Kein Sex mit Männern, keine Kinder gebären, keine Männer daten, keine Männer heiraten. Das will die sogenannte «4B»-Bewegung aus Südkorea. Und seit Donald Trump erneut zum US-Präsidenten gewählt wurde, gewinnt diese auch unter Frauen in den USA an Popularität, entsprechende Videos trenden gerade auf Social Media.
Das «4B»-Movement gilt als radikale feministische Bewegung. Seine Anhängerinnen möchten im weitesten Sinne den Männern und dem Patriarchat mit all seinen Zwängen abschwören. Die vier Bs stehen für vier «Neins» – die oben genannten Prinzipien beginnen im Koreanischen mit den Silben «Bi».
Die Bewegung ist nicht neu, sie entstand in Südkorea bereits um das Jahr 2017. Als ausschlaggebend gilt ein Femizid im Jahr 2016. Der Mörder erstach sein Opfer in einer öffentlichen Toilette. Frauen hätten ihn «immer ignoriert», begründete der als schizophren diagnostizierte Mann seine Tat. Zwar wurde er verurteilt, der Mord von den Behörden aber nicht als Hassverbrechen eingestuft.
Wie in den meisten Ländern sind Frauen in Südkorea von sexualisierter Gewalt betroffen und werden geschlechtsspezfisch diskriminiert. Seit den späten 2010er-Jahren wehren sie sich im Zuge der #MeToo-Bewegung vermehrt gegen die Missstände.
Bereits in den letzten zehn Jahren haben immer mehr Frauen darauf verzichtet, Kinder zu kriegen und zu heiraten. Die Geburtenrate ist seit 2015 von 1.24 Kindern pro Frau auf 0.7 im Jahr 2023 gesunken. Von «Geburtenstreik» und «Heiratsstreik» ist die Rede. Die Kindererziehung und die Mieten seien zu teuer, die Arbeitszeiten zermürbend, und Mütter würden zusätzlich mit stereotypen Erwartungen konfrontiert, schreibt die südkoreanische Journalistin Hawon Jung in der New York Times.
Die aktuelle konservative Regierung unter Präsident Yoon Suk-Yeol ihrerseits übt Druck auf Frauen aus, um die Geburtenrate zu erhöhen – anerkennt gleichzeitig Sexismus aber nicht als strukturelles Problem.
Als Reaktion darauf begannen sich die sogenannten «anonymen Frauen» online zu vernetzen, die «4B»s zu propagieren und zu praktizieren. Sie teilten Videos auf Social Media und tauschen sich in Onlineforen und über Websites aus.
Teile der Bewegung sind problematisch
Eine dieser «4B»-Seiten heisst Womad. Diese aber gilt als problematisch, da sie trans- und homophobe Inhalte teile, biologisch-essenzialistische Ansichten vertrete und immer wieder zu Gewalt gegen Männer aufgerufen hat.
Weitere Kritikpunkte: Die Bewegung sei rein performativ und würde Männer kollektiv bestrafen. Einige befürchten, die «4B»s würden dazu führen, dass Männer gewalttätiger und häufiger Frauen vergewaltigen würden – da sexdepriviert.
Andere wiederum kritisieren die Vorstellung, dass Sex dazu diene, die Bedürfnisse von Männern zu bedienen, und man ihn deshalb vermeiden solle. Frauen würden so ihre eigene Lust und den Traum von einer Familie opfern.
Und politisch hätten Feministinnen in Südkorea dazu beigetragen, dass der konvervative Präsident Yoon Suk-Yeol an die Macht gekommen sei. Er habe sich das Ressentiment von Männern, die unter dem Aktivismus von Frauen leiden würden, zunutze gemacht.
Trump-Wähler schrecken Frauen ab
Trotz kritischer Aspekte trendet diese Bewegung nun also auch in den USA, und zwar auf den Tag genau seit der Wahl von Donald Trump. Eine junge Frau auf TikTok formuliert es so: «If men won't respect our bodies, they don’t get access to our bodies.»
