In wenigen Tagen ist es auch bei uns so weit: Gleichgeschlechtliche Paare können in der Schweiz heiraten. Die Ehe für alle tritt am 1. Juli in Kraft. Damit ändert sich für gleichgeschlechtliche Paare einiges – aber nur, wenn sie dies auch möchten.
So verschwindet die eingetragene Partnerschaft als Zivilstand. Das war bisher für gleichgeschlechtliche Paare die einzige Möglichkeit, einen Bund fürs Leben zu schliessen und einander finanziell und rechtlich abzusichern. «Ab dem 1. Juli können keine neuen eingetragenen Partnerschaften mehr begründet werden», sagt Alessandra Widmer, Co-Geschäftsleiterin Lesbenorganisation Schweiz, kurz LOS. Was heisst das für all jene, die sich bisher für diese Lebensform entschieden haben? «Nichts», gibt Widmer Entwarnung: «Wer in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, kann sie fortführen, ohne etwas unternehmen zu müssen.»
Einfach umwandeln oder die Ehe feiern
All jene, die einen Trauschein möchten, bekommen diesen. Sie müssen dafür aber selbst aktiv werden: Eine automatische Anpassung des Zivilstands gibt es nicht. Wer die eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln will, muss eine sogenannte Umwandlungserklärung schreiben. Darin kann ganz kurz ausgeführt werden, dass man die eingetragene Partnerschaft neu als Ehe weiterführen möchten. «Das Schreiben müssen Paare persönlich auf einem Zivilstandsamt abgeben und beglaubigen lassen. Die Unterschriften des Paares und die Beglaubigung durch das Zivilstandsamt reichen aus, um die Partnerschaft als Ehe anerkennen zu lassen», erklärt Alessandra Widmer. Wer im Ausland wohnt, kann dieses Dokument bei einer Schweizer Vertretung, beispielsweise der Botschaft, beglaubigen lassen. Ab dem 1. Juli kann eine solche Umwandlung jederzeit gemacht werden. Es gibt keine Frist oder Ähnliches, bis wann eingetragene Partnerschaften umgewandelt sein müssen.
Soweit die etwas nüchterne Variante. Wer es lieber feierlicher hat, kann die eingetragene Partnerschaft auch im Rahmen einer Zeremonie zur Ehe umwandeln lassen. Solche Zeremonien werden ebenfalls auf dem Zivilstandsamt durchgeführt. Um einen Termin zu vereinbaren und für weitere Informationen kontaktieren Paare am besten direkt das Amt ihrer Wahl.
Mehr Rechte und mehr Privatsphäre
Mit der Ehe für alle werden gleichgeschlechtliche Paare heterosexuellen Paaren rechtlich gleichgestellt. Das bedeutet auch, dass sie zusätzliche Rechte in den Bereichen Einbürgerung, Adoption und Fortpflanzungsmedizin erhalten. Denn in der Schweiz ist es so: Nur wer verheiratet ist, kann sich erleichtert einbürgern lassen. Nur als Ehepaar darf man gemeinsam ein Kind adoptieren. Und nur mit Trauschein hat eine Frau Zugang zur Samenspende. Eine eingetragene Partnerschaft reichte dafür nicht aus. Für gleichgeschlechtliche Paare waren diese Türen darum bisher verschlossen.
Neben mehr Rechten bietet die Ehe zudem einen besseren Schutz der Privatsphäre, wie Alessandra Widmer erklärt: «Durch die Ehe lassen sich ungewünschte Outings vermeiden, beispielsweise auf Formularen bei Bewerbungen oder bei der Wohnungssuche. Durch die Möglichkeit, zu heiraten, kann man auch bei Fragen nach dem Zivilstand einfach verheiratet angeben und muss nicht schreiben: in eingetragener Partnerschaft.» Die sexuelle Orientierung wird so nicht ungewollt preisgegeben.
Eine bessere Absicherung für beide Seiten
Auch wenn man durch das Eintragen der Partnerschaft seine:n Partner:in finanziell und rechtlich absichern konnte, bietet die Ehe mehr Möglichkeiten – vor allem beim Güterstand, also der Aufteilung der Vermögenswerte. Bei eingetragenen Partnerschaften gilt grundsätzlich die Gütertrennung, wenn das Paar vertraglich keine andere Regelung festhält. Das heisst vereinfacht gesagt: Jede:r arbeitet für die eigene Kasse. Bei der Gütertrennung gehört das Geld, das man während der Partnerschaft erwirtschaftet, der Seite, die es verdient hat. Trennt sich das Paar, muss es weder das Vermögen noch die Altersvorsorge untereinander aufteilen. Solange beide Partner:innen Vollzeit arbeiten und finanziell unabhängig sind, ist das kein Problem. Problematisch wird es, wenn eine Seite mehr in die Familienarbeit investiert, dafür das Arbeitspensum reduziert und weniger verdient. Geht die Beziehung in die Brüche, ist die finanziell schwächere Seite weniger gut abgesichert. In einer eingetragenen Partnerschaft bekommt sie keinen finanziellen Ausgleich für die Familienarbeit.
Bei der Ehe ist das anders: Bei verheirateten Paaren gilt – sofern sie nichts anderes vertraglich vereinbaren – automatisch die Gütergemeinschaft. In diesem System wird alles, was die Partner:innen in ihrer gemeinsamen Zeit verdienen, bei einer Scheidung 50:50 geteilt. Für jene Seite, die mehr unbezahlte Familienarbeit leistet, ist das eine Art Ausgleichszahlung für die Arbeit in der Familie.
Übrigens: Paare, die weder verheiratet sind noch in einer eingetragenen Partnerschaft leben, haben bei einer Trennung gar keinen gesetzlichen Anspruch am Vermögen der anderen Seite.
Vielfältige Lebensentwürfe
Bei der LOS gehen immer wieder Anfragen rund um die Ehe für alle ein. Teilweise gehe es um inhaltliche oder bürokratische Unklarheiten. «Wir erhalten aber auch viele schöne Nachrichten aus der Community, von Paaren, die ihre Hochzeit planen und bei ihrem Fest für uns Spenden sammeln wollen oder Ähnliches», erzählt Alessandra Widmer. Einen grundsätzlichen Rat dazu, ob man eine eingetragene Partnerschaft beibehalten oder sie in eine Ehe umwandeln sollte, gibt die LOS nicht ab. Man empfehle Paaren grundsätzlich, sich zu informieren und selbst zu entscheiden, was für sie passe. «Wir beraten sie auch gerne bei ihrer Entscheidungsfindung. Wir haben nun mit der Ehe für alle eine Option, unsere Beziehungen und Familien besser abzusichern, aber damit sind wir noch nicht am Ende – denn unsere Lebensentwürfe sind vielfältig», betont Widmer.