Persönlichkeit
KnauserigGrosszügig
Sparer:inInvestor:in
HaushaltsbuchBauchgefühl
CashDigital Payment
SparkontoAktien
Hintergrund
Kinder:2
Ort:Zürich
Beruf:Psychotherapeutin, Sexualtherapeutin
Einkommen:Immer unterschiedlich, je nachdem ob ich mehr als Therapeutin arbeite oder mehr meinen Projekten nachgehe
Schulden:Keine, aber erst seit etwa fünf Jahren (ich musste meine Psychotherapie-Ausbildung abbezahlen)
Grösster Ausgabeposten:Gesundheit und Therapien
Vermögen:Sparkonto

Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?

Das ist «work in progress» (lacht). Ich bin relativ arm aufgewachsen. Meine Eltern waren zwar beide Akademiker:innen, aber mein Vater ist, sagen wir mal, kreativ mit der Geldplanung umgegangen. Es gab also oft Zeiten, da assen wir viiiele Kartoffeln. Ich wuchs mit viel Angst und Stress rund ums Thema Geld herum auf, es war ja tatsächlich oft nicht genug da. Während meiner Ausbildung zur Psychotherapeutin habe ich stark daran gearbeitet. Heute geht es mir mit dem Thema Geld immer besser, und die inneren Existenzängste werden immer kleiner. Ganz weg sind sie aber noch nicht. Bis hierhin war es ein sehr langer Prozess.

Hat sich dein Bezug zu Geld verändert, als du von zu Hause ausgezogen bist?

Ich zog fürs Studium nach Bern und bekam von meinen Eltern monatlich einen fixen Betrag. Zusätzlich habe ich daneben ziemlich viel gearbeitet. Dass ich fortan mein Budget selber planen und mein eigenes Geld verwalten konnte, war für mich ein unglaublich befreiendes Erlebnis. Weil es endlich klickte: Mir wurde klar, wenn ich das Prinzip des Geldes verstehen lerne, dann bleibt Ende Monat auch etwas übrig. Geld ist nichts Magisches, das sich einfach so in Luft auslöst. Fairerweise muss ich aber anfügen: Ich hatte damals einen Freund, der mir bei finanziellen Notfällen immer wieder ausgeholfen hat. Wenn etwa die Studiengebühren und die Rechnung für das GA gleichzeitig fällig waren.

Wie hast du es geschafft, diesen schambehafteten Umgang mit Geld zu ändern?

Neben Scham war für mich auch Angst ein starkes Gefühl, wenn es um Geld ging. Wenn du regelmässig die Ängste der Eltern spürst, aber nicht handeln kannst, sondern nur mitbekommst, dass du vieles nicht machen kannst, kann das durchaus eine Art Trauma auslösen. Das ist ja dann eine Mischung aus fiktiver, aber eben auch realistischer Angst: Du hast das einmal erlebt, also könnte es auch wieder geschehen. Daran musste ich extrem aktiv arbeiten. Ich bin die älteste von drei Geschwistern und habe dadurch am meisten mitbekommen, wenn es zu Hause um Geld ging – oder eben darum, dass wir mal wieder keins haben. In meiner Therapie ging es daher oft darum, die verletzten Anteile in mir anzuerkennen und einzusehen, dass ich als Kind und Teenager lange eine Verantwortung tragen musste, die gar nicht meine war. Man stellt sich in der Therapie dieser Angst immer wieder und löst sie dann Schritt für Schritt auf. Und dann baut man eine neue Beziehung zum Thema Geld auf. Es ist übrigens spannend, dass dieses Thema auch heute in meiner Praxis mit meinen Patient:innen immer wieder aufkommt: Das beschäftigt mehr Leute, als man meinen könnte.

Welche Strategien empfiehlst du, um die Angst vor den Themen Geld und Finanzen aufzulösen?

Am Anfang ist es wichtig, zu akzeptieren, dass einem das Thema Angst macht. Es ist immer noch verpönt, über Geld zu sprechen – man hat es, oder eben nicht. Aber anzuerkennen, dass Geld Ängste auslösen kann, und genau hinzuschauen, ist extrem wichtig. Ich vergleiche das gerne mit dem Monster unter dem Bett, vor dem Kinder Angst haben: Solange man nicht zusammen unters Bett schaut und sieht, dass dort bloss der zusammengeknüllte Pulli liegt, wird dieses Monster im Kopf immer grösser. Es bringt nichts, zu sagen: Ich habe doch genug Geld, es ist alles in Ordnung. Man muss genau hinhören und sich fragen, welche Sorgen man hat, wenn es um Geld geht. Wichtig ist auch, auf den Körper zu hören: Wo spürt man einen Knopf, wenn man an Geld denkt? Im Hals, im Bauch? Muss man weinen, oder will man davonrennen?

