Die Regisseurin wurde für ihren ersten Kurzfilm in Locarno ausgezeichnet – doppelt. Wie viel unentgeltliche Arbeit in einem solchen Projekt steckt und welche Strukturen sich in der Filmbranche ändern müssen, erzählt sie im Money Talk.
Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?
Seit ich es selbst verdiene, habe ich sehr neutrale Gefühle Geld gegenüber. Weil ich nicht mehr von meinen Eltern abhängig bin. Das ist eigentlich ein sehr wohliges Gefühl, aber gleichzeitig löst zum Beispiel Geldausgeben bei mir gar nichts aus. Es stresst mich nicht, macht mich aber auch nicht übertrieben glücklich. Früher war das anders.
Inwiefern?
Während meines Studiums haben meine Eltern mich finanziell unterstützt. Mein Mami wollte beispielsweise immer, dass ich nach dem Ausgang ein Taxi nach Hause nehme – dafür hat sie mir Geld gegeben. Meine Gedanken waren aber: «Dieses Geld könnte ich doch besser investieren, Taxis sind so teuer.» Es hat mich schon gestresst, dass man sich ständig Gedanken machen musste, wofür man wie viel Geld ausgibt. Und auch, dass ich halt danach fragen musste, wenn ich zu wenig hatte.
Kannst du heute gut mit Geld umgehen?
Ja, das würde ich schon sagen. Ausser, dass ich beim Sparen nicht so konsequent bin, wie ich gerne wäre: Anfang Monat überweise ich einen gewissen Betrag auf mein Sparkonto und gegen Ende merke ich, dass ich das doch noch brauche. Die tausend Franken, die ich eigentlich sparen wollte, bleiben dann nie vollständig auf meinem Sparkonto. Aber ich habe das Gefühl, dass es vielen so geht.
Du wurdest dieses Jahr am Filmfestival in Locarno gleich mit zwei Preisen ausgezeichnet: Dein Kurzfilm «Letzte Nacht» hat den «Pardino d'oro Swiss Life for the Best Swiss Short Film» und den «Best Swiss Newcomer Award» abgeräumt. Gratuliere! Wie viel Geld kriegt man eigentlich für diese Auszeichnungen?
Danke! Das Preisgeld für die erste Auszeichnung ist 10’000 Franken. Hier überlege ich noch, wie ich das auf meine Filmcrew und die Schauspieler:innen aufteilen soll. Es waren relativ viele Leute, die alle gratis gearbeitet haben. Ich will das Geld fair verteilen, aber weil die Crew so gross ist, gibt es pro Person leider eher einen symbolischen Betrag. Und ich selbst hatte ja auch eigene Ausgaben: Schon nur die Kinomiete für die Premiere kostete 500 Franken, und die Eingaben für Festivals sind oft auch nicht gratis.
Und der zweite Preis?
Der ist nicht mit Geld dotiert, sondern man erhält den Preis in Form von Gutscheinen; einerseits für Equipment im Wert von 15’000 Franken und andererseits für die Postproduktion im Wert von 10’000 Franken. Die kann man für das nächste Filmprojekt verwenden. Diese Gutscheine haben aber ein Ablaufdatum. Das stresst mich jetzt schon ein bisschen (lacht).
Weil du jetzt Druck hast, einen neuen Film zu machen?
Ja, voll. Es ist natürlich cool, wenn man gepusht und gefördert wird. Und dass einem überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, ein neues Projekt anzufangen. Aber ich arbeite ja noch als Redakteurin beim SRF, da muss ich schauen, wie und ob das zeitlich aufgeht mit einem neuen Filmprojekt. Momentan arbeite ich 80 Prozent, stocke aber bis Ende Jahr noch auf ein Vollzeitpensum auf. Viel Zeit bleibt da also nicht mehr übrig! Und prinzipiell finde ich es eigentlich schöner, ohne Druck und finanzielle Erwartungen an meinen Projekten arbeiten zu können. Weil ich das aus Leidenschaft mache.
Sollte etwas, das man aus Leidenschaft macht, denn nicht auch fair bezahlt werden?
(Nachdenklich.) Ja, doch, eigentlich schon.
Wie viel kostet es, einen Kurzfilm zu produzieren?
Das ist schwierig zu beziffern. Unser Budget sah eigentlich 50’000 Franken vor – was sehr wenig ist für einen Film. Von Storylab vom Migros Kulturprozent habe ich 13’000 Franken für die Entwicklung, also zum Beispiel fürs Drehbuchschreiben, bekommen; dieses Geld durfte ich aber nicht für die eigentliche Produktion ausgeben. Von der Fachstelle Gleichstellung vom Kanton Zürich habe ich 3’000 Franken bekommen. Insgesamt hatte ich also 16’000 Franken zur Verfügung, that’s it. Vom Schreiben bis zur Postproduktion. Sehr viele Leute haben also sehr viel unbezahlte Arbeit geleistet für meinen Kurzfilm.
Und wie lange hast du daran gearbeitet?
Ich rechne immer ab der Eingabe beim Migros Kulturprozent, das war im Oktober 2021. Im März 2023 waren wir fertig. Alles in allem habe ich also knapp eineinhalb Jahre an diesem Film gearbeitet. Natürlich auch deswegen, weil ich wie gesagt nebenbei noch zu 80 Prozent erwerbstätig war, so zieht sich das natürlich in die Länge.
