Welches Gefühl löst Geld bei dir aus?
Das kommt ein bisschen darauf an, ob man mich als Privatperson oder als Unternehmerin fragt. Privat habe ich ein relativ entspanntes Verhältnis zu Geld. Es ist für mich ein Mittel zum Zweck. Und es erlaubt mir Freiheit. Als Unternehmerin hingegen ist mein Verhältnis zu Geld schon weniger entspannt. Ich habe drei Teilzeitangestellte und bin Ende Monat für deren Lohn verantwortlich.
Wer hat mit dir zu Hause über Geld gesprochen?
Bei mir zu Hause wurde nicht so viel über Geld gesprochen. Das einzige Geldthema bei uns war Sparen. Wenn wir Kinder zu Weihnachten oder zum Geburtstag einen grösseren Batzen bekommen haben, zum Beispiel ein 50er-Nötli, dann durften wir das nicht ausgeben. Wir mussten es aufs Sparkonto legen und durften uns eher selten etwas Grösseres von diesem Geld kaufen. Jedenfalls bin ich sehr bescheiden aufgewachsen. Bei uns wurde Geld eigentlich nur für Dinge ausgegeben, die man wirklich braucht. Und für Ferien alle zwei Jahre. Entsprechend ist dieses Sparen noch immer sehr in mir drin. Noch heute ist es mir wichtig, dass ich Geld auf der Seite habe, falls mal schwierigere Zeiten kommen.
Mit wem sprichst du heute über Geld?
Mit meinem Partner spreche ich viel über Geld, aber auch mit meinen Freundinnen. Ich frage sie zwar nicht unbedingt nach ihren Löhnen, aber zum Beispiel, was sie mit ihrem Geld machen. Ich tausche mich gerne mit meinen Freundinnen darüber aus, wie sie ihr Geld anlegen. Diesen Austausch hatte ich zu Hause gar nicht – wie gesagt, bei uns wurde Geld gespart und nicht investiert. Deshalb hatte ich lange keinen Bezug zum Investieren.
Investierst du dein Geld also heute?
Ich versuche es, ja. Investieren war für mich aber lange negativ konnotiert, entsprechend hatte ich Hemmungen. Und wie gesagt, ich wusste auch lange gar nicht, wie das geht. Heute ist meine Einstellung etwas anders. Ich lege nur Geld an, das ich die nächsten zehn Jahre nicht brauche. Die Märkte können immer fallen, das ist ja auch jetzt gerade so. Deshalb muss man Geduld haben, langfristig rentiert sich das sicher. Und ganz ehrlich, ich kaufe auch nicht selbstständig Aktien oder so. Dafür interessiert mich das Thema dann doch zu wenig. Ich lasse mein Geld von einer Bank verwalten.
Wofür gibst du am meisten Geld aus?
Man würde denken, für Kleider (lacht). Aber das ist nicht so, ich bekomme nämlich sehr viele Kleider gesponsert oder ausgeliehen. Ich gebe vermutlich fast am meisten Geld für Restaurantbesuche aus. Ich koche überhaupt nicht gerne und gehe deshalb häufig mit meinem Partner aus. Neben der Miete ist das der grösste Ausgabeposten.
Jetzt doch noch die Frage: Wie viel Geld gibst du als Fashion-Expertin und Influencerin für Kleider aus?
Das ist echt eine gute Frage. Ich habe keine Ahnung. Lass mich mal überlegen. Habe ich im August etwas gekauft? Ja, da habe ich vielleicht so 300 Franken ausgegeben für Kleider. Aber die Ausgaben sind natürlich nicht jeden Monat gleich. Manchmal kaufe ich kaum etwas oder nichts und gebe entsprechend wenig aus. Manchmal kaufe ich eine teure Tasche, und dann ist es mehr.
Wie war das am Anfang deiner Influencer-Karriere? Hast du da mehr Geld für Kleider ausgegeben?