Und was kann man dann tun?

Ich komme wieder mit dem Monster-Vergleich: Mit Kindern kann man dieses fiktive Monster im Kopf mal genau anschauen und fragen, ob es Stacheln auf dem Rücken hat oder einen langen Schwanz. Gleiches funktioniert, wenn man als Erwachsene Ängste auflösen will: Was macht mir genau Angst? Warum habe ich diese Angst? Dann fängt man an, ganz viel zu verstehen. Dieses Monster genau anzuschauen und festzustellen, dass gar nichts Schlimmes passiert, beruhigt schon mal ungemein. Das ist aber ein relativ langwieriger Prozess, je nachdem, welche Gefühle man mit Geld verbindet; oder eben, ob man gar ein Trauma mit sich trägt.

Dania Schiftan
Es ist immer noch verpönt, über Geld zu sprechen – man hat es, oder eben nicht. Aber anzuerkennen, dass Geld Ängste auslösen kann, und genau hinzuschauen, ist extrem wichtig.

Was passiert denn, wenn man diese Angst nicht auflöst?

Es kann sein, dass man immer wieder zu Übersprungshandlungen neigt. Wenn man ständig das Gefühl hat, zu wenig Geld zu haben – oder auch, wenn es tatsächlich so ist. Eine solche Handlung ist zum Beispiel: Ich kaufe für 700 Franken eine Tasche, jaja, ist doch jetzt egal, ich habe ja sowieso kein Geld. Das ist ein bisschen abstrakt, aber Menschen, die dieses Gefühl kennen, verstehen, was ich meine: Man verschliesst die Augen davor, dass man kein Geld hat, gleichzeitig macht es einem eine solche Angst, dass man sich nicht damit auseinandersetzen will.

Was kann man in solchen Situationen tun?

Sicher niemals die Tasche sofort kaufen! Sondern in den Körper gehen und spüren, wo die Anspannung ist. Das passiert in solchen Momenten nämlich wortwörtlich: Der Körper spannt sich an. Wenn man noch nicht gelernt hat, sich darauf zu achten, merkt man das gar nicht. Also macht man am besten einen Schritt zurück, atmet tief durch und spürt den Körper. Und dann wortwörtlich die Situation verlassen: Yoga machen, Joggen, alles, was den Puls hochbringt und einen in den Flow bringt. Nicht alles zu stark überdenken , sondern den Körper von diesem Stress erlösen. Der kann nämlich nicht unterscheiden, ob das positiver Stress ist oder nicht. Wenn man wieder zur Ruhe kommt, kann man den rationalen Teil des Gehirns wieder einschalten – das wird in solchen Stresssituationen nämlich effektiv heruntergefahren. Dann kann man sich überlegen: Will ich diese Tasche wirklich? Warum und wofür? Ich empfehle, eine Nacht darüber zu schlafen und erst danach zu entscheiden. So fällen wir nämlich einen bewussten, überlegten Entscheid und begehen keine Übersprungshandlung.

Dania Schiftan
Geld spielt eine so grosse Rolle im ganzen Leben, und wenn man die Angst davor nicht genau anschaut, ist man in praktisch allen Lebensbereichen konstant angespannt, ohne es zu merken.


Ich kenne solche Situationen auch, ein sehr bizarres Gefühl. Warum macht man das?

Das geschieht oft, wenn die innere Spannung zu gross wird und man gleichzeitig ein Verlangen unbedingt erfüllen will. Um beim Beispiel mit der Tasche zu bleiben: Du möchtest sie unbedingt haben, kannst sie dir aber eigentlich nicht leisten. Das erinnert dich vielleicht daran, dass du dich eh schon lange mit deiner Beziehung zu Geld auseinandersetzen solltest – aber du hast solch grosse Angst davor, dass du es immer wieder wegschiebst. Indem du die Tasche einfach kaufst, erhoffst du dir unterbewusst, dass diese Angst weggeht, und du wünschst dir vielleicht auch, dass diese Tasche andere Emotionen beruhigt. Zum Beispiel das Gefühl, dazugehören zu wollen. Das funktioniert ja auch im Moment, man hat dabei sogar noch ein Glücksgefühl, aber langfristig bringt es natürlich nichts. Im Gegenteil. Man macht vielleicht sogar Schulden wegen solcher Übersprungshandlungen und hat dann erst recht kein Geld. Das Angstgefühl wird dadurch natürlich nicht besser. Es wurde bloss für fünf Minuten beruhigt. Um das aufzulösen, braucht es viel und vor allem vorsichtige Arbeit an sich selbst.

