Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem ich aufhörte zu «funktionieren». Ich war in einem Meeting mit hohen Entscheidungsträgern. Wir hatten die geplante Zeit bereits überzogen, und ich war so müde, dass ich der Diskussion nicht mehr folgen konnte. Die Nacht zuvor hatte unsere Tochter sehr schlecht geschlafen. Nach einem Blick auf die Uhr wurde mir bewusst, dass ich vor 15 Minuten hätte abfahren müssen, um die Kleine noch pünktlich abholen zu können.

Da spürte ich, wie meine Hände plötzlich anfingen zu schwitzen und mein Herz zu rasen. Eine Panikattacke rollte an. Ich kannte die Anzeichen und wusste, dass ich die Tränen nicht mehr lange zurückhalten können würde. Ich entschuldigte mich, verliess den Raum, packte meine Tasche, rannte aus dem Gebäude und brach zusammen.

Ich hatte bereits einige Panikattacken auf den Office-WCs überstanden und war danach einfach ins nächste Meeting gelaufen. «Wird schon wieder, reiss dich zusammen», dachte ich.

Damals wusste ich noch nicht, dass es das letzte Mal gewesen sein würde, dass ich in dem Büro war, in dem ich fast das ganze letzte Jahrzehnt gearbeitet hatte. In dem ich meine Karriere aufbaute, für meine Aufgaben und Kolleg:innen brannte und ständig die Extrameile lief. Erst seitdem mein Leben aus zwei Schichten bestand, aus Lohn- und Care-Arbeit, lief ich dabei ständig am Limit. Ich hatte bereits einige Panikattacken auf den Office-WCs überstanden und war danach einfach ins nächste Meeting gelaufen. «Wird schon wieder, reiss dich zusammen», dachte ich.

Doch dieses Mal war es anders. Ich konnte die Tränen nicht stoppen. Nicht einmal, als ich zu Hause erschöpft in mein Bett fiel und einschlief. Immer wieder wachte ich auf einem nass geweinten Kissen auf. Am nächsten Morgen rief ich meine Therapeutin an, die mich bereits ein paar Wochen begleitete. Sie sagte mir: «Frau Panknin, ihr Körper und ihr Geist brauchen eine Pause. Ich schreibe Sie krank. Sie müssen sich erholen.»

Es war nicht das erste Mal, dass sie das sagte, nur hatte ich mich vorher immer gewehrt: «Verstehen Sie doch bitte: Ich habe keine Zeit für eine Pause. Ich bin in zu viele wichtige Projekte involviert, die weiterlaufen müssen. Und ich muss für meine Tochter da sein. Ich kann doch nicht einfach aufhören, zu funktionieren!»

Jetzt aber wehrte ich mich nicht mehr. Ich konnte mich nicht mehr wehren.

Nicht selten dachte ich, es wäre mir lieber, ich hätte eine «echte» Krankheit. Etwas, wofür man mir Blumen mit Genesungswünschen schicken würde, statt mich als Verrückte oder Simulantin abzustempeln.

Das Weinen hörte wochenlang nicht auf. Ich war zerfressen von Schuldgefühlen, meinem Kind und meinem Arbeitgeber gegenüber, und von Scham. Ich hatte Angst vor den Reaktionen meiner Kolleg:innen. Ständig dachte ich darüber nach, was man über mich reden würde. «Der hats den Nuggi rausgehauen!» oder «Die gönnt sich doch jetzt einfach eine Auszeit auf Kosten der Krankentaggeldversicherung!», würden sie tuscheln, war ich mir sicher. Nicht selten dachte ich, es wäre mir lieber, ich hätte eine «echte» Krankheit. Etwas, wofür man mir Blumen mit Genesungswünschen schicken würde, statt mich als Verrückte oder Simulantin abzustempeln.

Erst im Laufe meiner Therapie begriff ich, dass ich bereits eine echte Krankheit hatte. Als mir erklärt wurde, welche biologischen Prozesse gerade in meinem Körper ablaufen, wurden die Schuldgefühle und auch die Scham kleiner. Weil ich verstand, dass mit mir alles in Ordnung war. Dass mein Körper genauso reagiert hatte, wie er sollte, um mich vor (noch) Schlimmerem zu bewahren.

