Frauen sprechen lieber über den eigenen Tod als über Geld, warum ist das so?
Geld ist ein grosses Thema, es ist einschüchternd. Oft mangelt es uns Frauen an Selbstbewusstsein und wir glauben, dass alle anderen besser Bescheid wissen. Viele Frauen haben einen hohen Anspruch an sich selbst, sind Perfektionistinnen. Deswegen schweigen sie lieber zu einem Thema, wo sie Lücken vermuten. Das ist absurd und müsste nicht so sein. Geld managen ist vor allem auch eine kulturelle Frage. In vielen Ländern in Asien zum Beispiel haben die Frauen die Finanzen in der Hand.
Wer hat die Geldgeschäfte denn bei Euch zuhause in der Hand?
Wir beide - ich bin im Lead, wenn es um Investments oder Private Equity geht. Aber es fällt mir nach wie vor immens schwer, darüber zu sprechen. Eben vielleicht auch aus dieser Befürchtung, nicht ernst genommen zu werden - mich steckt man ja schnell in eine andere Schublade. Der Punkt ist, dass ich grundsätzlich kein materieller Mensch bin. Aber Geld ist weit mehr als einfach Mittel zum Zweck. Geld ist die letzte Frontlinie zur Gleichstellung. Darüber müssen wir reden.
Ist das heute also eine Art Wendepunkt?
Ja. Und zwar deshalb, weil ich etwas verändern will und zwar nachhaltig. Und ich kann das nur, wenn wir auch über Finanzen sprechen.
Lass uns Deine persönliche Geldgeschichte anschauen.
Wieviel verdienst Du?
Eine Freundin hat mir gesagt: Sag’ doch nicht, wieviel Du verdienst, sondern, wieviel Du davon weitergibst. Ich finde das einen schönen Ansatz. Also: wir spenden circa 20% unseres jährlichen Einkommens für Zwecke, die wir unterstützungswürdig finden. Das Einkommen setzt sich zusammen aus unternehmerischen Tätigkeiten, Investments, Immobilienerträgen und Dividenden.
Wie hast Du Deinen ersten Franken verdient?
Für meine Mutter habe ich Johannisbeeren geerntet und “abgestüdelet”. Da gabe es 20 Rappen pro Eimer, für den Vater habe ich Sekretariatsarbeiten erledigt. Aber ich glaube ich war 11, als ich mit einer Schülerzeitung das erste Geld verdient habe. Die habe ich produziert und in der Schule für 1 Franken das Stück verkauft.
Wer hat mit Dir als Kind über Geld gesprochen?
Mein Vater hat mich in unternehmerische Planungen früh einbezogen. Er hat mich auch um Rat gefragt - sicher eher symbolisch, aber für mich war das wichtig, ich fühlte mich ernst genommen und hatte Einblick in diese Welt und die damit verbundenen Überlegungen. Mir war früh klar, dass man mit einer Firma nicht einfach Geld verdient, sondern dass da Arbeitsplätze und das Leben von vielen Menschen davon abhängt und diese Menschen auch die Wertschöpfung generieren.
Was bedeutet Geld für Dich?
Ein Privileg. Wer Geld hat, muss sich weniger Sorgen machen. Geld gibt mir eine grosse Freiheit, eine Planungssicherheit. Diese Freiheit, Risiken eingehen zu können. Geld hat mir auch die Freiheit gegeben, Unternehmerin zu sein und etwas zu wagen, mich für etwas einzusetzen, das ich wichtig finde.
Aber…?
Ja, rund um Geld gibt es diese ganzen Verpflichtungen, diese trockenen Pflichten. Geld-Buchhaltung, Budgetplanung, das sind leider gar nicht meine Themen (lacht). Und Geld bedeutet auch Verantwortung.
Also Geld stesst Dich?
Ja, Geld stresst mich extrem. Es ist eine abstrakte Grösse. Unsympathisch. Ich finde, Kapital müsste noch viel mehr sein, als nur Geld. Und ich habe oft ein schlechtes Gewissen, Geld zu haben.
Warum?
Das Bewusstsein ist eine Last. Der Fakt, dass es mir gut geht, führt mir viel stärker vor Augen, wie es anderen nicht gut geht. Natürlich kann man Geld spenden, unterstützen und das tun wir auch - aber auch hier ist das nicht so einfach, wie es tönt. Ich unterstütze gerne gezielt, will wissen, wofür meine Spende eingesetzt wird. Wenn man sich bewusst ist, dass man jeden Tag einen Unterschied machen könnte, setzt das natürlich auch Druck auf.
