Die freischaffende Texterin und Autorin spricht im Money Talk darüber, dass sich linke Kreise oft vor der Diskussion über Geld scheuen – und weshalb ein offener Umgang eigentlich wichtig wäre.

Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
FrankenBitcoin
Hintergrund
Alter:28
Ort:Schweiz & Kolumbien
Beruf:Freie Texterin und Lektorin
Einkommen:ca. 40'000.- pro Jahr
Schulden:keine
Grösster Ausgabeposten:Reisekosten (ca. 1'000.- pro Monat)
Vermögen:Säule 3a

Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?

Seit meiner Selbstständigkeit im Mai 2022 hat sich mein Verhältnis zu Geld ziemlich verändert. Zuvor war es eher negativ geprägt.

Ich merkte, dass mein Leben einfacher wird, wenn ich gut mit meinem Geld umgehen und wirtschaften kann. Über meine Finanzen Bescheid zu wissen, ermächtigt mich.

Weshalb?

Ich hatte immer zu wenig Geld und wollte mich gleichzeitig nicht mit meinen Finanzen befassen. Dann habe ich mich selbstständig gemacht und musste mich gezwungenermassen mit Themen wie Lohn und dem Wert meiner Arbeit auseinandersetzen. Und ich musste lernen, zu planen. Man muss ja die Monate, in denen eher wenige Aufträge reinkommen, irgendwie überstehen. Der Umgang mit Geld hat mir aber ziemlich schnell Spass gemacht. Das hätte ich nicht gedacht.

Erzähl.

Ich merkte, dass mein Leben einfacher wird, wenn ich gut mit meinem Geld umgehen und wirtschaften kann. Über meine Finanzen Bescheid zu wissen, ermächtigt mich. Und ich habe festgestellt, dass man mit Geld ja durchaus auch intelligente Dinge anstellen kann. Deshalb würde ich heute sagen: Ich habe noch immer nicht das perfekte Verhältnis zu meinen Finanzen, aber es hat sich massiv verbessert. Ich spreche heute auch offener darüber.

Woher kam das plötzliche Interesse?

Das hat sicher auch mit meiner Schwester zu tun. Sie ist Fussballkapitänin der Schweizer Nationalmannschaft. Weil der Frauenfussball international in den letzten Jahren professionalisiert wurde, wurden auch der Lohn und die zusätzlichen Einnahmen durch Sponsorings und so weiter höher. Dadurch musste sie anfangen, sich zu informieren. Und das haben wir zusammen getan. Ich habe ein paar Onlinekurse gemacht, Bücher gelesen, recherchiert und angefangen, offen über Geld zu sprechen.

Warum hat dich das Thema Geld vor deiner Selbstständigkeit nicht interessiert?

Ich glaube, vieles hat mit meiner Familie und der Erziehung zu tun. Meine Eltern hatten nie zu wenig Geld, aber halt auch nicht zu viel. Investieren war gar kein Thema, weil dafür kein Geld da war. Aber wir mussten auch nicht streng budgetieren oder sparen. Dadurch fanden aber Gespräche über Geld, Vorsorge oder eben Sparen in meiner Familie praktisch gar nicht statt. Mein persönliches Umfeld spielt hier aber auch eine grosse Rolle.

Inwiefern?

Mein Freund:innenkreis ist sehr links geprägt, und niemand spricht wirklich gern oder offen über Geld. Manchmal habe ich das Gefühl, in dieser Szene ist es schick, das Thema generell abzulehnen. Alles, was mit Geld zu tun hat, ist schlecht. Wer Geld hat oder darüber spricht, ist irgendwie scheisse. Und als ich anfing, offen über meine Finanzen zu sprechen, fanden das, glaube ich, alle ein bisschen seltsam. Ich musste mich oft rechtfertigen, deshalb spreche ich nur noch mit ausgewählten Freund:innen über Geld. Dabei wollte ich vor allem mein Wissen mit anderen teilen. Damit sie auch anfangen können, sich damit auseinanderzusetzen, sich zu ermächtigen und für sich kluge Entscheidungen mit ihrem Geld treffen zu können.

Wie bist du damit umgegangen?

Ehrlich gesagt: Ich musste mich zuerst etwas abschotten. Ich lebe mehrheitlich in Kolumbien, und es war gerade gut, dass ich den Start meiner Selbstständigkeit dort, ausserhalb meiner Bubble, machen konnte. Ich habe angefangen, Daueraufträge einzurichten, habe ein Budget für meine Zukunft erstellt und halte mich bis heute daran. Das ist ja alles nicht aufwendig, aber es gibt mir eine gewisse Ruhe. Und dieses Wissen hätte ich wie gesagt auch gerne an andere weitergegeben. Ich finde aber auch: Alle müssen das in ihrem Tempo machen, man kann niemanden zwingen. Wer das Thema per se ablehnt, bei dem dauert es sicherlich etwas länger. Und wenn noch mehr von meinen Freund:innen irgendwann bereit und interessiert sind, bin ich da, um darüber zu sprechen.

