André Krause, Sie sind CEO von Sunrise, haben eine Top-Karriere hingelegt. Liegt das vor allem an Ihrem guten Aussehen?
Danke für das Kompliment (lacht). Natürlich ist ein sympathisches Auftreten hilfreich, um Menschen für sich zu gewinnen. Das Aussehen alleine hätte meine Karriere nicht gestalten können.
Aber um Kund:innen zu überzeugen, half es sicher?
Wenn, dann meine Ausstrahlung, nicht das Aussehen. Ich glaube, dass ich Menschen gut für mich gewinnen kann.
Können Männer wirklich rechnen?
Für mich ist das keine Frage des Geschlechts. Es geht vielmehr um Talent. Wir habe drei Söhne und eine Tochter. Die Tochter kann am besten rechnen.
Wann haben Sie gemerkt, dass sie rechnen können?
Schwere Frage (lacht). Ich war in der Schule in Mathe nicht besonders stark.
Trotzdem war Ihre erste Position bei Sunrise jene des Finanzchefs?
Ich will nicht sagen, dass ich nicht rechnen konnte! Aber es hat mich nicht genug interessiert, um Mathe zu studieren. Heute bin ich gut im Kopfrechnen.
Sie haben mit UPC eine grosse Übernahme gestemmt. Wie haben sie das geschafft?
Immer nur im grossen Team.
Sie haben den Erfolg also eingekauft?
(Bewegt den ganzen Oberkörper entschieden hin und her.) Nein. Ich habe versucht, die besten Leute für das Projekt an Bord zu holen. Für mich in Anspruch nehme ich höchstens, dass es mir gelungen ist, alle zusammenzuhalten und zu begeistern.
Hat Ihnen das Mannsein bereits einmal Vorteile in der Karriere gebracht?
Auf Grossveranstaltungen finde ich es toll, dass die Schlangen vor der Herrentoilette viel kürzer sind ... Aber ernsthaft: Im Gegenteil, ich habe im Moment das Gefühl, dass ich bei einem Jobwechsel als Mann schlechtere Chancen hätte. Aufgrund der zu Recht geforderten Quoten werden derzeit vermehrt Frauen angestellt.
Wer hat Sie gefördert – nur Männer?
Überwiegend, aber nicht nur. Bei Sunrise etwa war Verwaltungsrätin Ingrid Deltenre beteiligt daran, dass ich CEO geworden bin. Auch bei Telefonica gab es Frauen im Management, die für meine Entwicklung eine Rolle spielten.
Fördern Frauen anders?
(Überlegt lange, macht dabei ein ernstes Gesicht.) Ja, weil sie einen anderen Blickwinkel und eine andere Herangehensweise haben – was ich sehr begrüsse. Ich finde auch, dass Frauen in Führungspositionen teilweise richtigerweise mehr fordern. Und sich stärker beweisen wollen.
Wie ist das bei Ihnen: Fragen Sie sich nie, ob Sie das alles können?
Oh doch! Es gibt Situationen, wo ich nachts nicht so gut schlafe und mich frage: Bin ich gut genug vorbereitet? Bisher ist es immer noch gut gegangen.
Was ist ihr Rezept?
Indem ich im Vorfeld eine Struktur, einen roten Faden entwickle. Das kann beim Sport oder am Wochenende sein.
Sie entwickeln am Wochenende Strukturen – dabei haben Sie vier Kinder. Wie soll das denn gehen?
(Er nickt, lächelt verschmitzt.) Das geht nur, weil meine Frau zu Hause den Lead übernimmt. Sie hält den den Hotelbetrieb und die Logistik aufrecht, um alles am Laufen zu halten.
Haben Sie nie ein schlechtes Gewissen?
Doch! Mit vier Kindern ist es mir nicht möglich, bei allen Elternabenden dabei zu sein. Ich fühle mich schlecht, wenn ich von einer Schulaufführung nur das Video sehe und mein Sohn mich fragt: «Papa, warum warst du nicht da?» Oder wenn ich auf Geschäftsreise bin.
Spricht man darüber unter CEOs?
Mich fragen Leute manchmal, warum ich keine Geschäftsessen am Abend mache. Dann sage ich, dass ich mit meiner Familie zu Abend essen will. Da redet man heute schon auch mit anderen Führungspersonen darüber. Ich will meine Kinder ja nicht verstecken, sie machen mir viel Freude.
Was ist wichtiger: Job oder Familie?
Die Familie! Ein Beispiel: Ich war in einer wichtigen Verwaltungsratssitzung und bekam einen Anruf von der Schule, dass unser Sohn einen Stein ins Auge bekommen habe und zum Arzt müsse. Meine Frau war verhindert. Da war für mich klar – ich gehe zu meinem Sohn.
Welche Konsequenzen hatte das?
Ich habe die Sitzung verpasst. Die Welt ist nicht untergegangen.
Wie hiessen Sie eigentlich vor der Heirat?
(Stutzt.) Krause.
Warum haben Sie den Namen Ihrer Frau nicht angenommen?
Meine Frau fand den Namen Krause allerweltsmässig, und wir haben dieses Thema gar nicht gross diskutiert.
Hatten Sie nie Angst, finanziell von einer Frau abhängig zu sein?
Nein, und ich weiss gar nicht, ob ich das schlimm gefunden hätte. Ich habe Bekannte, die Hausmänner sind. Wer in der Familie hauptsächlich den Lead übernimmt, trägt mindestens die gleiche Verantwortung wie ein Manager in seinem Job.
Wie halten Sie ihr Energielevel als Working Dad?
Beim Sport kann ich den Stress aus den Kleidern schütteln und Kraft und Energie für meine Familie tanken. Aber ich gebe zu: Wenn ich einen schwierigen Tag habe, kann ich das zu Hause nicht immer komplett verdrängen.
A propos Kleider, was ist das für ein Look? Ist das noch Ihrem Alter entsprechend, dieser Hoodie und T-Shirt?
(Grinst.) Im Homeoffice trage ich öfters einen Hoodie, im Büro verzichte ich schon lange auf Krawatten, und wenn Sakko, dann meistens mit Rollkragenpullover. Es braucht keine Anzüge, um seine Kompetenz und Seniorität zu beweisen.
Der CEO-Rebel-Look …
(Zieht nur vielsagend die Brauen hoch.)
Was machen sie eigentlich für die Selfcare? Peelings oder Massagen?
Ich setze auf die normale Männerpflege: Rasieren, Feuchtigkeitscrème, Aftershave. Und ich trinke viel Wasser.
Ah, ein Modeltipp!
(Lacht.) Ist das so? Ich trinke eigentlich, weil ich Durst habe.
Wie geht es Ihnen nach diesem Interview?
Mir ist klar, dass viele dieser Fragen nur Frauen gestellt bekommen – zu Unrecht! Gerade etwa die Frage nach dem schlechten Gewissen wegen der Familie. Dazu sollten Männer auch Stellung nehmen müssen.