Du führst mit wemakeit eine der grössten Crowdfunding-Plattformen Eurpoas und finanzierst damit die Träume der Schweizer:innen. Was ist die Vision dahinter?
Unser Ziel ist, dass jede und jeder ein Projekt umsetzen und finanzieren kann. Es geht um die Demokratisierung von Projektfinanzierungen. Wir wollen Ideen und Kreativität unterstützen. Gleichzeitig wollen wir ermöglichen, dass sich Menschen gegenseitig auch schon ab fünf Franken unterstützen können.
Sind Frauen die erfolgreicheren Crowdfunderinnen?
Ja, in der Tat. Das haben Studien gezeigt. Und wir sehen dies auch auf unserem eigenen Kanal «Shemakesit». Frauen nehmen durchschnittlich 20’656 Franken Kapital auf. Vergleicht man dies mit dem Schnitt aller wemakeit-Projekte, der bei 13’000 Franken liegt, dann sind Frauen rund 60 Prozent erfolgreicher. Seit dem Launch im letzten Jahr konnten so bereits 115 Frauenideen umgesetzt werden. Interessant ist, dass auch viele Frauen unter den Unterstützer:innen sind. Frauen investieren in Frauen.
Wie erklärst du dir diesen Erfolg der Frauen?
Crowdfunding ist etwas Niederschwelliges. Es ist einfach, diesen ersten Schritt zu gehen. Dementsprechend ist es ermutigend, und es spornt die Frauen an. Sie starten mit einem kleineren Geldbetrag. Das gibt das nötige Erfolgsgefühl, um weiterzumachen und grössere Finanzierungen zu stemmen.
An wen denkst du da?
Sieh dir Tadah an, den Co-Working-Space mit Kinderbetreuung. Vier Frauen sind bei uns mit Crowdfunding und einer genialen Kommunikations-Kampagne gestartet. Danach hatten sie den Mut für eine grosse Runde, für eine Kapitalerhöhung. Sie haben genial kommuniziert, ihr ganzes Netzwerk aktiviert und sich passende Partner:innen für Belohnungen gesucht. Schliesslich haben sie auch den Nerv der Zeit getroffen.
Aber lass mich raten: Das Projekt, das am meisten Geld mobilisiert hat, war kein Frauenprojekt?
Nein, das war tatsächlich die Kampagne von Stephan Eicher und hat fast 400’000 Franken eingebracht. Und natürlich unsere eigene, gemeinsam mit der Community lancierte Kampagne für den Impact Fund, die rund 550’000 Franken eingebracht hat. Frauen könnten durchaus noch mutiger sein und höhere Beträge reinholen. Oft werden ihre Projekte nämlich überfinanziert.
Was treibt dich persönlich an?
Mir ist Gleichberechtigung wichtig. Ich habe auch die Initiative Shemakesit mitgegründet. Ich möchte ein Teil einer neuen Wirtschaft sein, diese mitformen und damit Pionierleistung erbringen.
Dazu gehört auch deine Vision, dass Unternehmen, Start-ups und Plattformen allen gehören sollen?
Ja, im Rahmen des laufenden Crowd Takeovers – wir verkaufen die Plattform der Crowd – hat auch unser gesamtes Team Mitarbeiter:innenaktien erhalten. Die Plattform soll allen gehören, auch dem Team. Alle können mitbestimmen. Wir haben flache Hierarchien. Es ist ein gemeinschaftliches Projekt.
Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Ist ein solches System nicht auch enorm konfliktanfällig?
Wir diskutieren viel, zugegeben. Aber dieses System hat den Vorteil, dass man alle Prozesse von Grund auf gut strukturieren und die Rollen genau definieren muss.
Und auch die Löhne transparent macht?
Nicht ganz. Aber wir haben bei wemakeit ein transparentes Lohnmodell ausgearbeitet. Wir finden es nämlich absurd, dass man über Löhne verhandeln muss. Wie wollen ein Modell, das uns entspricht, das transparent, fair und somit für alle gleich ist.
Wie soll das funktionieren?
Zuerst muss man Parameter finden. Bei uns ist das ein Basislohn. Dazu kommt die Erfahrung, und zwar bei der Firma und auf dem Fachgebiet. Auch Verantwortung muss entlohnt werden. Es funktioniert wie ein Punktesystem. Und es zeigt Entwicklungsmöglichkeiten. Wir haben Untergrenzen und Obergrenzen für jede Funktion.
Also Lohnbänder?
Genau. Aber es ist schon interessant, wie viel Diskussionen diese Transparenz auslöst.
Wer hat mit dir in der Kindheit über Geld gesprochen?
In der Schweiz spricht man nicht gern über Geld. Das habe ich beispielsweise in der Primarschule gemerkt. Damals war der Lohn der Eltern ein grosses Tabu.
Und dein Geld?
Ich habe immer Taschengeld erhalten und war relativ früh selbstständig. Ich habe ursprünglich eine Lehre als Polygrafin abgeschlossen – verrückt, einen Beruf, den es gar nicht nicht mehr gibt. Ich hatte also früh meine eigenen Einnahmen, mit denen ich meine eigenen Ausgaben stemmen konnte und mir später auch das Design-Studium an der ZHdK zum Teil selbst finanziert habe. In meiner Bachelorarbeit habe ich dann Mikrospenden im Vergleich zu Crowdfunding untersucht. Am Anfang war wemakeit ja ein Kulturprojekt!
Wie hast du eigentlich deinen ersten eigenen Franken verdient?
Ich habe mit dreizehn Jahren Zeitung ausgetragen. Uff, diese Jobs gibt’s heute auch nicht mehr oft.
Was war der Leitsatz, was hast du dir gemerkt?
Wer den Rappen nicht ehrt, ist des Frankens nicht wert.
Stresst dich Geld?
Teilweise. Ich trage so meine inneren Konflikte mit Geld aus. Ich habe ein gewisses Bedürfnis nach Sicherheit. Und mache mir sehr viele Gedanken über die schwierige Finanzlage anderer, will sie unterstützen.
Wie investierst du?
Erst kürzlich, habe ich erste Aktien erworben, Anteile an einer Brauerei in Oerlikon. Ich bin über den Bekanntenkreis dazu gekommen, es ist eher ein spielerischer Zugang.
Hast du auch Krypto-Währungen?
Ja, ich habe ein paar Coins. Und auch in digitale Rechte an Kunst, NFTs, habe ich investiert.
Also in die spekulativste und riskanteste Anlageklasse. Kryptowährungen sind seit den Hochs letzten Jahres um bis zu 70% gecrasht.
Ja, das ist mir bewusst. Aber ich investiere nur Beträge, die nicht wehtun.
Wo hast du am meisten Geld drin?
In der von mir mitgegründeten Crowdinvesting-Plattform oomnium. Und in wemakeit, woran ich Mitarbeiter:innenaktien besitze. Diese Woche ermöglichen wir es den eigenen User:innen, auch Mitbesitzer:innen von wemakeit zu werden. Ab 336 Franken ist man dabei.
Warum dies, ist das nicht riskant für Investor:innen?
Wir wollen das Pionier:innentum fördern und die erste Crowdfunding-Plattform sein, die der Crowd gehört. Auch das soll demokratisch funktionieren, wemakeit soll vielen kleinen Investor:innen gehören. Es soll ein spielerischer Zugang sein, und wir wollen insbesondere auch Frauen motivieren, ihre vielleicht ersten Aktien zu kaufen. Aber klar: Investieren birgt per se immer das Risiko, auch mal Geld zu verlieren.