Wer eine Familie gründen möchte, macht sich vermutlich nicht als Erstes über die Finanzen Gedanken. Aber: So verkehrt wäre das nicht. Die Kosten, die das Kinderkriegen mit sich bringt, werden oft unterschätzt – und sind leider tatsächlich sehr hoch. Entsprechend müssen sich Paare früher oder später auch mit den finanziellen Aspekten des Elternseins befassen.
Dabei kann Andrea Schmid-Fischer behilflich sein. Sie ist Budgetberaterin bei der Frauenzentrale Luzern und arbeitet für den Dachverband Budgetberatung Schweiz. Sie sagt: «Eine Familie ist fast wie ein kleines Unternehmen, das die Finanzen diszipliniert steuern muss.» Wir haben mit ihrer Hilfe die wichtigsten Punkte zusammengestellt, die Paare bei der Familienplanung in Bezug auf Finanzen beachten sollten.
Worüber sollten angehende Eltern als Erstes sprechen?
Schwangerschaften seien für viele Paare ein Triggerpunkt für Grundsatzfragen, sagt Andrea Schmid-Fischer. Insbesondere gehe es um die Frage, wie ein Paar mit Kindern die Betreuungs- und Erwerbsarbeit aufteilt. «Dabei schwingen natürlich nicht nur Finanzfragen mit, sondern zum Beispiel auch Themen wie die Erholung der Mutter nach der Geburt, die Gesundheit und das Wohlergehen des Kindes oder die Bedürfnisse des Vaters», sagt die Budgetberaterin.
Deshalb sei es für sie wichtig, die angehenden Eltern zuerst nach ihrer Idealvorstellung zu fragen: «Es ist sehr wertvoll, wenn Mütter und Väter ihre Bedürfnisse äussern können und sich nicht in eine Schublade drängen lassen.» Basierend auf dieser Idealvorstellung zeigt Schmid-Fischer Paaren auf, ob und wie sie diese finanzieren können beziehungsweise welche Alternativen sie haben.
Als Fachperson für Finanzen hat Schmid-Fischer einen Hinweis für die Aufteilung der Arbeitspensen: «Aus finanzieller Sicht muss ich beiden Elternteilen empfehlen, langfristig möglichst hochprozentig zu arbeiten, insbesondere wegen der Sozialversicherungsansprüchen und der Altersvorsorge.» Dies schliesse aber keinesfalls aus, dass ein oder beide Elternteile die Erwerbsarbeit temporär erheblich zurückschrauben.
Welche direkten Kosten bringen Kinder mit sich?
Je nach Alter der Kinder kommen unterschiedliche Kosten auf die Eltern zu. Generell setzen sich die Auslagen aus Fixkosten für Wohnen, Versicherung, Gesundheitskosten, Haushaltskosten inkl. Windeln und Babynahrung, Kleider und Spielzeug zusammen, aber auch aus zusätzlichen Budgetposten für Betreuung, Spielgruppe oder Ausbildung bei Jugendlichen und erwachsenen Kindern. Konkrete Budgetbeispiele findest du hier.
Diese Kosten kommen bei Kleinkindern dazu:
- Konsumkosten, wobei viele Eltern gerade bei Kleinkindern verhältnismässig viel Geld für Kleider und Babyzubehör ausgeben, so Schmid-Fischer. Da Kleinkinder vom Lebensstandard der Eltern wenig merken, empfiehlt sie, Secondhand-Angebote zu prüfen.
- Ausgaben für private Betreuungspersonen, Kita, Tagesstrukturen oder Spielgruppen.
- Höhere Prämien für die Hausrats- und Privathaftpflichtversicherung sowie für die Krankenkasse. Für letztere können Familien mit Kindern aber Prämienverbilligungen beantragen.
- Höhere Kosten für sonstige Versicherungen, da viele Paare mit Kindern das Bedürfnis nach mehr Absicherung haben – etwa in Form einer Lebensversicherung.
Diese Kosten kommen bei Kindern im Schulalter zusätzlich zu den Kosten der Kleinkinder dazu, wobei die Betreuungskosten abnehmen:
- Mobilitätskosten wie ÖV-Abos.
- Kommunikationskosten für Internet, Telefon, Streaming-Services.
