Swipen, Matchen und Verlieben – Online-Dating scheint beliebter denn je zu sein, vor allem bei jungen Menschen. 30 von 100 Personen in der Sendung «Wie tickt die Schweiz» sind oder waren bereits in einer Beziehung mit einer Person, die sie auf einer Dating-App kennengelernt hatten. In einer Umfrage in Deutschland gaben 23 Prozent der Befragten an, bereits eine Dating-App genutzt zu haben. Gemäss einer Umfrage des Pew Research Centers in den USA haben drei von zehn Erwachsene bereits ihr Glück mit Online-Dating versucht. Bei ungefähr der Hälfte davon ergab sich ein erotischer Kontakt oder eine Beziehung. Eine Studie durchgeführt von Dating-Plattformen ergab, dass sich jedes fünfte Paar in der Schweiz heute online kennenlernt – mit steigender Tendenz.
Selbst wenn sich weiterhin viele Paare über gemeinsame Bekannte oder bei der Arbeit kennenlernen, finden sich das World Wide Web und Dating-Apps auf Platz zwei der häufigsten Kennenlernorte. Fazit: The hype is real.
Weshalb Online-Dating?
Viele von uns haben Apps zum Bestellen von Essen, zum Shoppen und um Urlaubsfotos von Freunden anzuschauen. Genauso haben wir Apps zum Daten. Da die meisten täglich ohnehin mehrere Stunden am Smartphone verbringen, scheint es einfach und bequem, auch das Kennenlernen von neuen Menschen über den Touchscreen zu erledigen.
Eine Person im Bus oder in der Bar ansprechen und nach ihrem Insta oder ihrer Nummer fragen? Klingt romantisch, aber gerade für jüngere Menschen ist das cringe bis creepy. Gerade für schüchterne oder introvertierte Menschen sind Dating-Apps eine Chance, ihr Umfeld zu erweitern.
Ein weiterer Vorteil der Apps ist die riesige Auswahl an potenziellen Partner:innen. Besonders in ländlichen Gebieten oder bei der Suche nach bestimmten Eigenschaften in einer Person punktet Online-Dating. Im Profil kann angegeben werden, wonach man sucht. Und da scheint für jede und jeden etwas dabei zu sein – es gibt sogar Kategorien wie «Dating ohne Commitment» oder «kurzfristige Beziehung». Somit erkennt man sofort, wonach die andere Person sucht.
Und schliesslich ist da der Sicherheitsaspekt, insbesondere für Frauen. Auf einigen Apps gibt es die Möglichkeit, sich verifizieren zu lassen. Dadurch wird wahrscheinlicher, dass Tim (21) auch wirklich der ist, für den er sich ausgibt. Seltene Fälle wie den «Tinder-Schwindler» und andere Betrugsmaschen gibt es leider trotzdem, weil auch Cyberkriminelle immer raffinierter werden.
Swipen, Matchen und Verlieben
Wer Online-Dating nicht schon selbst erlebt hat, stellt sich den Ablauf vermutlich etwa so vor: Das Profil des anderen erscheint auf dem Handydisplay, man vereinbart ein Treffen, begegnet sich und ist, zack, verliebt. Sounds delulu. Und ja, es gibt Menschen, die ihren Tinder-Match heiraten. Doch wäre es für alle so einfach, würden manche wohl kaum monate- oder jahrelang ihr Glück auf den Apps versuchen. Und Dating-Apps würden keine Milliarden verdienen mit Personen auf der Suche nach Liebe und Sex.
Gehen wir der Frage nach, weshalb das boomende Geschäft der Datingplattformen funktioniert und welchen Preis Nutzer:innen dafür bezahlen.
Der Mechanismus hinter den Apps
Dating-Apps funktionieren grösstenteils mit Algorithmen. Beim Erstellen des Profils können Nutzer:innen Hobbies, Interessen und für sie wichtige Werte anwählen. Je nach Algorithmen der Plattform kommen Personen mit ähnlichen Interessen, ähnlichen Werten oder Persönlichkeitsmerkmalen zusammen.
Die Apps gehen dabei in ihrer Analyse oft weiter, als das so manchen Nutzer:innen bewusst sein dürfte. So analysieren einige Browser- und Nachrichtenverläufe der Nutzer:innen, verarbeiten und interpretieren diese und lassen die daraus gewonnenen Informationen in die Vorschläge einfliessen. Manche Plattformen schlagen in Chats personalisierte Antwortmöglichkeiten vor. Klingt nach dem perfekten Matchmaker – würden die Algorithmen nicht vorherrschende Vorurteile und Diskriminierung übernehmen.