Die 16’000 Franken Fördergelder sind im Vergleich zum Aufwand ein wahnsinnig kleiner Betrag. Hattest du damals noch mehr Förderungen beantragt?
Ich habe es versucht, ja. Aber in der Schweiz läuft das so: Wenn du noch keinen Film vorweisen kannst oder keine eigene Produktionsfirma hast, dann hast du praktisch keine Chance. Leute aus der Branche, die damit Erfahrung haben, sagten mir: «Beim Bundesamt für Kultur musst du gar nicht erst anfragen, bevor du bereits einen Film gemacht hast.» Das BAK ist aber einer der grössten Geldgeber für Filmemacher:innen. Wir haben deshalb bei privaten Stiftungen angefragt, leider hat es auch dort nirgends geklappt. Teilweise haben wir nicht einmal eine Antwort erhalten. Das war schon etwas ernüchternd.
Hattest du andere Erwartungen?
Ehrlich gesagt schon. In meinem Film geht es um sexualisierte Gewalt, wir hatten eine Crew, die nur aus Frauen bestand – ich dachte, das alles entspricht doch eigentlich dem Zeitgeist. Er wäre es doch auch deshalb wert, gefördert zu werden. Und zwar so, dass man ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung hat. Es ist schon paradox: Diejenigen Stiftungen, die sich zum Beispiel für den Kampf gegen Gewalt an Frauen einsetzen, haben selber zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung, um einen Kurzfilm über diese Thematik zu unterstützen.
Dennoch: Momentan bist du angestellt. Hast du schon einmal mit dem Gedanken gespielt, dich als Regisseurin selbstständig zu machen?
Es ist nicht so, dass das für mich per se nicht infrage kommt. Aber ich sehe das sehr realistisch und pragmatisch: In der Schweiz ist es fast unmöglich, als Filmregisseurin Geld zu verdienen. Wenn du nicht auch noch Werbefilme produzieren möchtest, sondern nur Filme für Kino und Fernsehen. Ich bin da nicht sehr optimistisch eingestellt, ehrlich gesagt. Mein Vater und mein Bruder waren und sind selbstständig, deshalb weiss ich, was für ein Kampf das sein kann. Welcher Druck auf einem lastet. Dann spielt Geld eine ganz andere Rolle: Du bist direkt dafür verantwortlich, dass genug reinkommt. Und meine Anstellung gefällt mir sehr gut, daher wird das sicherlich noch eine Weile so bleiben.
Was denkst du: Werden nach dem gigantischen Erfolg von «Barbie» künftig mehr Filme von Frauen gefördert?
Gute Frage. Ich kann mir schon vorstellen, dass dieser Film einen gewissen Einfluss hat und dass sich ganz langsam etwas ändert. Dass immer mehr Regisseurinnen die Chance bekommen, bei grossen Produktionen mitzuwirken. Andererseits: «Barbie» wäre niemals so erfolgreich geworden, wenn er nicht von einer Frau gemacht worden wäre. Und ich frage mich, ob wir jetzt Gefahr laufen, dass es so bleibt: dass Frauen einfach Filme machen, die sich primär an Frauen richten und sich mit feministischen Themen beschäftigen. Oder bekommen Frauen künftig auch die Chance, zum Beispiel Comedy-Filme mit fettem Budget zu produzieren, die sich nicht primär mit dem Leben als Frau beschäftigen, sondern einfach mit dem ganz banalen Leben – so wie es Männer seit jeher tun können?
Was müsste sich ändern, damit Projekte von jungen Regisseurinnen mehr gefördert werden?
Vieles ist strukturell bedingt. Vielen Frauen fehlt nach wie vor der Mut, sich mit ihren Projekten etwas zu trauen. Das liegt aber auch daran, dass wir so sozialisiert werden: dass wir nicht laut sein dürfen, nicht mutig, nicht zu viel verlangen dürfen. Ich werde in den Himmel gelobt dafür, dass ich «einfach mal gemacht» und meinen Film auf eigene Faust produziert habe. Regisseure lobt man dafür nie explizit. Für sie ist das normal.
Und weiter?
Die Filmbranche ist immer noch wahnsinnig männlich. Kürzlich war ich an der Premiere eines Kurzfilms, und als die Credits am Ende des Films über die Leinwand liefen, standen dort nur die Namen von Männern. Und das ist ein grosses Problem: Gerade in einer Branche, in der viel ohne oder nur mit wenig Geld erschaffen wird, läuft vieles über Beziehungen. Man fragt jemanden, den oder die man kennt, für eine Zusammenarbeit an. Und weil diese Bubble so männlich geprägt ist, werden eher Männer angefragt – und kommen so weiter.
Machen Frauen denn anders Filme als Männer?
Die Kamerafrau, die ich bei «Letzte Nacht» dabei hatte, sagte zu mir, sie habe noch nie einen solchen Dreh erlebt wie unseren. Die Stimmung sei anders, angenehmer gewesen als sonst auf den Filmsets. Sanfter. Ich glaube, diesbezüglich machen Frauen schon anders Filme als Männer, ja. Abgesehen davon müssen sich aber einfach Strukturen ändern, damit diversere Filmemacher:innen Förderungsgelder bekommen. Es darf nicht sein, dass man zuerst grosse Erfolge nachweisen muss, damit das nächste Projekt finanziert wird.