Investieren besonders wichtig?
Das weiss ich noch gar nicht, aber ich würde gerne ethisch investieren.
Was sind deine grössten Ausgabeposten?
Meine Wohnungsmiete (1800 Franken, davon zahle ich die Hälfte). Danach kommt wohl meine Gesprächstherapie, meine Krankenkasse zahlt die nicht.
Hat Corona dein Ausgabenmuster verändert?
Ja, ich gebe weniger Geld aus für Fast Food, weil ich weniger unterwegs bin.
Gibt es etwas, das du den Menschen, die dieses Interview lesen, in Bezug auf Geld noch mitteilen möchtest?
Seid solidarisch. Nicht nur, aber auch mit Geld.
Genial mit Geld. Lerne in nur vier Abenden, wie Du Deine grössten Geld-Gaps schliesst. Eine Kooperation mit SmartPurse. Wann: immer dienstags, ab 3. Mai 2022