Du hast vorher gesagt, dass man mit Geld kluge Entscheidungen treffen kann. Was sind deine?

Mir ist es wichtig, dass meine Bank möglichst gewissenhaft mit meinem Geld umgeht. Deshalb habe ich mein Konto bei einer alternativen Bank. Ich interessiere mich auch sehr für nachhaltiges Investieren, aber dafür muss ich zuerst etwas mehr Geld zur Verfügung haben. Ein anderes Thema sind Kreditkarten: Damit habe ich mich auch vertieft auseinandergesetzt, für mich sind die Flugmeilen natürlich spannend, weil ich damit unter dem Strich sparen kann. Ich wollte aber natürlich wissen, welche Kreditkartenanbieter die besten Deals haben und was ich als Kundin beachten muss.

Wenn man mehrmals pro Woche in den Apéro gehen kann, dann hätte man schon etwas Geld, das man auch für anderes einsetzen könnte.

Was denkst du, woran liegt es, dass links geprägte Kreise tendenziell ein angespanntes Verhältnis zu Geld haben?

Schwierig zu beantworten. Ich glaube, man hat oft das Gefühl, mit Jobs, die aus linker Sicht sozial und gerecht sind, lässt sich sowieso nicht das grosse Geld verdienen. Das mag zu einem Teil auch stimmen. Aber das bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass alle, die Geld haben, unsolidarisch oder rücksichtslos sind. Ich habe ja auch nicht viel, ich will einfach einen klugen Umgang damit finden. Viele lehnen aber auch das kapitalistische System komplett ab oder finden es spiessig, sich Gedanken über Geld zu machen. Oder aber es ist schlichtweg Faulheit.

Wenn du mit Freund:innen, die nicht weiss sind, über deinen Lohn sprichst, wirst du ziemlich schnell feststellen, welche strukturellen Diskriminierungen hier noch immer herrschen.

Wie meinst du das?

Vorab finde ich es wichtig, zu sagen: Es ist sicherlich ein Privileg, sich überhaupt damit beschäftigen zu können, ob und wie man zum Beispiel investieren soll. Oder wie viel man in die Säule 3a einzahlen soll. Dafür muss man ja etwas Geld übrig haben, das man dafür budgetieren kann. Hier in Kolumbien überlegt sich das zum Beispiel kaum jemand. Aber in der Schweiz verstehe ich bei vielen nicht, dass sie einerseits dieses Privileg kritisieren und andererseits ihr Geld einfach für anderes ausgeben. Wenn man mehrmals pro Woche in den Apéro gehen kann, dann hätte man schon etwas Geld, das man auch für anderes einsetzen könnte.

Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich mich gefragt: Werde ich jetzt zur Kapitalistin? Dabei geht es mir ja nicht darum, mein Geld endlos zu vermehren und reich zu werden.

Ist Geld für dich auch ein politisches Thema?

Ja, sehr! Mit jedem Einkauf, den du tätigst, trägst du ja einen Teil dazu bei, dass ein Unternehmen mehr Gewinn macht. Also kannst du auch beeinflussen, welche Unternehmen diesen Gewinn machen. Und du kannst schauen, dass sie zum Beispiel möglichst nachhaltig sind. Auch Lohntransparenz ist ein anderes, sehr politisches Thema und wichtig für die Gleichstellung und Intersektionalität. Wenn du mit Freund:innen, die nicht weiss sind, über deinen Lohn sprichst, wirst du ziemlich schnell feststellen, welche strukturellen Diskriminierungen hier noch immer herrschen.

Und inwiefern ist es für dich persönlich politisch?

Am Anfang meiner Selbstständigkeit habe ich mich gefragt: Werde ich jetzt zur Kapitalistin? Dabei geht es mir ja nicht darum, mein Geld endlos zu vermehren und reich zu werden. Ich kann das ja gar nicht mit den Dienstleistungen, die ich anbiete.  Aber ich habe das Gefühl, junge Frauen sind diesbezüglich sehr viel strenger mit sich. Dabei ist es gerade für uns wichtig, dass wir uns mit dem Thema Finanzen beschäftigen.

Thema weibliche Altersarmut!

Zum Beispiel, ja. Ich kann erst seit ein paar Monaten in die Säule 3a einzahlen, als Selbstständige ist das ja sowieso noch etwas schwieriger. Aber ich bin schon ein wenig stolz, dass mir das nach nicht mal einem Jahr Selbstständigkeit gelingt: genug zu verdienen, dass ich obendrauf noch etwas extra einzahlen kann, für mich, für meine Altersvorsorge. Das meine ich mit diesem Gefühl der Ermächtigung eben auch.