Da gibt es beispielsweise das sogenannte «Pretty Privilege» – die Vorteile der normschönen Menschen. Dieses Privileg gibt es im echten Leben, aber eben auch im Online-Dating. Hier entscheidet es darüber, wessen Profil einem angezeigt wird. Das Prinzip dahinter ist simpel: Wer normschön ist, hat für den Algorithmus ein «attraktiveres» Profil, erhält mehr Matches, gilt als beliebt und wird öfter angezeigt. Gemäss Studien schlagen Online-Dating-Plattformen beliebte Profile deutlich öfter vor als weniger umschwärmte.
Das tun sie nicht etwa, weil sie nur das Beste für ihre Nutzer:innen wollen. Die Plattformen profitieren stark von beliebten Profilen. Aus zwei Gründen: Erstens schliessen wegen ihnen andere User:innen mehr Abonnemente und In-App-Käufe ab, was den Umsatz der Plattform steigert. Zweitens generieren sie mehr erfolgreiche Matches, sofern die beliebten Nutzer:innen auf der Plattform bleiben. Die Apps haben also nicht nur ein Interesse daran, beliebte Profile bei sich zu haben, sondern auch, dass diese mit keinem ihrer Matches lucky in love sind und immer auf der Plattform weiterswipen.
Versteckt im Kleingedruckten
Dating-Apps geraten aber auch regelmässig in die Kritik, weil sie eine grosse Menge an Daten über ihre User:innen sammeln. Dies mit dem Versprechen: Je mehr Informationen du über dich preisgibst, desto wahrscheinlicher ist der perfekte Match. Erfragte Kategorien sind beispielsweise Religion, Sexualität, politische Haltung, Grösse, Gewicht, HIV-Status oder neuerdings «Sexuallebenserfahrung». Die Mozilla Foundation nimmt die häufigsten Dating-Apps regelmässig unter die Lupe. Die Untersuchung fand heraus, dass zirka 25 Prozent der Dating-Apps auch Metadaten aus hochgeladenen Fotos und Videos sammeln, also beispielsweise Tag und Ort, an dem diese aufgenommen wurden.
Manche Plattformen analysieren die hochgeladenen Inhalte zudem zur Identifikation von Interessen, obwohl man diese als User:in bereits angibt. 64 Prozent der von Mozilla untersuchten Dating-Apps haben in ihren Datenschutzrichtlinien stehen, dass sie «Rückschlüsse» auf den User oder die Userin ziehen. Und erschreckenderweise dürfen 80 Prozent der Dating-Apps die persönlichen Daten der Nutzer:innen für Werbezwecke weitergeben oder verkaufen. Eine katholische Organisation in den USA bezahlte mindestens 4 Millionen US-Dollar an Dating-Apps, um schwule Priester zu tracken und diese Informationen anschliessend mit den Bischöfen zu teilen. Wie viel die Plattformen insgesamt mit dem Weiterverkauf von Daten verdienen, ist nicht bekannt, allerdings kann man allein aufgrund der Summe in diesem einen Fall von Millionen ausgehen.
Die Apps machen all dies übrigens nicht heimlich, das meiste davon steht kleingedruckt irgendwo in den AGBs. Die Nutzer:innen wissen oft nichts davon. Denn ganz ehrlich: Wer hat die Zeit, das Kleingedruckte zu lesen? Vermutlich die wenigsten.
Achtung Data Leaks!
Und dann ist da noch die Sicherheit im Umgang mit den persönlichen Daten. Laut Mozilla hatte ungefähr die Hälfte der untersuchten Plattformen in den letzten Jahren ein Data Leak oder wurde gehackt.
Erst im Frühling klagten über 650 Brit:innen gegen die beliebteste Dating-App in der LGBT+-Community, Grindr. Angeblich hat diese persönliche Daten wie den HIV-Status der User:innen an andere Firmen weitergegeben. Darunter sind auch Tochterunternehmen des US-Konzerns Amazon. Die App sowie das Tochterunternehmen unterliegen als US-Unternehmen dem «Patriot Act», weshalb sie sensible Daten an den US-Geheimdienst weitergeben müssen. Dies birgt ein grosses Sicherheitsrisiko; zum Beispiel wird man bei versteckter Homosexualität erpressbar. In der Vergangenheit wurde die Plattform bereits von der Norwegischen Datenschutzbehörde mit einer Busse in der Höhe von 6.5 Millionen Euro bestraft, da sie gegen die Datenschutz-Grundverordnung der EU verstossen hatte. Die meisten grossen Dating-Apps sind regelmässig aufgrund ihres lockeren Umgangs mit dem Datenschutz in der Kritik.
Im Dating-Business geht es also bei Weitem nicht nur um Matches und Liebe, sondern auch um unethische Algorithmen und wertvolle Daten. Wie die Unternehmen damit Milliarden verdienen, wie sie sonst noch Geld machen und welchen Preis Nutzer:innen dafür bezahlen, liest du im zweiten Teil.