Über Geld spricht man nicht? Doch. Wir reden mit spannenden Menschen genau darüber. Heute mit Kafi Freitag, einer der bekanntesten Bloggerinnen der Schweiz. Ihr Podcast «Kafi am Freitag» ist seit der ersten Folge in den Schweizer Podcast-Charts gelistet. Die Coachin und Unternehmerin spricht mit ellexx offen über ihr Leben mit ADHS, ihre Haltung zu Feminismus und darüber, wie sie mit ihrer Vorsorgelücke umgeht. Fluchwörter inklusive.
Du hast kürzlich in einem Instagram-Post dem Feminismus die Schuld gegeben für die Erschöpfung der Frauen. Dann hast du dich davon distanziert. Warum?
Nein, ich habe mich nicht distanziert. Ich stehe dazu, was ich geschrieben habe, denn ich habe nur abgebildet, was gerade stattfindet. Es hat unglaublich viele Reaktionen ausgelöst von Frauen, die das genau so spüren. Ich beobachte eine Pendelbewegung von einem Extrem ins andere, vom Antifeminismus zum radikalen Feminismus. Mir fehlt in der ganzen Diskussion das Bewusstsein, dass wir uns gerade im Extrem befinden. Frauen, die diese Pendelbewegung nicht mitmachen, werden aktuell von anderen Frauen diskriminiert.
Weshalb diskriminieren Frauen einander wegen Feminismus?
Wir sind alle in Bubbles unterwegs. Menschen können schlecht mit Widersprüchlichkeiten umgehen. Feminismus ist eine Ideologie, und Ideologien lassen wenig Raum für Widersprüchlichkeiten. Da gibt es keine Grauzonen. Ich verstehe, dass es diese Radikalität für Veränderung braucht. Aber ich beobachte, dass viele darin vergessen gehen und sich alleingelassen fühlen.
Bezeichnest du dich als Feministin?
Wenn es darum geht, dass ich Frauen empowere, dann vermutlich ja. Wenn das momentane Extrem in dieser Radikalität Feminismus ist, dann nein. Also ja, ich bin quasi Feministin mit Abstrichen. Wenn ich eine Feministin bin, dann sicher keine ideologische. Ich bin für viele Frauen ein Vorbild mit meiner Art und meiner Arbeit.
Denkst du, dass der Feminismus ausschliesst?
Ja, im Moment schliesst er manche Frauen aus. Das tut mir bisschen weh. Gleichzeitig kann man es nicht allen recht machen.
In Money Talks geht es um Finanzen. Wie wichtig ist dir Geld?
Ich finde Geld so ein geiles Thema. Ich liebe Geld. Ich finde Geld super. Geld und ich haben ein gesundes Verhältnis. Beispielsweise schäme ich mich nicht, Geld zu verdienen. Denn Geld ist eine Form der Wertschätzung. Wenn ich einem Menschen, einer Organisation oder einer Firma mit meiner Arbeit etwas gebe, was sie weiterbringt, dann ist das Geld wert. Ich schäme mich überhaupt nicht, da einen gewissen Preis zu verlangen. Ich bin jeden Franken wert. Und Geld ist für mich auch etwas Spirituelles.
Wie ist Geld spirituell?
Früh in meinem Leben lernte ich: Je stärker ich Geld festhalte, desto verzwickter ist es. Geld kommt erst in einen guten Fluss, wenn ich es bewusst loslasse. Das klingt etwas esoterisch, aber ich lebe nach diesem Konzept. In der Schweiz haben Menschen so viel Geld und gleichzeitig so grosse Angst. Am Geld hängt viel mehr, als uns bewusst ist: Scham, Schuld, schlechtes Gewissen, Angst … Auch positive Gefühle, aber mehr negative. Wenn man das herunterbricht, dann findet Geld eher auf der Gefühls- als auf der rationalen Ebene statt. Die Menschen, die am meisten Geld haben, spüren die grösste Angst.
Ist Geld in deinem Coaching oft ein Thema?
