Auch Impfungen vertragen Frauen weniger gut. Die Impfnebenwirkungen – mehrheitlich sehr milde – betreffen bis zu 87 Prozent Frauen. Die Welt rätselt.
Gendermedizinerinnen legen den Finger in die Wunde
Nicht so die Gendermedizinerinnen. Endlich rückt ihre jahrelange Forschung ins Rampenlicht der Medizin – gerade auch in der Schweiz. Zum Beispiel die Arbeit der mehrfach ausgezeichneten Kardiologin und Professorin an der Universität Zürich, Cathérine Gebhard, die daran forscht, wie Geschlechtshormone die Erkrankung beeinflussen, ob Testosteron beispielsweise mitschuldig ist. Von Gender-Medizin profitieren also auch Männer. Medizinerinnen wie Gebhart und Maria Teresa Ferretti, wissenschaftliche Leiterin des schweizerischen Women’s Brain Project, sehen es als grotesk, dass biologische Unterschiede nicht besser erforscht sind. Hormonhaushalt oder Nieren funktionieren beispielsweise deutlich anders, der Fett-, Wasser- und Muskelanteil liegt weit auseinander. Logisch, dass dies Symptome und Verläufe beeinflusst.
Fertig mit Macho-Medizin
Doch an Frauen werden Medikamente kaum getestet. An weiblichen Tieren schon gar nicht. Wirkstoffe werden zu 90 Prozent an männlichen Mäusen ausprobiert. Das Studienobjekt Frau galt als zu komplex, aufwendig und teuer – wegen des Hormonhaushalts. Die Folgen sind fatal: falsche Dosen und Nebenwirkungen. Die Europäische Gesellschaft für Medizinische Onkologie hat beispielsweise aufgezeigt, dass Frauen rund ein Fünftel zu hoch dosierte Krebsmedikamente verabreicht werden. Sie erhalten auch viel häufiger Fehldiagnosen.
Die Pandemie hat ein uraltes Problem der Medizin öffentlich gemacht. In der Medizin ist der Mann die Norm. Der Mann die Testperson. Die Frau war jahrtausendelang eine vernachlässigbare Variation des menschlichen Standards, des jungen 70 Kilo schweren Mannes. Seit der Pandemie sind Forderungen nach geschlechtsspezifischen Daten und Studien lauter geworden.
Frauengesundheit - ein Business Case
Die Gesundheit der Frauen ist nicht nur in der Medizin, sondern auch in der Wirtschaft ein Randthema.
Erst seit ein paar Jahren fallen einzelne Tech-Start-ups auf, die Gesundheit und Wohlbefinden von Frauen verbessern. Sogenannte Femtechs beschäftigen sich mit der Periode, Schwangerschaft, Fruchtbarkeit, Wechseljahren. Und brechen damit glücklicherweise viele Tabus. Eigentlich ein riesiger Markt, dem Experten schwindelerregende Wachstumschancen zusprechen.
Kranker Kapitalmarkt – Kein Geld für Frauengesundheit
Doch nur gerade 4 Prozent der gesamten Gesundheitsforschungsbudgets fliessen in Frauengesundheit. Und Grosskapitalgebern ist dieses Feld der Gesundheitsbranche nur gerade 1,4 Prozent wert. Im Pandemiejahr haben Investoren gar noch weniger Geld in Gesundheitsgründerinnen gesteckt.
Es ginge auch anders. Dieses Jahr hat die EPFL ein Förderprogramm lanciert, das sich um innovative Frauengesundheits-Start-ups kümmert, den Tech4Eva Accelerator. Die Start-up-Plattform unterstützt auch der Krankenversicherer Groupe Mutuel. Er hat den wirtschaftlichen Nutzen erkannt: Wenn Frauen gesünder sind, reduzieren sich auch Krankenkassenkosten.
Und auch wenn im Grundstudium «geschlechtsspezifische Medizin» vernachlässigt wird, ist soeben an den Universitäten Zürich und Bern immerhin der schweizweit erste Weiterbildungsstudiengang dazu gestartet. Die parlamentarische Frauengruppe des Nationalrats fokussiert für 2021 auf Gendermedizin. Bitte mehr davon – das Pharmaland Schweiz wäre bestens positioniert als Pionierin in Gendermedizin.