Ich komme gerade zurück von einem spontanen Trip in ein wunderschönes Wellness-Hotel mitten in der Natur im Berner Oberland. Gebucht habe ich dieses erst einen Tag vor Anreise. Warum? An diesem Tag spürte ich, wie mir die Erschöpfung der letzten vier Wochen in den Knochen hing. Ich hatte mich in dieser Zeit nicht nur mit der Bürokratie rumgeschlagen, die auf einen zukommt, wenn man sich selbstständig macht, sondern gleichzeitig eine Online-Plattform lanciert, einen Launch-Event und einen Team-Workshop organisiert, Interviewanfragen beantwortet, Artikel geschrieben und verschiedene Speeches und Seminare gehalten. Und «nebenher» bin ich ja auch noch Mama eines Kleinkindes.
Das klingt für viele jetzt vielleicht wie Jammern auf hohem Niveau. Schliesslich sollte man sich freuen, so kurz nach dem Start schon «so viel Arbeit zu haben». Für einen Menschen, der gerade aus einem zweijährigen Burnout-Heilungsprozess kommt, ist es aber nicht nur Segen, sondern vor allem auch die Probe aufs Exempel. Habe ich in meinen unzähligen Therapiesitzungen und bei all den Achtsamkeitsübungen nachhaltig etwas gelernt, oder rutsche ich grad wieder ins gleiche Fahrwasser wie vor meiner Erkrankung? Also leisten, leisten, leisten im Austausch gegen Anerkennung und Liebe?
Nach dieser Auszeit weiss ich es endlich: Ich habe sehr viel gelernt! Insbesondere, dass ich auch in stressigen Zeiten auf meine Bedürfnisse und die Signale meines Körpers achte. Denn an besagtem Tag, an dem ich mein kurzes Getaway buchte, spürte ich in mich hinein, realisierte, dass mein Kopf und Rücken schon länger schmerzten und ich unendlich müde war. Und das war nicht nur die «normale» Müdigkeit, die einen überkommt, wenn man zu wenig schläft. Ich war müde vom Socialising und wünschte mir ein paar Tage, in denen ich nicht viel reden und zuhören muss.
Also bezwang ich meine innere Kritikerin, die mir aus meinem tiefsten Inneren zurief, dass ich mir so etwas als Selbstständige weder finanziell noch zeitlich leisten kann. Ich schickte dem kleinen Hotel, von dem ich schon lange träumte, eine Buchungsanfrage. Eine halbe Stunde später hatte ich nicht nur ein schönes Doppelzimmer für mich alleine, sondern auch eine Massage sowie das angebotene 4-Gang-Menü für beide Abende gebucht. Die Kosten waren mir dabei total egal. Natürlich war das nur möglich, weil ich in der privilegierten Lage bin, dass ich eine Zeitlang überdurchschnittlich verdient habe. Trotzdem hätte ich mir so etwas vor meinem Burnout nie geleistet.
Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Geld immer knapp war. Dank meiner Therapie weiss ich, dass ich aus dieser Zeit tief verankerte Existenzängste mit in mein Erwachsenenleben genommen habe. Aber auch das Glück, dass mir Statussymbole wie teure Kleider, Schmuck oder Taschen nie etwas bedeutet haben. Statt es mit vollen Händen auszugeben, als ich endlich Geld hatte, investierte ich es also vorwiegend in meine Altersvorsorge, aus Angst, irgendwann wieder arm zu sein.
Seit meinem Burnout ist mein Verhältnis zu Geld jedoch ein anderes. Ich sehe es nicht mehr nur als Sicherheit für später, sondern auch als ein Mittel, um das Jetzt zu geniessen. Statt zu schuften, nur um meine Existenzängste im Griff zu halten und mein Bankkonto zu füllen, investiere ich heute einen Teil meines Geldes auch, um mir meine Bedürfnisse zu erfüllen.
So hat mir diese kurze Auszeit klargemacht, dass ich danach den Fuss ein wenig vom Gas nehmen muss. Gemeinsam mit meinem Team habe ich unseren Jahresplan entzerrt, ganz nach dem Motto l«Lieber langsamer, dafür richtig und gesund». Und ich lade mir auch meinen privaten Kalender wieder weniger voll und plane stattdessen mehr Abende allein ein. Nur für mich und meine Bücher.
Denn natürlich kann ich nicht für jede Pause ein paar Hunderter auf den Tisch legen. Meist reicht es mir, einfach ein bisschen Zeit für mich allein zu Hause auf dem Sofa zu haben. Aber wenn ich doch mal wieder das Verlangen nach einem Getaway verspüren sollte, ist das heute rein mental wenigstens kein Problem mehr. Weil ich finde, dass ich viel zu lange von Ängsten getrieben war, die heute nicht mehr nötig sind. Dafür ist das Leben zu kurz. Vor allem in Anbetracht dessen, dass ich ja erst fast zwei Jahre investiert habe, um aus meinen Fehlern zu lernen.
Kennt ihr eure Bedürfnisse, und wann habt ihr sie euch das letzte Mal erfüllt? Ich würde mich über einen offenen Austausch auf unseren Social-Media-Kanälen sehr freuen!
Herzlichst, Julia
Julia Panknin ist selbstständige Journalistin, Speakerin und Beraterin mit Fokus auf die Themen Parental Burnout und Vereinbarkeit von Kind und Karriere sowie Gründerin von mamibrennt.com. Die Münchnerin lebt seit 15 Jahren in der Nähe des Zürichsees und hat eine kleine Tochter, die sie 50:50 im Wechselmodell mit deren Vater betreut.