Dazu kommt, dass es unsichtbare Gräben schafft, wohlhabend zu sein. Menschen und vielleicht auch Freunde sehen Dich womöglich in einem anderen Licht. Sie fragen: Du musst ja gar nichts machen, warum arbeitest Du denn so viel? Einige schlussfolgern vielleicht, alles sei einem zugeflogen, man hätte nie kämpfen müssen. Und dann ist da auch eine implizite Erwartungshaltung - aber vielleicht ist das auch nur ein Bias meinerseits.
Bist Du deswegen aus der Schweiz geflüchtet?
Natürlich nicht (lacht). Aber ganz ehrlich: in den USA gibt es diese Neid-Gesellschaft tatsächlich weniger. Da geht man anders mit Reichtum um, vielleicht hat man sich auch einfach an diese extreme Schere gewöhnt. An dem Ort, wo wir zeitweise wohnen, hat es viele Tech-Millionäre, die sich am Meer ein Haus gebaut haben. Wenn dann der Uber-CEO oder Pierce Brosnan neben Dir ein Kafi holt, ist das kein “Big Deal”.
Hast Du je geerbt?
Ja. Mit 18 schenkte mir der Grossvater einen grösseren Betrag. Diese Summe war für mich damals ungreifbar. Was macht man damit? Es war auch die pure Überforderung. Meine Eltern haben mich dann beraten und gesagt, ich soll das Geld anlegen. Da hörte ich dann erstmals die Begriffe “Allokation” und “Risikoprofil”, aber das Ganze war sehr abstrakt und ich machte halt einfach, was der Kundenberater mir empfahl.
Aber das hat sich geändert?
Ja. Ende zwanzig erhielt ich eine Schenkung. Zuerst hatte ich monatelang das Gefühl, ich müsse die ganze Welt retten. Und ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Immerhin hat es mich dazu motiviert, das Heft selber in die Hand zu nehmen. Allerdings war das dann ein ellenlanger Prozess.
«Diversifizieren», «hedgen», nur schon dieser einschüchternde Jargon.
Warum das denn?
Stell Dir vor als junge Frau eine Vermögensverwaltung zu betreten, wo es regelrecht nach Männern und Testosteron riecht. Ich war eine Exotin. Jung und weiblich. Ich wusste damals nicht, was ein Vermögensberater überhaupt macht. «Diversifizieren», «hedgen», nur schon dieser einschüchternde Jargon. Man kommt sich so dumm vor, ehrlich gesagt, obwohl ich immer “fake it till you make it” durchzog (lacht).
Wurdest Du ernst genommen?
Ich bezweifle es. Mit der Zeit habe ich eigene Ideen geäussert. Vor 13 Jahren wollte ich in Apple investieren, und man sagte mir lächelnd, der Kurs sei schon zu hoch. Ich habe es dann trotzdem “durchgestiert”.
Es ist ehrlich gesagt immer ein bisschen dasselbe - ich passe nicht ins Schema, und muss mich erstmal doppelt beweisen, jedes Mal, wenn ich in einen Raum komme.
Das krasseste Erlebnis hatte ich vor zwei Jahren bei einer Grossbank. Man empfing mich gütig lächelnd und meinte dann, ich solle hier, hier und da unterschreiben, dann sei die Sache geritzt. Als ich Rückfragen stellte, signalisierte man mir sehr stark, dass ich “schwierig” tun würde - du kennst die Tonalität, wenn jemand so ganz bemüht und väterlich “Frau Laeri” sagt, als sei man etwas langsam im Begreifen? - so sprachen die Herren mit mir. Ich habe dann gar nix unterschrieben und alles mit nach Hause genommen, zum Glück. Mit 40ig getraut man sich das (lacht).
Belächeln Dich die Vermögensberater immer noch?
Nein - aktuell fühle ich mich sehr wohl und kommuniziere auf Augenhöhe. Einer hat mir gestanden, dass er mit mir die längste Sitzung seines Berufslebens hatte. Ich wollte irgendwann wirklich wissen, was ich da mache, und wo und wie unser Geld investiert wird: So grün und divers wie möglich. Heute werde ich ernst genommen, wenn ich die Bumble-Aktie will, redet mir das niemand mehr aus.
Aber das war ein langer Prozess?
