Es ist wieder so weit: Der Jahresendspurt ist eingeläutet und allen, mit denen ich in den letzten Wochen gesprochen habe, geht es offenbar ähnlich: Wir sind erschöpft und fiebern ruhigeren Zeiten entgegen. 

Julia Panknin
Damit wird die Zeit, die im Volksmund gerne als besinnlich umschrieben wird, für viele zur stressigsten des Jahres. Mich eingeschlossen.

Neu ist das nicht. Dieses Spiel wiederholt sich jedes Jahr. Ist ja auch irgendwie logisch. Es stehen aktuell nicht nur der berufliche Jahresabschluss an, sondern auch diverse Weihnachtsvorbereitungen und -feiern. Damit wird die Zeit, die im Volksmund gerne als besinnlich umschrieben wird, für viele zur stressigsten des Jahres. Mich eingeschlossen.

Was ich deshalb schon fast ein bisschen lustig finde: Einige scheinen den Drang zu haben, nun auch noch private Treffen nachzuholen, die in den letzten Monaten zu kurz gekommen sind.

Ich habe allein in den letzten zwei Wochen Nachrichten von vier lieben Menschen bekommen, die mir mögliche Termine für «ein Treffen noch vor Weihnachten» vorschlugen. Weil es doch einfach nicht sein könne, dass wir uns so lange nicht gesehen hätten.

Allen antwortete ich, dass ich mich darauf freue, sie wiederzusehen, in diesem Jahr aber keine weiteren Termine mehr in meinen Kalender quetschen möchte, weil ich ressourcentechnisch bereits auf dem Zahnfleisch laufe.

Augenzwinkernd fügte ich an, dass ich nicht davon ausginge, dass die Welt am 31. Dezember untergehen würde und wir deshalb sehr gerne schon jetzt einen Termin fürs kommende Jahr suchen könnten, wenn sie das möchten.

Julia Panknin
Sie gaben mir durch ihre Absagen Entlastung und gleichzeitig den Schubs, den ich brauchte, um selbst tief in mich hineinzuhören. So realisierte ich, dass auch meine sozialen Batterien so gut wie leer sind.

Ihre Reaktion? Erleichtert und belustigt. Eine Person schrieb mir: «Du hast so recht! Wieso habe ich das Gefühl, alles noch schnell, schnell vor Ende Jahr abhaken zu müssen? 😂» Meine Vermutung ist: Weil vor dem Jahreswechsel aus unerklärlichen Gründen immer Apokalypse-Stimmung ausbricht und wir das so gewohnt sind, dass viele von uns es nicht hinterfragen.

Viele, aber nicht alle. Was nämlich gleichzeitig passierte: Mir sagten in den letzten Tagen mehrere Menschen Verabredungen ab. Und zwar nicht aufgrund einer vorgeschobenen Erkältung, sondern weil sie bemerkt haben, dass ihnen gerade «alles zu viel wird». Und ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr ich diese Menschen dafür feiere. Warum? Weil sie den Mut haben, sich und ihre Bedürfnisse zu priorisieren und das offen zu kommunizieren.

Mit ihrer vorgelebten Selbstfürsorge haben sie mir gleich zwei Gefallen getan: Sie gaben mir durch ihre Absagen Entlastung und gleichzeitig den Schubs, den ich brauchte, um selbst tief in mich hineinzuhören. So realisierte ich, dass auch meine sozialen Batterien so gut wie leer sind. Dass ich mir gerade nichts mehr wünsche als ein paar ruhige Abende allein zu Hause und ausreichend Schlaf. 

Es fällt mir jedoch um einiges schwerer, Dinge abzusagen, als von Anfang an zu kommunizieren, dass ich aktuell keine Kapazität habe. Geht dir vielleicht auch so. Ich denke, niemand möchte Menschen enttäuschen, die man gern hat. Nur bei uns selbst haben wir damit offenbar oft kein Problem. 

Mit diesem Gedanken im Kopf tat ich es. Absagen, meine ich. Sogar zweimal und mit dem wahren Grund. Die Antworten waren liebevoll und bestärkend: «Logisch bin ich traurig, dich nicht zu sehen. Aber gleichzeitig finde ich es mega wichtig, dass du machst, wonach dir ist und du auf dich schaust» und «Ich fühl dich! Du machst es genau richtig! ❤️»

Wie eine heilsame Kettenreaktion fühlt sich das an. Diese stärkt in mir die Hoffnung, dass transparente Selbstfürsorge vielleicht endlich auf dem Weg ist, salonfähig zu werden. Wie erlebst du das? 

Julia Panknin ist selbstständige Journalistin, Speakerin und Beraterin mit Fokus auf die Themen Parental Burnout und Vereinbarkeit von Kind und Karriere, Gründerin von mamibrennt.com sowie Verantstalterin der Party-Reihe «mamiTanzt». Die Münchnerin lebt seit 15 Jahren in der Nähe des Zürichsees und hat eine kleine Tochter, die sie 50:50 im Wechselmodell mit deren Vater betreut.

Die Geburt von Jessy – die Weihnachtsgeschichte für Feminist:innen erzählt
Wie würde unsere Welt aussehen, wenn Jesus ein Mädchen gewesen wäre? Unsere Kolumnistin hätte da ein paar Ideen.
Advent, Advent, das Mami brennt
Es ist die erste Adventszeit nach dem MomBurnout unserer Autorin. Was sie nun ganz bewusst wahrnimmt: Statt Besinnlichkeit bricht in ihrem Umfeld im Dezember die Advent-Apokalypse aus, die vor allem Mamis jedes Jahr ans Ende ihrer Kräfte bringt.