Sehr oft, ja. Auch bei Menschen, die eigentlich mit einem anderen Thema zu mir kommen. Am Ende des Tages spielt Geld meist eine Rolle. Selbstwert und Geld haben auch viel miteinander zu tun. Viele Vernetzungen mit Geld sind auf psychischer Ebene.
Wie gerne sprechen die Menschen mit dir über Geld?
Mit mir sprechen Menschen über alles. Sie schenken mir einen grossen Vertrauensvorschuss.
Warum, glaubst du, ist Geld so schambehaftet?
Weil viel Scham und Schuld daran hängt. In der Schweiz haben wir Unsummen an geerbtem Geld. Wir haben wahnsinnig viele Erbschaftsmillionär:innen. Bei geerbtem Geld muss man stark an sich selbst arbeiten, um den Zugang zu bekommen, dass man das Geld verdient. Weil man es nicht verdient, sondern erbt. Der Wohlstand der Schweiz basiert auf dem Managen von fremdem Geld. Wenn man hinschaut, wie viel Geld davon sauber, ehrlich und lieb ist und wie viel es nicht ist, dann finde ich das erschreckend. Wir als Gesellschaft und als Land haben früh viele Augen zugedrückt, wenn es darum ging, uns zu bereichern. Denn wir haben nicht viel anderes. Wir haben keine Bodenschätze, sind klein und haben keinen Meeranstoss. Ich glaube, das prägt eine Gesellschaft.
Hast du selbst schon mal geerbt?
Nein, und ich werde auch keinen Franken erben.
Mit wem sprichst du über Geld?
Ich spreche mit Freund:innen über Geld, mit meinem eigenen Therapeuten, mit meinem Sohn … Ich spreche mit vielen Leuten über Geld.
Welche Glaubenssätze zu Geld wurden dir als Kind mitgegeben?
Vor allem widersprüchliche ... Dass Menschen mit Geld coole Hechte sind, gleichzeitig aber korrupte Arschlöcher. (Lacht.) Und die Überzeugung, dass man nicht auf anständigem Weg zu Geld kommt. Ich erkannte früh, dass diese Glaubenssätze so widersprüchlich sind, dass es pervers ist.
Denkst du, wir Frauen beschäftigen uns genug mit Geld?
Wenn ich im Coaching Frauen frage, «Musst du denn so viel arbeiten? Seid ihr darauf angewiesen, dass du mit deinem dreimonatigen Baby 90 Prozent arbeitest?», dann bekomme ich oft die Antwort: «Ah, das weiss ich gar nicht so genau, mein Mann macht die Finanzen.» Wenn ich nachfrage, weshalb, dann entgegnen sie, dass es ihnen zu schwierig sei. Ich finde es krass, wie viele Frauen das Gefühl haben, dass sie die Finanzen dem Mann überlassen müssen, weil sie es nicht verstehen würden.
Warum passiert das im Jahr 2024?
Viele Frauen haben das Vorurteil, dass Geld sie nicht interessiert. Wenn ich dann weiter nachfrage, kommen oft Scham und Tabus. Frauen wissen oftmals nicht, wie man mit Geld umgeht und wie man investiert. Da haben Männer ein anderes Standing als Frauen. Ich denke dann: He, Frau, wenn du die Hälfte der Zeit, die du auf Instagram mir beim Leben zuschaust, in ein YouTube-Video zu Finanzbildung investieren würdest, dann wüsstest du innerhalb von drei Tagen Bescheid. Und du fändest dann vielleicht heraus, dass du gar nicht 90 Prozent arbeiten musst. Geld muss einen doch interessieren. Das gehört in die Schule. Eltern können nicht helfen, da sie selbst viele Limitierungen haben. Ich habe kein Geldwissen mitbekommen und musste mir alles selbst beibringen.
Wie hast du deinen Sohn punkto Geld erzogen?