Ja, seit 10 Jahren versuche ich, mich finanziell zu emanzipieren. Erst seit etwa 3 Jahren wage ich es wirklich, Geld auch anzufassen, es sinnvoll einzusetzen und damit auch in innovative Startups und in die Zukunft zu investieren. Ich war wütend auf mich selber, über mein Nichtstun. Es ist wichtig, Leuten mit guten Ideen zu helfen. Ich unterstütze auch kleinere Firmen und Initiativen, beispielsweise Farmy, Tadah oder Reportagen. Ich glaube, wir unterschätzen den Impact, den wir haben können, wenn wir unser Geld sinnvoll investieren! Schon nur die Wahl der Bank macht einen grossen Unterschied.
Zu diesem Prozess der finanziellen Emanzipation gehört übrigens auch Finanzbildung. Ich habe mich beispielsweise auch in die Steuerthematik eingearbeitet. Das ist mir nicht leicht gefallen.
Was ist Dir wichtig bei den Investments?
Die klassische Rendite steht für mich nicht im Vordergrund. Ich fordere dieses Denken heraus. Eine Rendite kann für mich auch ganz etwas anders sein. Zum Beispiel, dass der Journalismus nicht stirbt oder wir flexiblere Arbeitsmodelle fördern. Man kann nicht alles in Geld bemessen. Ich will eine gesellschaftliche Rendite erwirtschaften. Das ist für mich Rendite - wenn sich durch eine Investition in der Gesellschaft etwas verbessert. Wirft das zudem Geld ab - noch besser, denn das kann re-investiert werden.
Die klassische Rendite steht für mich nicht im Vordergrund. Ich will eine gesellschaftliche Rendite erwirtschaften.
Wie hat Corona Deine Finanzen verändert?
Ich habe in den USA gelebt und habe hautnah miterlebt, wie sich das Leben für enge Freunde komplett verändert hat. Sie hatten keine Versicherungen mehr, konnten nicht zum Arzt. Sie wussten nicht mehr, wie sie die nächste Rechnung zahlen sollen. Und wir haben gleichzeitig am Aktienmarkt profitiert. Das ging für mich nicht auf.
Wer Kapital hatte, der musste im Pandemiejahr nichts machen: es hat sich einfach vermehrt.
Warum dieser kritische Unterton, Du hast einfach smart investiert?
Nein, diese Erklärung macht es Wohlhabenden zu einfach. Wer Kapital hatte, der musste im Pandemie-Jahr nichts machen: es hat sich an den Märkten einfach vermehrt. Ja, ich bin kritisch, genau weil ich nichts gemacht habe dafür. Ich empfinde dies als Chancenungleichheit. Und ich wundere mich darüber, dass diese Ungleichheit nicht viel mehr Menschen in Frage stellen.
Was wäre denn ein Lösungsweg aus dieser Ungleichheit? Kapitalgewinne höher besteuern? Höhere Vermögenssteuern?
Ja, wenn ich das wüsste. Ein anderes Wertesystem, ein anderes “Kapital”? Grundsätzlich ist das so komplex, und hat so viele Aspekte, ich denke nicht, dass es “DIE” Lösung gibt. Natürlich bin ich aber auch skeptisch gegenüber höheren Steuern. Weil es unter Umständen kontraproduktiv sein kann, wie diese Mehreinnahmen dann umverteilt werden. Ich kann es schwer ertragen, dass meine nachhaltig erwirtschafteten Kapitalgewinne dann wiederum über Steuergelder in die Finanzierung von Kampfjets fliessen.
Der grösste Fehler aber ist, sich keine Gedanken über diese Chancenungleichheit zu machen. Geld bringt auch Verantwortung mit sich. Ich bin der Meinung, dass “reich” zu sein auch die Verpflichtung mit sich bringt, sich für jene einzusetzen, die weniger privilegiert sind. Ich glaube nicht an die Meritokratie, so wie wir heute aufgestellt sind. Dafür sind die Ausgangslagen einfach zu verschieden und ungerecht.
Es sei noch eine Frage erlaubt was die Klischees zu Frauen und Finanzen angeht. Sprichst Du mit Frauen und Freundinnen über Geld?
In meinem Umfeld sprechen Männer sehr viel häufiger über Geld. Dieses Muster muss durchbrochen werden. Auch weil wir Frauen so viele gute Ideen haben, wie man diese Welt besser machen kann.
Finden wir auch. Danke für dieses ehrliche Gespräch!