Also ist Angst vor Geld durchaus ein Grund, in Therapie zu gehen?

Oh, auf jeden Fall. Viele Leute haben das Gefühl, es sei nicht wichtig, nicht «schlimm» genug, Angst vor dem Umgang mit Geld zu haben. Man sagt sich zum Beispiel: «Tu doch nicht so schwierig, immerhin hast du einen Lohn. Es ist lächerlich, so emotional zu empfinden, wenn es um Geld geht.» Aber das stimmt definitiv nicht, es ist eben nicht lächerlich. Geld spielt eine so grosse Rolle im ganzen Leben, und wenn man die Angst davor nicht genau anschaut, ist man in praktisch allen Lebensbereichen konstant angespannt, ohne es zu merken.

Welche neuen Gefühle in Bezug auf Geld hast du dir selber antrainiert?

Zuallererst: Ich verstehe Geld, ich blicke durch. Ich habe ein Gefühl für mein Budget, ich weiss ungefähr, was wie viel kostet, und ich sehe, dass ich mir Dinge leisten kann, die mir wichtig sind. Das macht die Angst, die immer noch übrig bleibt, berechenbarer. Ausserdem habe ich gelernt, Geld gernzuhaben. Im Sinne von: Geld ist nicht nur eine Bedrohung, sondern es kann mir auch helfen. Es ermöglicht mir, meine Praxis einzurichten, wie es mir gefällt, und selbstständig zu sein. Ich konnte mir lange nicht vorstellen, nicht fest angestellt zu sein, weil ich dachte, ohne fixen Lohn könne ich nie überleben. Das habe ich alles in den vergangenen Jahren in vielen verschiedenen Therapien immer wieder angeschaut und bearbeitet. Dann kam aber noch eine Challenge gegen Ende der Ausbildung.

Was für eine Challenge?

Ich wurde ungewollt schwanger. Da wurde ich panisch. Ich dachte: «Jetzt ist alles vorbei, und ich werde meine Schulden niemals abbezahlen können.» Das habe ich dann intensiv in der Therapie bearbeitet. Da ging es nochmals sehr stark um die Fragen: Was sind reale Ängste, welche sind fiktiv? Was kann ich beeinflussen und was nicht? Wo brauche ich Rat von einer Finanzplanerin? Das war sehr viel Arbeit, aber sie hat sich gelohnt.

Du hast zwei Kinder. Welche finanziellen Leitsätze gibst du ihnen mit auf den Weg?

Meine Eltern hatten beide einen von Angst geprägten Hintergrund, wenn es um Geld ging, und ich glaube, es macht wahnsinnig viel aus, dass ich selber keine Angst mehr davor habe. Alles, was ich durch Therapie bei mir selber lösen konnte, hat auch einen Einfluss auf meine Kinder. Das Wichtigste, was ich meinen Kindern mitgeben möchte, ist ein entspannter Umgang mit Geld – und dafür muss ich diese Entspanntheit zuerst selber fühlen.

Und wie stellst du das genau an?

Sie bekommen Taschengeld, und wir schauen zusammen, wie sie es ausgeben. Es ist mir wichtig, dass sie lernen, was wie viel kostet und vor allem inwiefern sich diese Kosten unterscheiden können. Mein Sohn ist jetzt in der fünften Klasse, und neben seiner Schule hat es einen Kiosk, bei dem die Süssigkeiten natürlich dreimal so teuer sind wie im normalen Handel. Wir haben zusammen angeschaut, wie sich die Preise von diesem Kiosk von denen der Migros unterscheiden und verglichen, wie viel er in der Migros für das gleiche Geld kaufen könnte. Und gleichzeitig möchte ich meinen Kindern auch beibringen, dass es Dinge gibt, bei denen der Preis egal ist.

Zum Beispiel?

In meiner Welt sind Gesundheit und Medizin wichtig. Wenn man es braucht, geht man in die Therapie, zum Beispiel. Und wir essen lieber dreimal hintereinander Spaghetti, als dass wir nicht zum Arzt gehen. Das ist ein Wert, der mir sehr wichtig ist und den ich meinen Kindern mitgeben möchte.

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