- Gesundheitskosten (insbesondere für Zahnarzt und Kieferorthopädie).
- Ausbildungskosten. Familien mit Kindern können aber, je nach finanzieller Situation, Stipendien beantragen.
Gemäss dem Zürcher Jugendamt kommen für Paare mit einem Kind im Durchschnitt Kosten in Höhe von durchschnittlich 1’465 Franken pro Monat dazu – notabene ohne Berücksichtigung von Betreuungskosten. Bei zwei Kindern sind es 1’265 Franken pro Kind. Für Alleinerziehende sind diese Kosten höher, weil die Lebenshaltungskosten in kleineren Haushalten generell höher sind und Kinder dadurch finanziell mehr ins Gewicht fallen.
Je nach Alter der Kinder variieren die Kosten. Kinder im jungen Primarschulalter sind am «günstigsten», sofern davor Kosten für eine externe Betreuung angefallen sind. Für drei Tage familienergänzende Kinderbetreuung in einer Kita oder durch eine Tagesmutter pro Woche bezahlt man schnell 1’500 bis 2’500 Franken im Monat. Sind die Kinder älter, fällt dieser Punkt zwar weg, dafür steigen die Konsum- und Ausbildungskosten. Schmid-Fischer ermutigt aber: «Kinder bringen auch Kostenersparnisse mit sich, weil sich die Lebensgewohnheiten der Eltern automatisch verändern. Die meisten Paare geben mit Kindern zum Beispiel weniger Geld für Restaurantbesuche oder teure Ausflüge aus.» Eine Studie des Bundesamtes für Statistik bestätigt, dass die Kosten des ersten Kindes meistens durch diesen sogenannten Wohlstandsverzicht der Eltern gedeckt werden.
Welche indirekten Kosten müssen Eltern einkalkulieren?
Laut Schmid-Fischer sind die indirekten Kosten von Kindern oftmals höher als die direkten. Damit sind vor allem Lohnreduktionen zugunsten von Betreuungsarbeit und die damit verbundenen Einbussen bei den Sozialversicherungen und bei der Altersvorsorge gemeint.
Die Studie des Bundesamtes für Statistik zeigt, dass diese indirekten Kosten nach wie vor, vor allem zulasten der Mütter gehen. Fast 20 Prozent der Mütter geben beim ersten Kind ihre Erwerbsarbeit auf, und drei Viertel der Frauen mit Kindern unter 13 Jahren arbeiten in einem Pensum unter 70 Prozent. Dies hat zur Folge, dass Frauen mit Kindern auch langfristig Lohneinbussen erfahren, selbst wenn sie wieder vollzeiterwerbstätig sind. Dabei reduzieren Frauen in einem Paarhaushalt ihre Arbeitspensen deutlich mehr als alleinerziehende Mütter. Mütter in Paarhaushalten haben mit einem Kind im Durchschnitt 1’000 Franken weniger Lohneinnahmen pro Monat und mit zwei Kindern 1’625 Franken. Bei alleinerziehenden Mütter liegt die Einbusse beim Erwerbseinkommen bei rund 320 Franken bei einem Kind und steigt bei zwei Kindern auf 750 Franken. Anders sieht es übrigens bei den Vätern aus: Selbst alleinerziehende Väter reduzieren ihre Pensen im Vergleich zu anderen Männern nicht erheblich und haben entsprechend im Schnitt auch keine Erwerbseinbussen.
Die Zahlen zeigen: Rechnet man zu den direkten und indirekten Kosten auch noch die Einbussen in der Altersvorsorge dazu, scheint diese eine Million Franken, die laut Medienberichten ein Kind im Durchschnitt kostet, nicht so daneben zu liegen.
Welche Konsequenzen hat es, dass die indirekten Kosten von Kindern meist zulasten der Mütter gehen?
