Die Uni macht wieder Probleme. Für einmal aber nur ein einfaches Schild, das mich zur Weissglut und ständig zu einem bestimmten Ort im Café nebenan treibt. Wo früher «Damentoilette» stand, prangt nun in grossen Lettern «Menschen mit Menstruationshintergrund». Und dazu gehöre ich nun einfach nicht mehr. Weder im Vorder- noch im Hintergrund.
Klimakterium – das wäre, wenn es dieses dumme Schild nicht gäbe, keine Katastrophe. Plötzlich wird das bisher tabuisierte Thema nicht nur mit der Frauenärztin, sondern dem ganzen weiblichen Bekanntenkreis geteilt. Und wer meinen Mitbetroffenen Glauben schenkte (macht das ja nicht!) plagte sich mit einem Mal niemand mehr mit den Nebenwirkungen. Im Gegenteil, so lange während der Wechseljahre Jeans und T-Shirts der Tochter getragen werden, kommt sogar Stolz auf. Trotzdem: Mit dem Ausbleiben der Regel, durchschnittlich bei 47,5 Jahren, beginnt die sogenannte Menopause, welche vieles ist, nur keine Pause.
Die Anzeichen sind fliessend. Das Klimakterium beginnt bei manchen bereits mit vierzig, bei anderen erst zehn Jahre später. Ein paar Jahre später ist die ganze Sache vorbei - denkt man. Ich werde demnächst 59 und vorbei ist noch rein gar nichts, wie ich frustriert beim Versuch die Hormone abzusetzen, wieder und wieder erlebe.
Zugegeben, die Hormone nehmen sich bei Beginn des Wechsels manchmal gar wichtig, vor allem das Östrogen, welches den Menstruationszyklus regelt, wird schwächer. Auch die Blutungen bleiben schliesslich ganz aus. Ich erlebte die Verabschiedung vom monatlichen Gast als angenehm, blieb dieser Besuch doch von einem Tag auf den anderen einfach weg. Das allerdings sollte dann aber auch für einige Zeit das einzig Angenehme sein.
Die Beschwerden mit den Beschwerden
Auch wenn unter den neuerdings so mitteilungsbedürftigen Klimaschwestern beim Stichwort Nebenwirkungen mit einem Mal alle umgehend das Thema wechseln, gibt es sie mit dem neuen Lebensabschnitt. Den Betroffenen sind Hitzewallungen und plötzlich einsetzende Schweissausbrüche sehr wohl bekannt. Natürlich immer im schlechtesten Moment oder auch nachts, wenn das Bettzeug aus einem anderen Grund als gewohnt durchgeschwitzt ist.
Vor vielen Jahren durfte ich die Schauspielerin Senta Berger kennenlernen. Als sie mir vorgestellt wurde, fiel mir ihr rotes Gesicht auf. Sie sagte gleich zu Beginn ungefragt: «Entschuldigen Sie bitte, mir läuft das Wasser nur so runter, denn ich bin im Wechsel.»Dabei lachte sie jegliches unangenehme Gefühl weg. «Was für eine Frau», dachte ich und damals noch «wieviel Mut».
Der neue Hype über den «Wechsel» zu sprechen, nur bloss nicht die Wahrheit
Versuchen wir es mit einer Art Beipackzettel. Neben des Schwitzens sind Beschwerden möglich, worüber sich offenbar gar niemand austauschen will. Klingt vielleicht auch seltsam, wer beim Nachmittagstee berichtet, dass die Scheidenhaut atrophiere, also dünner werde. Aber dies betrifft über fünfzig Prozent der postmenopausalen Frauen. Symptome sind neben Scheidentrockenheit auch Brennen und Irritationen. Nicht erwähnt wird in der gemütlichen Runde die Einschränkungen der Sexualität, weil durch die Trockenheit Schmerzen, überaktive Blase und Harnwegsinfekte verursacht werden können. Dann doch lieber über den letzten Taschenkauf bei Louis Vuitton reden.
Doch noch ist der Zettel nicht vollständig. Schwindelgefühle, leichteres Ermüden, Antriebslosigkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, Nervosität, erhöhte Verletzlichkeit, Stimmungsschwankungen bis hin zu Depressionen, Verminderung des Selbstwertgefühls, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwäche, Harninkontinenz, Verstopfung, Darmdurchmarsch, trockene Haut, trockene Schleimhäute, Herzbeschwerden, Gewichtszunahme, Gelenk- und Muskelschmerzen, Haarausfall oder verstärkter Haarwuchs im Gesicht können ebenfalls auftreten.
Spätestens jetzt denkt man ans Wegklicken. Aber Entwarnung: Das alles kann vereinzelt auftreten, muss aber nicht. Schon gar nicht in einer solch gewaltigen Packung.
Bevor die jungen Leserinnen deshalb nun eine rechtzeitige Geschlechtsumwandlung in Betracht ziehen oder auf das Casting der übernächsten Staffel von «Games of Thrones» hoffen: keine Panik. Viele Frauen werden sich der Wechseljahre nur durch das Wegbleiben der Monatsblutungen bewusst. Bei ernsthaften Problemen während oder nach dem Klimakterium hilft die Gynäkologin, allenfalls eine Hormonbehandlung und Ehrlichkeit. Für Scham gibt es keinen Grund. Wer sind wir denn? Superfrauen, keine Menschen mit Menstruationshintergrund.
Binci Heeb, Jahrgang 1963, ist Journalistin. Nach Stationen bei Radio Basel und barfi.ch, wo sie im Tagesjournalismus tätig war und als Co-Chefredaktorin waltete, ist sie seit bald zwei Jahren als Chefredaktorin beim Online-Fachmagazin «thebroker.ch» tätig. Sie ist seit 26 Jahren verheiratet mit dem Gründer und langjährigen Chefredaktor von Radio Basilisk und hat zwei Hunde.