Ich erinnere mich sehr gut daran, wie es war, als ich meine Periode bekommen habe. Es war Sommer, ich war gerade 12 geworden, und meine Mama war nicht zu Hause. Ob sie in den Ferien war oder sonst irgendwie beschäftigt, das weiss ich nicht mehr so genau. Auf alle Fälle passte ihr Bruder – mein Onkel Max – ein paar Tage auf mich und meinen Bruder auf. Ich mochte Max, was jedoch keinesfalls bedeutet, dass ich mich auch traute, ihm von den Blutflecken zu erzählen, die ich abends in meiner Unterhose fand. Selber Binden zu kaufen, traute ich mich allerdings noch viel weniger. Das führte dazu, dass ich zwei Tage mit gefühlt tonnenweise WC-Papier zwischen den Beinen herumlief. Im Hochsommer bei 30 Grad im Schatten. Bis meine Mutter endlich wieder da war und mich aus meinem Elend erlösen konnte.
Ich glaube, dass diese Geschichte typisch ist. Nicht im Detail, aber in ihrer emotionalen Ausprägung. Jede einzelne Frau, mit der ich seither darüber sprach, wie es war, zum ersten Mal ihre Tage zu bekommen, erzählte mir von ähnlichen Gefühlen: Scham, Angst, Unsicherheit. Und das ist eine grosse Tragödie, denn es zeigt, wie tabuisiert der weibliche Körper und all seine Funktionen in unserer Gesellschaft immer noch sind. Während Jungs gemeinsam masturbieren, stehlen menstruierende Mädchen Periodenprodukte. Weil sie sich zu sehr schämen, sie zu kaufen, und manchmal auch, weil sie kein Geld dafür haben.
Das ist nicht fair. Ich applaudiere jedem Effort, der das beendet. Seien es gratis Periodenprodukte an Schulen, so wie sie neu in Zürich angeboten werden, der Shitstorm, der auf den #PinkyGate folgte, oder eben der Versuch in Spanien, einen Menstruationsurlaub für die Bürgerinnen zu erwirken.
Ganz abgesehen davon: Viele Frauen und Mädchen sind tatsächlich einmal im Monat krank. Neue Studien belegen, dass Menstruationsbeschwerden annähernd jede Frau in irgendeiner Form betreffen und dass diese Schmerzen gravierende Ausmasse annehmen können. Der englische Arzt John Guillebaud, Professor für reproduktive Gesundheit am University College London, bezeichnete sie in in einem Artikel, der bereits vor eingen Jahren von dem Newsportal Quartz veröffentlicht wurde, als annähernd so schlimm wie diejenigen bei einem Herzinfarkt. Daraufhin zeigten sich viele Frauen erleichtert, dass endlich auf sie gehört wurde, beklagten aber auch den Umstand, dass es einmal mehr eines Mannes bedurfte, um einem Frauenproblem das nötige Gewicht zu verschaffen.
Fakt ist: Millionen von Frauen auf der Welt nehmen jeden Monat starke Schmerzmittel wegen ihres Zyklus, zum Teil bereits seit dem Teenageralter. Sie quälen sich auf der Arbeit mit Krämpfen herum und werden trotzdem oft nicht ernst genommen.
Aus diesem Blickwinkel scheint ein Menstruationsurlaub von drei bis fünf Tagen im Monat, wie er im spanischen Gesetzesentwurf vorgeschlagen wird, nicht nur angebracht, sondern sogar dringend notwendig.
Und bevor mir hier jetzt irgendjemand damit kommt, wie ungerecht das gegenüber Männern sei und wie teuer ein Menstruationsurlaub die Privatwirtschaft zu stehen käme: Habt ihr irgendeine Ahnung, wie viel Geld die durchschnittliche Frau im Laufe ihres Lebens für ihre Periode ausgibt? Hochrechnungen gehen von über 25’000 Franken aus. Tampons, Binden und Schmerzmittel sind schliesslich nicht umsonst. Viele Länder, darunter die Schweiz und Italien, erheben auf Tampons oder Binden zudem eine wesentlich höhere Mehrwertsteuer als auf «notwendige Produkte des täglichen Lebens» – wie etwa Trüffel oder sogar Viagra. Als ob wir uns freiwillig für den Luxus, zu bluten, und die damit einhergehenden Schmerzen entscheiden würden!
Die Wirtschaft profitiert von menstruierenden Frauen also in nicht ganz unerheblichem Ausmasse. Da scheint der Gedanke, dass sie sich umgekehrt doch auch mal erkenntlich zeigen könnte – zum Beispiel in Form eines Menstruationsurlaubs – plötzlich nicht mehr ganz so abwegig.
Ich für meinen Teil brauche übrigens keinen Urlaub, wenn ich meine Tage habe. Ich gehöre zu den wenigen Glücklichen, die sich auch ziemlich wohl in ihrem Körper fühlen. Je älter ich werde, desto mehr wird mir klar, wie selten das ist.
Sexismus, Mobbing, Lohnungleichheit am Arbeitsplatz? Absolute No-Gos, dennoch nehmen es viele Frauen hin. Das darf nicht sein. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Rechtsschutzversicherung von Frauen für Frauen. Wehr dich.