Ich muss zugeben: Dieser grandiose Titel stammt nicht von mir, sondern von einem Post einer wunderbaren Frau aus meiner Social-Media-Bubble. Er ist jedoch so treffend für das, was gerade um mich herum passiert, dass ich ihn mir ausleihen musste (danke, Katrin!).

Von der berühmt-berüchtigten «Besinnlichkeit», die sich mit der Vorweihnachtszeit angeblich einstellen soll, war in meinem Working-Moms-Umfeld noch nie etwas zu spüren. Eher bricht jedes Jahr aufs Neue die Advent-Apokalypse aus, in der viele von uns wie Zombie-Mütter ferngesteuert von Termin zu Termin und Laden zu Laden hetzen. In diesem Jahr, dem ersten nach der Heilung meiner Erschöpfungsdepression, fällt mir auf, wie absurd das Ganze eigentlich ist.

Kaum kündigt sich der Winter an, geht das vorweihnachtliche Rotieren los. Neben dem ganz normalen Alltagswahnsinn, den die Verbindung aus Lohn- und Care-Arbeit mit sich bringt, wird die elendige Mental Load nun zusätzlich ergänzt durch: Adventskalender, Samichlaus-Strümpfe, Guetzle, Geschenke, Weihnachtswichtel, Weihnachtsmenü, Grosseinkauf für die Feiertage und so weiter. Und das in der Hochsaison für Virusinfekte, in der es entweder unsere Kinder, uns selbst oder gleich alle ins Bett wirft.

Julia Panknin
Schon seit ein paar Jahren ist es zum Beispiel Mode, dass Mama den Adventskalender selber bastelt. Wir suchen also freiwillig 24 weitere Geschenke pro Kind (!!!) und packen diese auch noch einzeln ein.

Das alles passiert zudem in der Zeit im Jahr, in der es in den meisten Lohn-Jobs nochmal richtig zur Sache geht. Alles soll «noch schnell» fertig werden, damit wir die Feiertage geniessen und danach «frisch» ins neue (Arbeits-)Jahr starten können. Haha. Wenn Weihnachten und die Ferien der Kids vorbei sind, bräuchten wir erstmal vier Wochen Urlaub auf einer einsamen Insel (ohne die Kinder!), um uns von dem ganzen Stress zu erholen und uns auch nur ansatzweise wieder «frisch» zu fühlen. Da das aber nur den wenigsten von uns möglich ist, werfe ich hier mal eine ernstgemeinte Frage in die Runde, für die frau sich gerne ein paar Minuten zum Nachdenken nehmen darf, bevor sie weiterliest:

Warum tun wir uns das an?

Meine Antwort lautet: Weil wir DENKEN, dass wir das müssen.

Müssen wir aber nicht. Und sollten wir in diesem Umfang mit Blick auf unsere Gesundheit auch nicht. Die Gesellschaft will uns jedoch vom Gegenteil überzeugen und ist leider immer noch verdammt erfolgreich damit, weil sie bei uns auf offene Ohren stösst.

Warum?

Unsere Eltern leb(t)en häufig noch die klassische Rollenverteilung: Papa geht in Vollzeit lohnarbeiten, Mama kümmert sich um Haus- und Care-Arbeit, zu der selbstverständlich auch die Advents-Mental-Load gehört.

Es hat sich deshalb nicht nur die Magie der Weihnachtszeit in unser kindliches Hirn gebrannt, sondern auch, wer jedes Jahr den Zauberstab schwingt, um diese entstehen zu lassen: die Frauen. Und das geht nicht nur uns so, sondern auch den Männern. Die verflixte Rollenverteilung klebt in unserem Unterbewusstsein wie Guetzliteig im Haar.

Was dabei munter ausgeblendet wird: Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Früher konnten Mamis, Grossmütter, Tanten, Nachbarinnen zusammenspannen, Aufgaben verteilen oder sich treffen und gemeinsam zaubern, während die Kids in der Schule waren oder zusammen draussen im Schnee spielten. Heute ist die Mehrheit der Frauen jedoch, genau wie die der Männer, ebenfalls am lohnarbeiten. Laut BFS sind es 82% der Mütter in der Schweiz.

