Nachhaltige Anlagen boomen. In meiner Bubble könnte man denken, es gäbe fast gar nichts mehr anderes. Auch die Wirtschaftsredaktionen erkennen den Zeitgeist. Wer aber die News über nachhaltige Anlagen verfolgt, merkt, dass immer häufiger nicht die Anlagen selbst im Mittelpunkt stehen, sondern die Frage, ob es sich dabei um reines Greenwashing handelt. Greenwashing bezeichnet das mehr oder weniger geschickte Vortäuschen von Nachhaltigkeit, um sich mit einem grünen Deckmäntelchen neue Kundschaft zu erschliessen.
Solche Stories lauten zum Beispiel wie folgt:
«Rosa X verlegte vor Kurzem ihr Anlagekonto auf eine neue, hippe Online-Vermögensplattform. Sie tat das, weil sie ihr Geld in möglichst umweltfreundliche Unternehmen investieren wollte. Als sie jedoch sah, was in ihrer nachhaltigen Portfolio-Option, die angeblich Unternehmen mit hohen Umwelt-, Sozial- und Governance-Standards (sogenannte ESG-Standards) bevorzugte, drinsteckte, war sie entsetzt: Die grössten Anteile in ihrem neuen Portfolio waren nicht etwa Wind- und Solarunternehmen, sondern Bankaktien. Noch schlimmer: Es fanden sich sogar Aktien von Ölfirmen darunter!
Das war nicht das, was sie wollte. Unter nachhaltigen Anlagen hatte sie sich etwas anderes vorgestellt. Sie wollte in Lösungen für den Klimawandel investieren, nicht in eine grün angemalte Version vom Status Quo, in dem altbekannte Unternehmen ihre altbekannten Geschäftsmodelle einfach noch um eine smarte Nachhaltigkeitspolitik ergänzen. Sie entschied sich, ihr Anlagekonto aufzulösen. Offensichtlich war sie Opfer von Greenwashing geworden.»
Wie sich Konsument:innen selbst belügen
Die Kritik richtet sich in der Regel gegen die Banken, weil sie ihre Kund:innen mit missverständlichen Begriffen, diffusen Labels etc. in die Irre führen. Und es stimmt: In einem Boom-Bereich wie dem nachhaltigen Investieren versuchen viele Anbieter, auf den Zug aufzuspringen und ihren Anleger:innen ein gutes Gewissen zu verkaufen. Sie tun das auch dann, wenn der Inhalt der Portfolios nicht wirklich die Welt verbessert. Zumindest nicht so, wie sich das die nachhaltigkeitsbewussten Kund:innen wünschen. Greenwashing eben.
Die Regulierungsbehörden haben das erkannt und bemühen sich, diesem Unfug einen Riegel vorzuschieben. Damit soll verhindert werden, dass die ganze Branche wegen ein paar schwarzer Schafe in Ungnade fällt. Das ist wichtig und richtig so.
Aber wenden wir den Blick doch mal auf uns, die Anleger:innen, statt die Anbieter. Und fragen wir uns ganz ehrlich: Sind es wirklich nur die Banken, die uns «anlügen»? Lügen wir uns nicht alle auch ein bisschen selber an?
Das Öko-Disneyland im Portfolio
Was denken wir denn, wer oder was unser Leben ermöglicht? Wir sitzen in einem soliden Betonbau und erschrecken, wenn wir einen Zementhersteller im Portfolio haben. Wir heizen unsere Wohnung mit Öl auf kuschelige 23 Grad und kreischen bei fossilen Aktien? Wenn es um unsere Finanzanlagen geht, möchten wir uns am liebsten in eine Welt mit lautlos drehenden Windrädern flüchten, mit unsichtbar in die Landschaft eingebetteten Solaranlagen, umgeben von Wiesen mit methanfrei furzenden Kühen, die weder für Milch noch Fleisch herhalten müssen.
Genau diese Welt – böse Zungen sprechen von einem Öko-Disneyland – möchten wir in unserem Aktienportfolio widerspiegelt sehen. Die Vorstellung, dass wir uns die Hände schmutzig machen könnten, indem wir Anteile besitzen an denjenigen Unternehmen, die effektiv einen Grossteil unseres Lebensstils ermöglichen? Ein Alptraum!
Sind wir alle Nimbys?
In den 1980er-Jahren entstand in den USA der Begriff der «Nimby». Nimby steht für «not in my backyard», zu Deutsch: «nicht in meinem Hinterhof». Nimbys sind Menschen, die gerne die Annehmlichkeiten eines modernen Lifestyles nutzen, im eigenen Umfeld aber keine Nachteile in Kauf nehmen wollen. Die Nachteile wälzen sie lieber auf andere Menschen oder Gegenden ab. Sprich: Wir wollen überall und immer Strom, und sogar immer mehr davon, aber sirrende Windräder oder gar radioaktive Abfälle akzeptieren wir nicht in unserer Nähe. Wir wollen fliegen, aber auf gar keinen Fall Fluglärm über unseren Dächern.
Seht ihr, worauf ich hinaus will? Wenn es um unsere Anlagen geht, sind wir doch alle ein bisschen Nimbys, oder besser gesagt «Nimpfs»: not in my portfolio. Wir wollen eine stabile Infrastruktur und eine lückenlose Versorgung mit Produkten und Dienstleistungen, aber wir wollen nichts davon in unserem Portfolio.
Und die Lösung? Es ist nicht einfach. Ich sage nicht, dass wir nicht mehr in grüne Anlagen investieren sollen und dass wir nicht mehr schauen sollen, ob wirklich Nachhaltigkeit drinsteckt, wo Nachhaltigkeit draufsteht.
Aber anstatt nur den bösen Banken Greenwashing vorzuwerfen, sollten wir uns zwischendurch auch mal an der eigenen Nase nehmen und uns fragen: Wie sähe ein Portfolio aus, das meinen frei gewählten Lifestyle widerspiegelt? Wir wären überrascht.