Trump-Wähler und interessanterweise auch viele Trump-Wählerinnen haben einen verurteilten Sexualstraftäter gewählt, jemanden, der Abtreibungen einschränken und Frauen ihrer Selbstbestimmung berauben möchte. Einen Mann, der anderen Männer sagt: «Grab them by the pussy.» Mit Männern, die sowas unterstützen, möchten die US-Anhängerinnen der «4B»-Bewegung nichts mehr zu tun haben. «Ich möchte dich nicht mal in meiner Nähe atmen hören», sagt eine TikTokerin.
Ist das radikal?
Ist es radikal, «Nein» zu sagen zu Personen, die einem grundlegende Rechte verwehren und einen als Menschen nicht respektieren?
Die «4B»s mögen vielen als zu drastische Massnahme gegen das Patriarchat erscheinen. Man kann sie aber auch als Gedankenanstoss sehen. Nämlich, um sich zu fragen: Wie viel Patriarchat möchte man, beziehungsweise frau, im eigenen Leben?
Keine Lust auf Männer – das ist ok
Zahlen legen nahe, sich diese Frage zu stellen.
Eine vielbeachtete Studie des Umfrageinstituts Sotomo aus dem Jahr 2019 zu sexueller Belästigung und sexualisierter Gewalt in der Schweiz zeigt: Zwei von drei befragten Frauen gaben an, durch unerwünschte Berührungen, Umarmungen und Küsse belästigt worden zu sein. Rund jede dritte Frau wurde bereits online belästigt. Mehr als jede fünfte Frau hat ungewollte sexuelle Handlungen erlebt. 12 Prozent berichteten von Geschlechtsverkehr gegen den eigenen Willen.
Belästigt werden Frauen an allen möglichen Orten. Auf der Strasse, im ÖV, bei der Arbeit, beim Sport, auf Dates, im Club, im Freundeskreis. Vergewaltigungen werden mehrheitlich im privaten Raum verübt.
Aus der polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes geht hervor, dass bei den registrierten Fällen sexualisierter Gewalt in den meisten Fällen Männer die Täter sind. Weitere Zahlen und Einschätzungen von Fachpersonen zeigen, dass gerade unter jungen, konservativen Männern Vergewaltigungsmythen noch immer verbreitet sind, dass sie also sexualisierte Gewalt verharmlosen.
Bekommt eine Frau hierzulande ein Kind, muss sie aufgrund des schlechten Betreuungssystems, schlechterer Bezahlung und noch immer vorhandener stereotyper Rollenbilder damit rechnen, dass sie ihre Karriere nicht wie geplant fortsetzen kann. Und noch immer bleibt oft mehr Hausarbeit an Frauen als Männern hängen.
Gleichzeitig findet über die Hälfte der befragten Männer laut einer SRG-Umfrage, dass die Gleichstellung in der Schweiz erreicht sei.
Konsequenzen ziehen, auch ohne «4B»
Ob sich Frauen also all dem aussetzen möchten, all diesen Risiken, die mit Interaktionen mit Männern einhergehen, ist eine berechtigte Frage, «4B» hin oder her.
Wie leben, wie daten, wie lieben? Welche Art von Partnerschaft führen? Heiraten in Weiss oder gar nicht? Familie ja oder nein?
Viele Frauen stellen sich diese Fragen, und einige ziehen entsprechende Konsequenzen, auch wenn sie sich nicht zu einer so absoluten Bewegung wie jener der «4B»s zählen. Manchmal scheint Vermeidung eine plausible Lösung, auch wenn sie eine Form von Rückzug sein mag. Manchmal haben Frauen einfach keine Lust aufs Patriarchat.
Zudem: «Nein» zu hetero-cis-Männern zu sagen ist ok, aus welchem Grund auch immer. Für viele Männer mit entsprechender Haltung mag das schwer verdaulich sein. Allein dass das so ist, zeigt das Problem.
Jene, die sich nun vor den Kopf gestossen fühlen, sollten die «4B»-Bewegung als Anlass nehmen, sich zu fragen: Wie können wir sein, damit solche Movements erst gar nicht entstehen müssen?