Welche Gefühle löst Geld bei dir aus?
Sicherheit. Wenn ich genug Geld habe, dann beruhigt mich das.
Wie viel Geld ist für dich «genug Geld»?
Wenn ich nicht fünfmal überlegen muss, ob ich mir einen Kaffee unterwegs kaufen, kaputte Schuhe ersetzen oder meine Rechnungen bezahlen kann – dann habe ich genug Geld. Ich hätte aber schon Mühe, wenn ich für den Rest meines Lebens mit meinem aktuellen Lohn auskommen müsste. Vor allem deshalb, weil ich vor meinem Studium mehr verdient habe. Im Moment ist es so, dass ich meine Ausgaben decken kann – aber Sparen liegt nicht drin.
Du machst momentan eine Weiterbildung in Gesundheitsförderung und Prävention. Warum möchtest du den Job wechseln?
Als Expertin auf der Intensivpflege arbeitest du an Feiertagen und am Wochenende und vor allem oft im Schichtbetrieb. Das ist in Ordnung, das weiss man, wenn man einsteigt. Ich habe mit 16 Jahren angefangen und musste mir vor ein paar Jahren eingestehen: Ich mache diesen Job sehr gern, aber so, wie das Gesundheitssystem im Moment ist, kann ich nicht mehr lange weitermachen. Menschen, die Schichtarbeit leisten, haben eine fünf bis sechs Jahre kürzere Lebenserwartung. Da kannst du mir sehr viel Geld geben, das ersetzt diese Jahre nicht. Ich habe bei meinem Mami gesehen, was diese Belastung mit einem machen kann.
Was meinst du?
Sie hat auch lange auf der Intensivstation gearbeitet, und vor ein paar Jahren hatte sie einen Nervenzusammenbruch. Dafür gab es sicherlich mehrere Auslöser, aber die Schichtarbeit gehörte definitiv dazu. Und mein Grossmami hatte eine psychische Krankheit, die unter Umständen weitervererbt wird. Mit all diesen Vorzeichen ist für mich klar, dass ich gut auf mich schauen muss. Präventiv eben!
Verdienst du nach deinem Studium mehr als jetzt?
(Lacht.) Oje, nein! Ich habe jetzt sieben Jahre im Gesundheitswesen gearbeitet und bin die Lohnleiter hinaufgeklettert. Nach meinem Studium fange ich wieder mit einem Einstiegsgehalt an. Aber wie gesagt, das ist es mir absolut wert. Ich kann mir aber auch vorstellen, nach meinem Abschluss weiterhin Teilzeit auf der Intensivstation zu arbeiten. Denn eben: Eigentlich mache ich den Job ja gern.
Was hat dazu geführt, dass die Freude an deinem Job verloren ging?
Es gibt verschiedene Gründe. Aber die Coronapandemie war eine augenöffnende Zeit für mich. Die Belastung hat damals wirklich massiv zugenommen, und ich war am Ende ziemlich ausgelaugt. Ich musste zwar nicht mehr Patient:innen betreuen als vorher – es waren weiterhin eine bis zwei Personen –, aber die äusseren Umstände unseres Jobs haben sich verändert. Und ich habe gemerkt, dass ich mit der Zeit eine emotionale Distanz zu meinem Job und dadurch auch zu meinen Patient:innen aufgebaut habe.
Weshalb?
Wir mussten ja diese Schutzanzüge tragen, und darunter trugen wir normale medizinische Masken, zusätzlich FFP2-Masken, eine Schutzbrille und Handschuhe. Und auch die Patient:innen trugen Masken. Diese Ausrüstung baut eine physische Barriere auf: Ich habe immer weniger mit meinen Patient:innen gesprochen. Vor der Pandemie war das nicht so, da habe ich mit allen Patient:innen gesprochen, auch mit denen, die im Koma lagen. Am Ende fühlte ich mich wie in einer Fabrik und habe mich emotional distanziert. Ich glaube, sonst hätte ich diesen Zustand nicht ausgehalten. Mir hat in dieser Zeit auch der soziale Ausgleich gefehlt, ich konnte meine Freund:innen ja nicht treffen.
Aber immerhin haben wir für euch geklatscht!
Haha, ja! Wir haben das damals unseren «Bravo-Lohn» genannt. Und die Zeit war wirklich hart, wir durften nicht von den Patient:innen weg, bis uns jemand ablöste. Nicht essen, trinken oder aufs WC gehen. Ich muss sagen, die Klatsch-Aktion hat mich anfangs sehr berührt, und ich habe ein paar Tränchen verdrückt. Es war ein Zeichen dafür, dass unsere Arbeit wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Aber irgendwann habe ich gedacht: Und jetzt? Für einen Applaus macht niemand einen Nachtdienst.