Ich möchte diese Fakten hier teilen, weil ich hoffe, dass es den Dauergestressten unter euch hilft, die Signale ihres Körpers früher zu erkennen und ernst zu nehmen. Weil ein Burnout eine heftige Krankheit ist, die einen meist sehr lange begleitet.

So entsteht ein Burnout

Wenn wir akuten Gefahren ausgesetzt sind, schüttet unser Körper Stresshormone aus.

Diese biologische Reaktion schärft unsere Wahrnehmung und schraubt unsere Energieversorgung hoch. Das Ganze ist eine Überlebensstrategie aus der Steinzeit, ein Reflex, der auch als Fight-or-Flight bezeichnet wird: Kämpfen oder Flüchten. Bis heute hilft er uns in brenzligen Situationen, etwa wenn unser Gehirn aus dem Augenwinkel ein heranfahrendes Auto wahrnimmt und wir automatisch zur Seite springen.

Allerdings handelt es sich dabei um ein Notfall-Programm, das nur für eine kurze Zeitspanne gedacht ist. Unser Organismus ist nicht darauf ausgelegt, länger unter dem Einfluss von Stress zu stehen. Um gesund zu bleiben, ist es deshalb wichtig, unseren Körper durch aktives Stressablassen zu regulieren. Zum Beispiel mit Sport oder Meditation. Schaffen wir das nicht, gerät er aus dem Gleichgewicht und versucht uns das mit verschiedenen Symptomen zu vermitteln:

  • Wir werden öfter krank, weil die Aktivität von T-Helfer-Zellen gesenkt und dadurch das Immunsystem geschwächt wird
  • Wir haben Schlafstörungen, weil das Schlafbedürfnis unterdrückt wird
  • Wir haben Verdauungsprobleme, weil die Darmaktivität gesenkt wird
  • Wir haben Schmerzen, weil unser Körper Entzündungen auslöst
  • Wir vergessen zu essen, weil das Hungergefühl unterdrückt wird
  • Wir werden vergesslich, weil bestimmte Bereiche des Gehirns blockiert werden
  • Wir haben Herzrasen, weil die Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislaufsystems durch einen erhöhten Puls gesteigert wird.

Wenn wir das alles ignorieren, schlägt es irgendwann auf die Psyche: Wir weinen viel oder fühlen gar nichts mehr, wir entwickeln Panikattacken, unsere Gedanken kreisen, wir sind risikobereiter, launisch und schnell reizbar. Und wenn wir es dann immer noch nicht verstehen wollen, kann es sogar sein, dass der Körper einfach abschaltet. Ich kenne Menschen, die morgens in ihr Auto gestiegen sind, um zur Arbeit zu fahren, und erst Stunden später an der gleichen Stelle wieder «aufgewacht» sind, ohne zu wissen, was in dieser Zeit mit ihnen passiert ist. Ihr Körper hat sprichwörtlich die Notbremse gezogen.

Weil wir uns schämen, wenn wir nicht (mehr) perfekt funktionieren, reden wir nicht darüber. Und weil niemand darüber spricht, haben alle das Gefühl, sie seien allein mit ihren Problemen. Ein Teufelskreis.

Dass unser Organismus zu so drastischen Mitteln greift, zeigt für mich, dass in unserer Gesellschaft und in unseren Köpfen etwas schief läuft. Wir werden oft behandelt und verhalten uns wie Maschinen und merken leider oft erst, dass wir doch nur Menschen sind, wenn plötzlich nichts mehr geht.

Weil wir uns schämen, wenn wir nicht (mehr) perfekt funktionieren, reden wir nicht darüber. Und weil niemand darüber spricht, haben alle das Gefühl, sie seien allein mit ihren Problemen. Ein Teufelskreis. Um diesen zu durchbrechen, habe ich beschlossen, über meine Erfahrungen zu sprechen, und würde mich freuen, wenn du dich am Austausch auf unseren Social-Media-Kanälen beteiligst.

Herzlichst,

Julia

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