Schon als kleines Mädchen habe ich erkannt, dass weniger oft mehr ist, wenn es um Nähe zwischen den Geschlechtern geht. Dies gilt besonders für die Frauen, denn: Für uns birgt das Führen einer heterosexuellen Beziehung grosse Gefahren.
Bis vor relativ kurzer Zeit waren diese Gefahren sogar noch gesetzlich verankert. Hier einige Beispiele:
Bis 1988 waren verheiratete Frauen nicht vertragsberechtigt. Sie durften ohne die Unterschrift ihres Ehemannes kein eigenes Bankkonto eröffnen und keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Falls sie Vermögen mitbrachte, gehörte dies nach der Eheschliessung ihm – genauso wie der Löwenanteil der gemeinsamen Ersparnisse im Falle einer Scheidung. Frauen waren gesetzlich dazu verpflichtet, den eidgenössischen Bünzlihaushalt zu führen, Kinder trugen selbstredend den Nachnamen des Vaters. Kurz: Der Mann galt als Familienoberhaupt und hatte Recht auf Röschti.
Bis 1992 hatte eben dieses Familienoberhaupt ebenfalls das gesetzlich zementierte Recht auf Beischlaf: Vergewaltigung in der Ehe wurde in der Schweiz im gleichen Jahr strafbar, wie ich eingeschult werde. Erst seit 2004 wird sie – also die Vergewaltigung in der Ehe – auch tatsächlich von Amtes wegen geahndet. Gleichzeitig wird die körperliche Züchtigung der Ehefrau durch den Ehemann unter Strafte gestellt.
Generell ist 2004 ein gutes Jahr für uns Frauen. In diesem Jahr wird nämlich auch die Fristenlösung eingeführt. Fortan ist eine Abtreibung nicht mehr strafbar, sofern sie vor der 12. Schwangerschaftswoche stattfindet.
Seit 2005 hat eine Frau in der Schweiz Anspruch auf 14 Wochen vergüteten Mutterschaftsurlaub. Meine ersten Freundinnen haben da schon Kinder. Der sogenannte «Wehrmannsschutz» – der Erwerbsersatz, den Männer vom Schweizer Staat erhalten, wenn sie ins Militär gehen – wird demgegenüber bereits seit dem Zweiten Weltkrieg ausbezahlt. Just saying.
Heute schreiben wir das Jahr 2024 – und noch immer leben Frauen in heterosexuellen Beziehungen gefährlich.
Jede vierte Frau in der Schweiz hat gemäss repräsentativer Umfragen sexualisierte Gewalt erlebt, jede zehnte wurde vergewaltigt. Die Dunkelziffer dürfte einiges höher sein. Der gefährlichste Ort für eine Frau ist dabei das eigene Zuhause, die gefährlichste Person der eigene Partner oder Ex-Partner. Kinder zu bekommen ist das grösste wirtschaftliche Risiko, das Frauen eingehen können – die meisten Menschen, die in der Schweiz unter der Armutsgrenze leben, sind alleinerziehende Mütter – und vom Karriereknick, den die Mutterschaft mit sich bringt, fang ich besser gar nicht erst an.
Im Länderranking des WEF-Global Gender Gap Report 2023 belegen wir den 21. Platz. Wir liegen hinter Namibia, Ecuador, Ruanda und den Philippinen. Sogar Südafrika – ein Land, in dem Frauen unglaublich viel Gewalt erleben – hat uns mittlerweile überholt. Die gleiche Studie kommt zum Schluss, dass erst in 131 Jahren keine Unterschiede bezüglich Bildung, politischer Partizipation, ökonomischen Chancen, Gesundheit oder schlichtem ÜBERLEBEN zwischen den Geschlechtern mehr bestehen werden, wenn wir in diesem Tempo weitermachen. 2020 waren es noch 100 Jahre – wir bewegen uns also rückwärts.
Lange Rede, kurzer Sinn: Die Theorie, die ich mit Anfang 20 aus Jux entwickelte und auf den klangvollen Namen «Die Rosannaische Theorie der Zweifaltigkeit» taufte, hat tatsächlich eine Art von statistischer Gültigkeit. Drei von drei sind mindestens eins zuviel, wenn es um die unheilige Dreifaltigkeit aus gemeinsamem Haushalt, Ehe und Kindern geht! Frau sollte mindestens auf eins verzichten, wenn sie ein halbwegs sicheres und freies Leben führen möchte. Konkret: Wenn frau mit einem Mann Kinder haben möchte, sollte sie nicht mit ihm zusammenziehen oder ihn alternativ nicht heiraten. Wer heiraten möchte, sollte sich entweder gegen Kinder oder gegen ein gemeinsames Zuhause entscheiden, und wer auf das gemeinsame Nest nicht verzichten will, tut dies dafür auf Kinder und/oder Ehe.
Ich für meinen Teil habe auf alle Fälle vor, mich an die Rosannaische Theorie der Zweifaltigkeit zu halten! Und weil ich mich kürzlich für die Variante «Nest» entschieden habe (mein Freund ist letzte Woche mit Sack, Pack und Synthesizern bei mir eingezogen), werde ich entweder auf Kinder oder aufs Heiraten verzichten. Vermutlich sogar auf beides. Vielleicht hätte ich meine Theorie also besser «Die Rosannaische Theorie der Einfaltigkeit» genannt.