Mich schockiert, wie wenig du verdienst. Findest du deinen Lohn fair?
Das habe ich mich schon oft gefragt, und das ist auch eine Frage, die mir ab und zu gestellt wird. Die Antwort darauf ist unendlich vielschichtig. Für mich und meine Ansprüche ist es genug, ja.
Aber als Vergleich: Ich verdiene 6100 Franken brutto auf 100 Prozent und schreibe Artikel. Du verdienst nicht viel mehr als ich und rettest Leben.
Ich finde, man kann Berufe nicht ausserhalb ihrer Branchen miteinander vergleichen. Es gibt ja innerhalb der Pflegebranche durchaus eine Steigerung: Als Fachangestellte Gesundheit verdienst du weniger als jemand mit meinem Beruf, dafür macht man ja auch Weiterbildungen. Ich finde die Frage, was ein guter Lohn ist, extrem schwierig. Was wird denn entlohnt mit diesem Geld? Bekomme ich Geld, weil ich Schichtarbeit leiste? Oder weil ich einen Job mache, den nicht viele andere machen wollen oder können? Da könnte man auch sagen: Auch im Restaurant sind die Arbeitszeiten teilweise mühsam, und nicht alle sind dafür geeignet. Und: Was ist überhaupt viel, was ist wenig? Müssen wir alle mehr verdienen, oder könnte man eine Obergrenze für Löhne ziehen?
Ziemlich philosophisch!
Schon, ja. Deshalb ist es auch nicht möglich, auf diese Fragen eine einzige Antwort zu geben. Natürlich ist mein Lohn niedrig, wenn ich ihn mit Löhnen aus der Privatwirtschaft vergleiche. Dafür ist mein Job so gesichert wie wohl wenige andere. Das ist der Vorteil des Personalmangels, der momentan herrscht.
Aufgrund der Coronapandemie wurde ja die Pflegeinitiative angenommen. Unter anderem soll mehr Geld in die Ausbildung von Pflegepersonal fliessen. Nun will man vor allem mehr junge Leute in die Branche holen. Was denkst du darüber?
Hm. Die Idee ist sicherlich nicht schlecht. Aber es bringt nichts, wenn mehr Wasser den Rhein hinunterfliesst, wenn das Auffangbecken verdreckt ist. Es nützt nichts, wenn junge Leute eine Ausbildung machen und dann nur fünf Jahre auf dem Beruf arbeiten, bevor sie wieder gehen. Das bedeutet einen Qualitätsverlust, und du hast am Schluss niemanden mehr, der 30 Jahre Berufserfahrung hat.
Jeden Monat verlassen 300 Pflegende die Branche, dabei braucht es dringend Personal. Weshalb?
Ein grosser Punkt ist die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. In unserem Beruf arbeitest du nicht von Montag bis Freitag, von acht Uhr morgens bis sechs Uhr abends, sondern sehr unregelmässig. Und du arbeitest auch an Weihnachten und Silvester, musst für alle Schichten zur Verfügung stehen. Und das wird immer schlimmer, je weniger Personal es gibt. Es gibt also sehr wenig Flexibilität, und das muss sich wirklich ändern.
Gibt es denn auch positive Veränderungen?
Ja, bei uns im Spital haben wir seit etwa einem Jahr einen Mitarbeiter:innen-Pool für die Teilzeitarbeitenden. Das heisst, wenn eine Schicht besetzt werden muss, bekommen alle eine SMS und können sich melden, wenn sie einspringen. Vorher war das nicht so, da wurdest du an deinem freien Tag persönlich angerufen. Und natürlich traut sich so kaum jemand, eine zusätzliche Schicht abzulehnen. Man weiss ja, wie streng es ist, wenn Leute fehlen, und man will sein Team nicht im Stich lassen. Das kann doch nicht die Lösung sein. Wenn du auf der Bank arbeitest, ruft dich niemand an und fragt dich, ob du Lust hast, an deinem freien Sonntag zu arbeiten.
Wie viel verdienst du pro Stunde mehr, wenn du am Wochenende arbeitest?
Im Stundenlohn habe ich normalerweise 60 Franken pro Stunde, am Wochenende und bei Einsätzen in der Nacht sind es 8.40 Franken zusätzlich.
Wofür gibst du gerne Geld aus?
Fürs Reisen. Mein Mami sagt immer: «Geld kannst du nicht mit ins Grab nehmen.» Und alles Materielle kann kaputtgehen oder man kann es verlieren. Aber Erinnerungen, die kann man – glaube ich! – schon mitnehmen. Und die kann einem nie mehr jemand wegnehmen, das finde ich sehr schön.