Laut Andrea Schmid-Fischer sind die Erwerbsausfälle, die überwiegend Mütter betreffen, hinsichtlich ihrer Altersrente ein Problem. Denn jedes Jahr ohne Erwerbstätigkeit oder mit tiefem Teilzeitpensum hinterlässt Lücken in der ersten Säule und insbesondere in der zweiten: «Ich sehe darin klar auch ein strukturelles Problem, weil unser Rentensystem im Wesentlichen an Erwerbsarbeit gebunden ist.» Arbeitet ein Elternteil im tiefen Teilzeitpensum, gäbe es die Möglichkeit, dass der oder die Partner:in als Kompensation in dessen dritte Säule einzahlt. Schmid-Fischer betont aber, dass dieser Betrag die Einbussen in der zweiten Säule nie und nimmer wettmachen könne: «Das ist einfach ein Zückerli oder eine Art Anerkennung, aber nicht mehr.»
In der Budgetberatung zeige sich auch, dass viele Eltern sehr gefordert sind, alles unter einen Hut zu bringen. Während andere europäische Ländern eine bezahlte Elternzeit von mindestens 40 Wochen haben, beträgt der Mutterschaftsurlaub in der Schweiz 14 Wochen – der Vaterschaftsurlaub zwei. Schmid-Fischer sagt: «Das führt dazu, dass viele junge Eltern erschöpft sind und gesundheitliche Probleme bekommen. Zudem hat dieses Konstrukt zur Folge, dass die junge Generation stark auf die Betreuungsarbeit der Grosseltern angewiesen ist.» Die Finanzexpertin beobachtet, dass deshalb häufig Grosseltern – auch hier wieder vor allem die Frauen – früher aus dem Arbeitsmarkt aussteigen oder ihre Pensen reduzieren, um ihre Töchter oder Schwiegertöchter zu unterstützen. Dies wiederum führt ebenfalls zu Lücken in deren Altersvorsorge.
Gerade wenn Mütter ihre Pensen stärker reduzieren als Väter, empfiehlt Schmid-Fischer, auch die Form des Zusammenlebens als Paar zu prüfen: «Der hauptbetreuende Elternteil – in der Schweiz in den allermeisten Fällen die Mütter – sind im Konkubinat am wenigsten geschützt. Sofern nichts anderes geregelt wird, sind in der Ehe beide Partner grundsätzlich gleichberechtigt wie auch gleich verpflichtet. Und es gibt eine Transparenzpflicht in Bezug auf die Finanzen. Das ist im Konkubinat freiwillig.» Sie empfiehlt deshalb, Lebensformen nicht basierend auf Glaubenssätzen zu wählen, sondern auf sachlicher Ebene zu prüfen, welche Vor- und Nachteile sie für das individuelle Leben des Paares haben.
Welche Spartipps gibt es für Familien?
Auf staatlicher Ebene solltest du folgende Punkte beachten:
- Je nach Kanton gibt es sogenannte Geburtszulagen – das ist eine einmalige Zulage, die bei der Geburt eines Kindes anfällt.
- Kinderzulagen: In jedem Kanton gibt es eine Kinderzulage von mindestens 200 Franken pro Monat. Anspruch haben alle erwerbstätigen Paare oder Familien mit niedrigem steuerbaren Einkommen (Höhe kantonal unterschiedlich) ab der Geburt des Kindes bis zu seinem vollendeten 16. Lebensjahr.
- Ausbildungszulagen: Diese Zulage gibt es auch in allen Kantonen. Anspruch darauf haben Familien, sobald ein Kind eine nachobligatorische Ausbildung beginnt – zum Beispiel ein Studium. Die Zulage beträgt mindestens 250 Franken pro Monat und wird bis zum Abschluss der Ausbildung ausgezahlt (sofern das Kind noch nicht über 25 Jahre alt ist).
Manche Arbeitgeber:innen, meistens die öffentliche Hand wie der Bund oder die Kantone, zahlen pro Kind zusätzliche Sozialzulagen aus, je nach Arbeitspensum der Angestellten.
Als Familien könnt ihr zudem, je nach Kanton, einige Abzüge bei den Steuern machen:
- Elterntarif: wird dem Paar oder der Person bei den Bundessteuern abgezogen, die das Kind primär betreut.
- Kinderabzug: in allen Kantonen, wobei die Höhe je nach Kanton variiert.
- Fremdbetreuungsabzug, zum Beispiel wenn das Kind in der Kita ist: abziehbar bei der Bundessteuer, wobei die Höhe je nach Kanton unterschiedlich ist.
- Eigenbetreuungsabzug: nur in einigen Kantonen (Zug, Luzern, Wallis).