Ja, das ist sicher so. Jetzt habe ich halt auch schon viele Kleider im Schrank. Die ganzen Basics habe ich schon, dafür muss ich kein Geld mehr ausgeben. Früher habe ich auch die ganzen Trends mitgemacht. Ich habe 2011 angefangen mit meinem Blog. Da war ich 20 Jahre alt und habe in Billigläden Unmengen an Kleidern gekauft. Das ist heute sicher anders. Ich kaufe viel weniger und bewusster ein, dafür aber ab und zu teure Sachen.
Was ist deine Vorstellung von Luxus?
Zeit ist für mich Luxus. Aber auch finanzielle Freiheit ist Luxus, weil man dann das machen kann, worauf man Lust hat. Selbstständig zu sein, ist für mich ein sehr grosser Luxus. Ich kann jetzt Mami sein und gleichzeitig arbeiten. Das ist zwar tricky, aber ich kann meinen Sohn bei mir haben und trotzdem arbeiten. Ich kann mal einen Tag frei machen und dafür am Wochenende arbeiten.
Du hast 2011 mit deinem Fashion-Blog angefangen. Erinnerst du dich noch, wann du damit das erste Mal Geld verdient hast?
Bei den allerersten Anfragen habe ich kein Geld bekommen, sondern Kleider. Dafür habe ich im Gegenzug Posts mit diesen Kleidungsstücken gemacht. Das waren am Anfang ganz schlimme Shops, also solche Whole-Sale-Shops aus China. Damals war das natürlich megacool, im Nachhinein ist das nicht mehr ganz so cool. Aber das erste Mal Geld verdient ... Hm, ich würde sagen so nach zwei Jahren. Aber nicht riesig viel. Ich war damals noch sehr jung und kannte den Marktwert von einem Post noch nicht. Dementsprechend habe ich auch wenig verrechnet.
Du hattest damals auch noch einen anderen Job, oder?
Genau. Ich habe während meiner Lehre als Polygrafin mit dem Fashion-Blog angefangen. Dann habe ich die Berufsmaturität nachgeholt und anschliessend als Art Director in einer Werbeagentur gearbeitet. Nebenbei habe ich dann noch ein Studium in Visueller Kommunikation gemacht. Ich erinnere mich noch, wie ich 2017 während meines Abschlusssemesters von Montag bis Donnerstag als Grafikerin gearbeitet habe, am Freitag und Samstag ganztags in der Schule war und am Sonntag den ganzen Tag für meinen Blog geshootet habe. Da habe ich gemerkt, dass ich so keine guten Abschlussnoten im Studium schaffe. Ich bin eine sehr ehrgeizige Person (lacht). Deshalb habe ich dann meinen Job als Grafikerin gekündigt und damit auch den besten Abschluss in meinem Jahrgang geschafft.
Konntest du da also schon von The Fashion Fraction leben?
Ich hätte schon vor 2017 davon leben können. 2017 habe ich mit The Fashion Fraction schon mehr verdient als mit meinem Vollzeitjob. Ich hatte dann einen doppelten Lohn, das war schon cool. Ursprünglich dachte ich auch, dass ich später wieder als Grafikerin weiterarbeiten würde. Es war gar nicht unbedingt mein Ziel, nur als Selbstständige zu arbeiten. Aber es gefiel mir so gut, dass ich fünf Jahre später noch immer selbstständig bin.
Hat es damals trotzdem viel Mut gebraucht, um deinen anderen Job zu kündigen und alles auf dein eigenes Business zu setzen?
Der Schritt war für mich sicher kleiner als für jemanden, der bei null anfängt und am Anfang von seinem Ersparten leben muss, um sich über Wasser zu halten. Ich wusste immerhin schon, dass jeden Monat etwas reinkommt. Das kann aber stark variieren, auch heute noch. In den Monaten November und Dezember generiere ich ein Drittel meines Jahreseinkommens. Aber dadurch, dass ich das Business schon seit ein paar Jahren kannte, konnte ich mir mein Geld besser einteilen. Das hat gut funktioniert, ich wurde ja zum Sparen erzogen (lacht). Aber es hat trotzdem Mut gebraucht, nicht nur aus finanzieller Sicht. Ich kannte niemanden, der das gemacht hat. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Plötzlich hatte ich keine Routine mehr und ging am Morgen nicht mehr ins Büro.
