Während meiner Pause war ich frei von sozialen Medien und dem ständigen Informationsfluss. Ich wusste nicht, was andere machten oder wie viel oder wenig ich im Vergleich tat. Ich beobachtete nicht meine Podcast-Hörer:innenzahlen, las keine Fachliteratur und musste mich nicht beweisen oder performen. In dieser Zeit, in der mein Körper und mein Zyklus mir die Möglichkeit gaben, einen natürlichen Rhythmus zu spüren, hatte ich keine Angst, etwas zu verpassen. Projekte und Deadlines ruhten, und es war, als hätte ich mich aus dem ständigen Strom der Erwartungen und Anforderungen zurückgezogen.
Zurück am Schreibtisch, während ich diese Zeilen schreibe, trudeln schon die ersten Nachrichten ein: «Ich hoffe, du hattest schöne Ferien …» Die ruhenden Projekte warten darauf, wieder aufgenommen zu werden. Der Druck, wieder zu leisten, ist spürbar und unnachgiebig. Der Sommer endet, und auch mein innerer Sommer, dieses Gefühl von Ruhe und Gelassenheit, droht damit zu verblassen. Gleichzeitig merke ich, dass ich noch nicht bereit bin, wieder voll in den Alltag zurückzukehren – auch weil mein Körper gerade etwas anderes möchte. Er möchte Ruhe.
Das Nein-Sagen fällt mir schwer, obwohl ich alle Signale dafür habe. Meinen Körper, mein Bauchgefühl, meine Intuition, sie alle sagen mir, wenn etwas nicht stimmt und ich Nein sagen sollte. Aber oft sage ich trotzdem Ja. In einer Gesellschaft, die Produktivität glorifiziert, haben wir gelernt, unsere natürlichen Instinkte beiseitezuschieben, um weiterzumachen und mitzuhalten. Wie kann ich also jetzt Nein sagen, wenn ich doch gerade erst abwesend war?
Heute ist einer dieser Tage, an denen sich mein Körper bemerkbar macht. Es sind Tage, an denen ich etwas runterschrauben und auf mich achten sollte. Doch genau heute geht es nicht, weil so viel auf meiner Liste steht. Diese Tage kommen bei mir regelmässig, sie hängen auch mit meinem Zyklus zusammen und erinnern mich daran, Pausen einzulegen.
Mein Zyklus und ich haben uns erst vor ein paar Jahren richtig kennengelernt. Früher war meine Periode einfach da, meist nur nervig. Inzwischen habe ich gelernt, auf die Signale meines Körpers zu hören und diese Phase als Teil meines natürlichen Rhythmus zu sehen. Leider passt dieser Rhythmus nicht in die Welt, in der ich lebe. Wir sind so weit von der Natur entfernt, dass wir unsere eigene Natur oft nicht mehr erkennen. Unser modernes Leben ermöglicht es uns, jederzeit alles in unseren Körper zu stopfen, ohne Rücksicht auf seine Bedürfnisse. Diese Distanz hat ihren Preis. Wir zahlen mit unserem Wohlbefinden und unserer Gesundheit. Überforderung, chronische Müdigkeit und das Gefühl der inneren Leere sind nur einige der Folgen. Wir haben nicht nur verlernt, auf unseren Körper zu hören, sondern auch Methoden erfunden, um die innere Stimme zu unterdrücken. Dabei ist es essenziell, wieder eine Verbindung zu unserem Inneren herzustellen – das Nein-Sagen spielt dabei eine Schlüsselrolle.
Ein Beispiel aus einem meiner Sommerprojekte zeigt, wie bedeutend das ist: Ich bin Coach im Dancecamp, dem grössten mehrsprachigen Tanzcamp der Schweiz. Im diesjährigen Camp hatte eine Teilnehmerin zum ersten Mal ihre Menstruation – und das, während sie auf der Bühne für die Abschlussshow probte. Was danach geschah, war wunderschön: Mehrere Personen gingen auf sie zu, nahmen sie in den Arm, und eine Gruppe von jungen Menschen folgte ihr mit verschiedenen Menstruationsprodukten. Trotzdem war es für sie ein Erlebnis, auf das sie gerne verzichtet hätte.
Ich erinnere mich an meine Jugend. Das erste Mal bluten in einem Camp wäre eine Horrorvorstellung gewesen. Die Angst vor sichtbarem Blut, die Krämpfe und die versteckten Tampons in den Fäusten – all das kenne ich zu gut. Damals hatte ich das Glück, mein erstes «Mond-Wochenende» zeitgleich mit meiner Cousine zu erleben. Aber viele Menschen sind in dieser Situation auf sich allein gestellt, überrascht von der Blutung und unsicher, was da eigentlich passiert. Wir müssen die Menstruation nicht lieben, aber wir sollten offen darüber sprechen und den gesamten Zyklus thematisieren. In Spanien gibt es seit 2023 die Möglichkeit, sogenannten Menstruationsurlaub zu nehmen – eine wichtige Errungenschaft. In vielen Ländern Asiens und Afrikas gibt es Traditionen und Regelungen, die es menstruierenden Personen ermöglichen, sich zurückzuziehen und ihren natürlichen Rhythmus zu respektieren.
Vor ein paar Wochen sass ich mit einer meiner Schwestern und anderen Frauen am Meer, und wir sprachen offen über unsere Zyklen. Die meisten verbanden schmerzhafte Erfahrungen damit, und eine junge Frau fragte verzweifelt, warum die Natur das so wolle. «Und dann sollen wir es auch noch schätzen?» Sie erklärte, wie sehr sie sich anstrengt, genauso zu funktionieren wie nicht-menstruierende Menschen. Wir diskutierten lange, und ich konnte ihre Frustration gut verstehen. Anders als sie kämpfe ich nicht jeden Monat mit starken Schmerzen. Ich teilte einen Gedanken, der mir immer geholfen hat: Was, wenn unser Zyklus unsere letzte Erinnerung an die Natur ist?
Wir können die Tage länger machen mit künstlichem Licht, haben das Privileg, jederzeit alle Nahrungsmittel zu kaufen, navigieren mühelos mit GPS, statt auf die Sterne angewiesen zu sein, kommunizieren weltweit in Echtzeit und können sogar Geburten planen. In einer Welt, in der wir alles kontrollieren wollen, zeigt uns der weibliche Zyklus immer wieder, dass wir es nicht komplett können. Dass wir die Natur nicht bis ins Letzte beherrschen können. Auch wenn viele ihn mit Hormonen auf eine gewisse Weise auch zu regulieren versuchen. Vielleicht ist das unsere letzte Erinnerung, die uns bleibt. Der Zyklus ist nicht falsch. Unser System ist es.
Den eigenen Rhythmus zu respektieren und Nein zu sagen ist ein Akt der Selbstliebe und des Widerstands gegen ein System, das uns entfremdet. Vielleicht ist das Hören auf unseren Körper nicht nur ein Weg zurück zu uns selbst, sondern auch ein stiller Protest gegen eine Welt, die uns vergessen lässt, wer wir wirklich sind.
Die Sommerpause war nicht nur eine Zeit der Erholung, sondern auch eine Zeit der Reflexion. Ich habe erkannt, wie sehr ich mich in den Strudel der ständigen Erreichbarkeit und Produktivität habe ziehen lassen, und wage dieses Jahr erneut den Versuch, vermehrt auf mein Inneres zu hören.