Obwohl wir so viele sind, wird uns Working Moms immer noch das Gefühl vermittelt, wir seien Exotinnen. Dass wir dankbar dafür sein sollen, dass wir heute beides «dürfen», und dementsprechend selber schauen sollen, wie wir das alles unter einen Hut bekommen. Immer noch zu viele Menschen stempeln uns als Rabenmütter ab, weil wir unsere Kinder fremdbetreuen lassen, was unseren MomGuilt antreibt und uns zum Überkompensieren verleitet.

Da kommen all die Momfluencer, die uns auf Social Media vormachen, was eine tolle Mutter ausmacht, gerade recht. Schon seit ein paar Jahren ist es zum Beispiel Mode, dass Mama den Adventskalender selber bastelt. Wir suchen also freiwillig 24 weitere Geschenke pro Kind (!!!) und packen diese auch noch einzeln ein. Klingt nach Arbeitsbeschaffungsmassnahmen, bis auf das kleine Detail, dass wir schon mehr als genug zu tun haben. Offenbar haben wir vergessen, wie das damals bei uns war. In meiner Kindheit gab es immer einen Schoggikalender für CHF 1.99 vom Supermarkt um die Ecke. Und ich fands grossartig! Einfach, weil ich jeden Morgen Süsses essen durfte. Ich fühlte mich nie, als würde mir was fehlen. Du?

Bei uns gab es auch keinen Weihnachtswichtel, dessen Haustür plötzlich an irgendeiner Wand in unserer Wohnung auftauchte und jeden Tag nach Keksen, Milch und Geschichten verlangte. Ich bin mir sicher, dass meine alleinerziehende und deshalb Vollzeit lohnarbeitende Mutter diesen kleinen Schmarotzer ohne zu zögern schnurstracks rausgeworfen hätte, wenn er bei uns eingezogen wäre, die Füsse hochgelegt und darauf gewartet hätte, dass wir ihn bedienen. Heute ist dieser imaginäre Zwerg dank dem Hype auf Social Media jedoch der grosse Held in vielen Familienwohnungen und damit ein weiteres zeitfressendes To-do, bei dem wir denken, wir müssten trotz Doppelbelastung mitziehen, weil es offenbar alle Super-Mamas tun und wir unbedingt auch zu dieser Kategorie gehören wollen.

Liebe Mamis, ich denke, wenn wir am Weihnachtsabend nicht total erschöpft unter dem Baum liegen wollen, müssen wir genau da ansetzen. Lasst uns all die externen Einflüsse und Erwartungen endlich dort parkieren, wo sie hingehören – vor der Tür – und so wieder Raum für unsere eigenen Bedürfnisse schaffen. Wenn wir eh schon als Rabenmütter gelten, können wir das Rotieren getrost lassen und es entspannt(er) nehmen, ganz nach dem Motto «Ist der Ruf erst ruiniert …».

Julia Panknin
Immer noch zu viele Menschen stempeln uns als Rabenmütter ab, weil wir unsere Kinder fremdbetreuen lassen, was unseren MomGuilt antreibt und uns zum Überkompensieren verleitet.

Wir könnten doch eine neue Tradition daraus machen, Weihnachten als Familienprojekt anzugehen. Nur, weil etwas immer so war, muss es ja zum Glück nicht für immer so bleiben. Wir haben jedes Jahr die Chance, Weihnachten innerhalb unserer Familie neu zu denken. Also wieso nicht Mitte November ein paar Snacks und Getränke auf den Tisch stellen und gemeinsam einen Plan erstellen? Wer hat wie viel Zeit, wer kümmert sich um welche Aufgaben und bis wann? Welche Traditionen sind wem wichtig und welche können wir streichen? Haben Grosseltern, Gotti/Götti, kinderlose Freund:innen vielleicht Lust und Kapazität, etwas davon zu übernehmen?

Wäre doch schön, wenn Mami den Weihnachtsklassiker von Mariah Carey wieder hören könnte, ohne ihn in «All I need for Christmas … is a BREAK!» umzutexten, oder?

In diesem Sinne wünsche ich euch noch eine gleichberechtigte Adventszeit und entspannte Weihnachten für die ganze Familie!

Herzlichst,

Julia

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