Seit 2014 bist du auch auf Instagram. Hat das deine Einnahmen gleich massiv erhöht im Vergleich zum Blog?
Nein, nicht unbedingt. Der Blog lief damals schon sehr gut und war einer der grössten in der Schweiz. Aber bei den Firmen wurde Instagram immer beliebter, da die Reichweite besser sichtbar ist. Auf Instagram siehst du die Anzahl Follower:innen und die Likes. Beim Blog waren die Firmen auf meine Statistiken angewiesen, um mehr über die Reichweite zu erfahren. Es kamen also immer mehr Anfragen für Instagram, und so habe ich irgendwann auch Instagram angeboten. Am Anfang liefen noch viele Aufträge über den Blog und Instagram zusammen. Dann waren Blogs nicht mehr in, und seit 2017 mache ich nur noch Instagram.
Wie wählst du Kollaborationen oder Anfragen aus?
Also zum einen muss natürlich die Marke beziehungsweise das Produkt zu mir passen. Dadurch fällt schon vieles weg, ich kriege schon auch viele komische Anfragen. Ich habe zum Beispiel keine Lust, Werbung für einen Diätshake zu machen. Das Produkt interessiert mich nicht, und ich kann auch nicht dahinterstehen. Also das ist auf jeden Fall mal die Grundlage, damit überhaupt eine Verhandlung entsteht. Danach fällt ein Teil weg aus finanziellen Gründen, also wenn ein Brand zu wenig Budget hat. Und manchmal habe ich auch zu wenig Zeit, oder der Brand will mir zu viele Vorgaben machen, wie ich die Posts umsetzen muss.
Die Umsetzung machst du also immer selbst?
Ja, mir ist es wichtig, dass ich Posts so machen kann, dass sie zu mir und meinem Kanal passen. Das macht ja auch Sinn. Meine Follower:innen folgen mir, weil ihnen mein Content gefällt. Ich bin kein Model und präsentiere ein Kleidungsstück, sondern mein Kanal ist sehr persönlich. Schlussendlich ist es meine Stärke, die persönliche Bindung zu meiner Community aufzubauen. Und die merkt ja auch, wenn ich Werbung auf eine Art mache, die nicht zu mir passt.
Wie viel verdienst du heute pro Werbepost auf Instagram?
Es sind sehr unterschiedliche Komponenten, die eine Einnahme pro Post definieren. Zum einen ist das immer Verhandlungssache. Brands wollen das günstigste Angebot, deshalb muss man eigentlich immer verhandeln. Es war lange so, dass man pro 1000 Follower:innen zirka 10 Franken pro Post erhalten hat. Im letzten Jahr hat sich der Algorithmus auf Instagram aber stark geändert. Dadurch ist die Reichweite pro Followerzahl kleiner geworden. Deshalb sind die Preise jetzt auch ein bisschen tiefer, der Wert ist halt die Reichweite und die Stärke der Community. Dann habe ich mit gewissen Partnern noch langfristige Verträge. Darin sind die Anzahl Posts, Stories, Events und Bookings für Shootings definiert. Die Preise sind entsprechend auch günstiger in einem Package. Aber grundsätzlich ist bei mir jede Art von gesponsertem Content im vierstelligen Bereich.
Du hast noch ein zweites Unternehmen, das Unterwäsche herstellt. Wie kam es dazu?
Als ich damals 2017 meinen Job gekündigt habe, dachte ich mir: Dieses Instagram-Business mache ich jetzt mal so zwei Jahre, danach wird das vermutlich nicht mehr laufen. Instagram ist so schnell gross geworden, die Plattform kann genauso schnell wieder weg sein. Vor zwei Jahren hatte ein Post mindestens 20'000 Likes. Heute bin ich froh, wenn ich auf 1500 komme. Entsprechend sind meine Einnahmen auch kleiner geworden – zum Glück nicht ganz so extrem. Aber eben, man ist halt abhängig von einer Plattform. Deshalb fand ich es mega wichtig, mir ein zweites Standbein aufzubauen. Und ich wollte auch eine neue Herausforderung.
Weshalb macht es Sinn, als Influencerin eine eigene Marke aufzubauen?
