Happy new year! Ich hoffe, ihr seid gesund und zufrieden ins neue Jahr gestartet!
Vielleicht habt ihr sogar gute Vorsätze getroffen oder die Rituale der Raunächte zelebriert und ein paar Wünsche ans Universum geschickt? Ich habe mir für dieses Jahr das erste Mal seit langem wieder etwas vorgenommen und bin mir sicher, dass die Motivation dabei länger halten wird als bei den alljährlichen sportlichen Vorsätzen in meinen 20ern.
Seit meinem Burnout fällt mir nämlich immer wieder auf, dass wir die Frage «Und was machst du so?» gerne als Icebreaker nutzen, wenn wir neue Menschen kennenlernen. Egal ob am Elternabend, beim Online-Dating oder an Partys – die Frage nach unserem Job ist oft die erste, die fällt.
Als ich noch im Genesungsprozess steckte, empfand ich das als ziemlich unangenehm. Was antwortet man fremden Menschen, wenn man aktuell wegen einer Erschöpfungsdepression krankgeschrieben ist und deshalb seine Stelle aufgegeben hat? Ist ja leider immer noch ziemlich stigmatisiert, das Thema.
Je besser es mir gesundheitlich ging, desto kleiner wurde meine Scham, darüber zu sprechen. Dafür wuchs aber meine ganz allgemeine Irritation über das ständige «Und was machst du so?».
Warum? Weil es sich anfühlt, als würde ich laufend Smalltalk mit dem Kapitalismus führen. Es scheint, als sei er wie ein böser Geist in uns alle gefahren, der dafür sorgt, dass wir uns unbewusst und fremdgesteuert vor allem über unsere Jobs, Titel und Gehälter definieren. Ich war da keine Ausnahme, bis des Kapitalismus Erzfeind, das Burnout, meine Karriere abrupt beendete und mich dazu zwang, herauszufinden, wer ich ohne diese bin.
Ich weiss noch genau, wie ich gefühlt stundenlang vor einem weissen Blatt Papier sass, nachdem mir eine Therapeutin die Aufgabe gab: «Versuchen Sie sich zu beschreiben, ohne ihre privaten und beruflichen Verpflichtungen und alles, was damit zu tun hat, zu nennen.» Puh, dachte ich, gibt es da noch was anderes? Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr Sachen über mich fielen mir ein, die ich in dem ganzen Alltagstrubel über die Jahre irgendwie vergessen hatte. Also fing ich an aufzuschreiben:
- Ich bin die, die es geniesst, an warmen Tagen kopfüber in den kalten See zu springen und so weit zu tauchen, wie die Luft reicht, weil unter Wasser selbst die lautesten Badi-Geräusche so wunderbar gedämpft sind.
- Ich bin die, die nicht aufhören kann, Sonnenauf- und -untergänge anzustarren, insbesondere wenn der Himmel dabei pink wird.
- Ich bin die, die mit Bussi-Bussi-Begrüssungen nichts anfangen kann und selbst fremde Menschen lieber in den Arm nimmt.
- Ich bin die, die jeden Tag ein Buch lesen möchte, weil es einfach so unendlich viele gibt, die mich interessieren.
- Ich bin die, die liebend gern unterschiedliche Menschen zusammenbringt und dann glücklich dabei zusieht, wie sich neue, magische Verbindungen ergeben.
In den letzten Monaten habe ich mir sehr viel mehr Zeit für mich genommen als vor meinem Burnout. Man könnte sagen, Frau hat aus ihren Fehlern gelernt. Dabei habe ich alte Leidenschaften wiederentdeckt und neue Dinge ausprobiert. Meine Liste wächst und wächst also, und ich hüte sie inzwischen wie einen kleinen Schatz.
Die Aufgabe der Therapeutin hat mich zudem dazu motiviert, Menschen künftig nur noch «Und WER BIST DU so?» zu fragen und selbst immer so zu antworten, als hätte man mir die Frage genauso gestellt. Weil ich gern mehr tiefgründige Gespräche führen möchte statt den belanglosen Job-Smalltalk, den ich seit Jahren abspule. Ich habe es schon ein paar Mal ausprobiert und liebe es, wie diese simple Frage dazu führt, dass man sehr schnell sehr spannende Dinge über einen Menschen erfährt. Es fühlt sich ausserdem jedes Mal ein bisschen so an, als würde ich dem Kapitalismus ins Gesicht lachen und ihm zuflüstern: «Ich spiel’ da nicht mehr mit!»
In diesem Sinne: «Und, wer bist du so?» 😉 Vielleicht magst du es ja auf unseren Social-Media-Kanälen in die Kommentare schreiben. Ich bin gespannt!
Herzlichst,
Julia