Das frage ich mich auch. Jetzt ist er 20 Jahre alt. Ich werde das erst in zehn bis 15 Jahren sehen. Darauf bin ich gespannt, weil ich es selbst nicht einschätzen kann. Ich war immer sehr transparent. Es gab Zeiten, in denen ich mehr zur Verfügung hatte und wir dreimal in der Woche im Restaurant essen waren. Es gab Zeiten, wo ich weniger zur Verfügung hatte und ihm sagte, dass er in diesem Monat nicht unbedingt Fine Food einkaufen soll. Er hat sicher eine hohe Volatilität mit auf den Weg bekommen. In letzter Konsequenz kann ich es noch nicht sagen.
Spannend.
Ich habe meinem Sohn mitgegeben, dass Geld nichts «Gruusiges» ist. Geld ist neutral. Die Frage ist, was man damit macht. Man darf für etwas, das man erschafft, einen Gegenwert verlangen. Er bekam sicher keine Scham mit auf den Weg. Gleichzeitig bewegt er sich in seiner eigenen Welt und wird von vielen weiteren Menschen sowie von sich selbst geprägt.
Du sprichst offen über deine Neurodivergenz. Wie beeinflusst deine ADHS deine Finanzen?
Ziemlich stark. Als ich vor neun Jahren die Diagnose erhielt und ins Thema eintauchte, erkannte ich Muster im Zusammenhang mit Geld und ADHS.
Zum Beispiel?
Mein krassestes Learning ist aus einem persönlichen Verhaltensmuster. Als ich vor der Abklärung vor grossen Jobs wie einer Keynote oder der jahresabschliessenden Buchhaltung stand, tat ich oft das Gleiche: Ich ging an die Bahnhofstrasse und kaufte etwas Sauteures, das bei mir Schnappatmung verursachte. Beispielsweise ein Paar Schuhe für tausend Franken. Ich verspürte einen erhöhten Puls und war berauscht vom Adrenalinschub. Diesen Schwung nahm ich mit nach Hause und ging arbeiten. Ich hatte immer gedacht, dass ich mich einfach im Voraus belohnen würde. Aber den Mechanismus dahinter realisierte ich erst mit der ADHS-Diagnose.
Wie meinst du das?
Mit dem teuren Kauf hatte ich alle meine Marker erhöht, also Dopamin, Adrenalin, alles. Und diese Erhöhung erzeugen auch die Medikamente für ADHS. Mit dem Kauf stellte ich mich also ein wenig mehr auf neurotypisch ein, um konzentriert zu arbeiten. Das finde ich auch nicht problematisch, weil ich an diesen geilen Luxusartikeln dann 15 Jahre lang Freude habe. Solange man sich nicht verschuldet, sehe ich kein Problem. Wir Menschen mit ADHS haben einfach eine tiefere Impulskontrolle.
Wie spannend.
Die Aussage «zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen» funktioniert bei
ADHSler:innen genau umgekehrt – ich brauche das Vergnügen, um arbeiten zu können. Wie bei Kindern. Dort funktioniert das zum Beispiel, indem man sie zuerst Gamen und danach Hausaufgaben machen lässt. Es geht um das Anheben der Marker.
Wärst du finanziell reicher ohne deine ADHS?
Ich wäre insofern reicher, als dass ich viele Mahn- und Betreibungsgebühren sparen könnte, weil ich zu spät bezahle. Ob ich am Ende des Tages reicher wäre, weiss ich nicht. Menschen mit ADHS haben ein anderes Gefühl für Risiko. Dadurch traf ich früh Entscheidungen, bei denen andere nicht mehr schlafen könnten, weil sie auch spekulativ sind.
Zum Beispiel?
Dass ich früh in Aktien und Krypto investierte. Auf lange Sicht kann ich mir vorstellen, dass sich die Verluste durch Mahnungen mit mutigem Anlegen mehr als aushebeln. Auch das werde ich erst im Nachhinein sehen.
Wie investierst du dein Geld?
Seit einigen Jahren ausschliesslich in Krypto.
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Weil Gleichstellung auch eine Geldfrage ist.
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