Ich konnte meinen eigenen Kanal, also meinen Instagram-Account, nutzen, um meine Produkte zu vermarkten. Das war auch der Grund, warum ich mich damals getraut habe, Leonessa Lingerie zu gründen. Das Risiko ist halt schon kleiner, wenn man nicht bei null anfängt und schon eine Werbeplattform hat.
Wie hast du Leonessa Lingerie finanziert?
Das war alles Eigenkapital. Ich wollte, dass es mein Brand ist und mir niemand reinredet. Ich wollte auch zuerst mal schauen, ob mir das überhaupt Spass macht. Eine externe Finanzierung hätte viel mehr Druck bedeutet, und das wollte ich nicht.
Mit welcher Firma verdienst du heute mehr Geld?
Vom Umsatz her ist Leonessa Lingerie stärker, aber ich habe halt viel mehr Ausgaben. Bei The Fashion Fraction habe ich ja kaum Ausgaben. Da habe ich kaum Fixkosten, ausser für die Mehrwertsteuer und so. Bei Leonessa Lingerie habe ich Produktionskosten, Marketingkosten, Versandkosten, Lagerkosten und so weiter. Und ich beschäftige drei Mitarbeiter:innen, weil ich nicht alles selber stemmen kann. Bei Leonessa Lingerie zahle ich mir selber noch keinen Lohn aus. Ich investiere alles in die Firma.
Kümmerst du dich selbst um die Finanzen?
Ja, das mache ich tatsächlich noch selber. Ich mache mir einen Budgetplan Anfang Jahr und setze mir Umsatzziele. Dann mache ich Budgetpunkte für PR, Adds, Löhne und so weiter. Aber ich habe keinen BWL-Background. Ich bin eher ein kreativer Mensch und brauche langfristig sicher Hilfe mit den Finanzen, wenn das Unternehmen wachsen soll und die Finanzen komplizierter werden.
Die Arbeit von Influencer:innen wird oft nicht ganz ernst genommen. Inwiefern ist das Influencer-Dasein mit dem Unternehmertum vergleichbar?
Influencerin klingt halt einfach schon negativ – der Begriff ist unglücklich gewählt. Ich stehe ja nicht jeden Morgen auf und denke: Wie kann ich heute Leute beeinflussen? Es geht eher ums Inspirieren. Und ja, als Influencer:in bist du auf jeden Fall Unternehmer:in. Du musst deine eigenen Verhandlungen führen. Du musst deine Kund:innen zufriedenstellen. Du musst je nachdem auch Kund:innen akquirieren. Das ist extrem viel Arbeit, und diese Arbeit sieht man nicht. Ich kann es sogar verstehen, dass die Leute denken: Was, du kriegst für ein Foto einen vierstelligen Betrag? Diese Leute vergessen dann aber, dass ich jeden Tag Content hochladen muss, auch wenn er nicht bezahlt ist. Und dass ich mich pausenlos mit der Community austausche. Die grösste Arbeit ist der Aufbau und Unterhalt der Community – nicht die Umsetzung eines gesponserten Posts. Diese Preise zahlt man halt auch für den Aufbau und Unterhalt der Community.
Hast du Geld-Ziele?
Hm, manchmal frage ich mich natürlich schon, wofür spare ich eigentlich? Ein Traum wäre sicher einmal ein eigenes Häuschen. Und als Unternehmerin möchte ich natürlich Leonessa Lingerie grösser machen.
Du bist gerade Mutter geworden. Welche Einstellung zum Thema Geld möchtest du deinem Sohn mitgeben?
Ich möchte ihm sicher auch Sparen beibringen. Eigentlich bin ich ja meinen Eltern sehr dankbar, dass ich gelernt habe, zu sparen. Hätte ich kein Erspartes gehabt, wäre die Selbstständigkeit viel schwieriger gewesen. Aber ich würde ihm schon mehr ans Herz legen, dass er Geld auch investieren soll. Nur Geld auf der Bank liegen zu haben, bringt nicht viel. Und natürlich ist es auch wichtig, dass man sich ab und zu etwas gönnen darf. Wir leben ja nicht, um zu arbeiten, sondern arbeiten, um zu leben.