- Ausbildungsabzug: in allen Kantonen (Höhe variiert).
- Versicherungsabzug für Kinder: bei der Bundessteuer abziehbar.
Wenn die Eltern getrennt leben, steht der Kinderabzug übrigens meistens dem Elternteil mit dem höheren Einkommen zu, sofern beide Unterhaltszahlungen leisten. Wer Alimente bezahlt, muss diese abziehen – wer sie erhält, zahlt Steuern darauf.
Sparpotenziale gibt es auch bei den Versicherungen:
- Je nach Kanton und finanzieller Situation hast du Anspruch auf Prämienverbilligungen bei der Krankenkasse. Beantragen kannst du diese bei der zuständigen Behörde.
- Allgemein lohnt es sich, dein Krankenkassenmodell hin und wieder zu prüfen. Vielleicht gibt es günstigere Kassen, günstigere Modelle oder auch Angebote für Familien.
- Falls du als frischgebackene Mutter eine Zusatzversicherung hast, kannst du prüfen, ob du Stillgeld bekommst. Die Beträge können von 100 bis 250 Franken pro Kind reichen, je nach Versicherung.
- Denk daran, dass du Zusatzversicherungen für kieferorthopädische Behandlungen je nachdem bereits vor dem vierten Geburtstag deines Kindes abschliessen solltest.
- Schliesse wenn möglich immer nur Einjahresverträge für Versicherungen ab, damit du bei Bedarf jährlich wechseln könntest.
Für Freizeitaktivitäten und Ferien gibt es meistens Familienangebote:
- Bei Pro Juventute gibt es günstige Ferienangebote für Kinder zwischen 6 und 16 Jahren.
- Nutze wo immer möglich Angebote für Kinder und Familien, etwa bei Skiliften, Seilbahnen, Museen. Angebote findest du auch auf Familienpass.ch oder Reka.ch.
- Nutze SBB-Angebote wie das Familien-GA.
Was sind die grössten Budget-Killer?
Laut Andrea Schmid-Fischer ist Konsum auf Pump der grösste Budgetkiller. «Geleaste Autos oder Konsumkredite sind so oder so ein Klotz am Bein und bei der Familiengründung definitiv eine zusätzliche Belastung. Generell gilt: Sparen und dann zahlen ist eigentlich immer günstiger als Abzahlen.»
Weiter rät die Budgetberaterin von Versicherungsprodukten ab, die hohe Fixkosten und wenig Flexibilität mit sich bringen: «Das ist vor allem bei Risiko-Sparprodukten der Fall. Ich empfehle, Sparprodukte immer von Versicherungen zu trennen.» Ganz generell empfiehlt die Budgetberaterin, die Fixkosten möglichst tief zu halten, weil dies mehr Flexibilität erlaubt. Deshalb lohnt es sich zum Beispiel auch, die Kosten für Mobilität zu reduzieren, indem man vielleicht auf ein Auto verzichtet.
Wo können Familien finanzielle Hilfe beantragen, wenn das Geld nicht reicht?
Familien, die dauerhaft am Existenzminimum leben, haben Anspruch auf Sozialhilfe. Doch was, wenn das Budget mal temporär in die Schieflage gerät? Schmid-Fischer verweist hier auf den Nutzen einer Budgetberatung. Ein Budget könne oftmals schon helfen, um Gewohnheiten und Sparpotenziale zu erkennen: «Die meisten von uns könnten zum Beispiel locker sechs Monate auf Kleiderkäufe verzichten. Allein diese Sparpotenziale zu erkennen hilft, um in Notfällen schneller handeln zu können beziehungsweise diese Ausgaben zu reduzieren.» Dabei betont sie, dass sie solche Aussagen nicht auf Working-Poor-Familien bezieht, die bei Hundert-Prozent-Pensen keine existenzsichernden Einkommen erzielen können.
Eine Budgetberatung könne aber auch präventiv sehr hilfreich sein, betont die Expertin. Denn: «Ein solides Budget berücksichtigt Rücklagen für schlechte Zeiten. Das Ansparen von drei bis sechs Monatsgehältern in guten Zeiten hilft, bei unvorhersehbaren Notlagen Zeit zu gewinnen und Anpassungen vorzunehmen.»