Hast du auch schon mal Kunst gekauft? Wer hat entschieden, wie viel Wert das Werk hat? Ist es eher brotlose Kunst oder eine Wand-Aktie? Wer oder was beeinflusst die Höhe der monetären Anerkennung für ein Kunstwerk?
Künstlerinnen sind mit einem Anteil von 31 Prozent in Gruppenausstellungen und 26 Prozent in Einzelausstellungen in der Schweiz massiv untervertreten. Das hat finanzielle Folgen: Werden die Werke einer Künstlerin weniger ausgestellt, sind sie weniger sichtbar und haben weniger Möglichkeit auf Anerkennung und Wert-Schätzung bzw. Schätzung des Wertes in Kunst- und Käuferkreisen. Dadurch werden sie monetär oft tiefer bewertet als die Werke ihrer männlichen Kollegen. Weibliche Kunstschaffende erhalten für ihre Arbeiten weniger Geld als Männer. Den Gender Pay Gap gibt es also auch in der Kunstwelt.
Das Gegenüber vervollständigt das Werk
Kunst bewegt: Sie überrascht, sie erfreut, sie ekelt, sie beschwingt, sie provoziert, sie regt an, sie löst Gefühle aus oder lässt kalt, sie deprimiert, sie beglückt, sie spiegelt. Irgendeine Wirkung und eine damit verbundene Wertung löst Kunst immer in uns aus. Unbewusst oder bewusst. Und keine Wertung ist falsch. Sie spricht unser eigenes, inneres Gefühls- und Wissensarchiv an. Du vervollständigst die Kunst durch deine Betrachtung und gibst ihr so einen Wert. Ohne die Gegenposition der Betrachtenden ist Kunst wertlos. Nichts weiter als Materie, je nach Material mal wertvoller, mal praktisch wertlos.
Kunst ist nicht wie ein Auto, ein Sofa oder Gold. Ihr Wert ist nicht messbar und vergleichbar. Das Gegenüber der Kunst – die Betrachtenden – gestalten den Wert von Kunst mit. Es ist entscheidend, wie das Gegenüber das Werk wert-schätzt. Dieser Wert geht meist weit über das blosse Material hinaus. Dabei hängt es davon ab, wer dieses Gegenüber ist. Je nachdem, wie eine Person hierarchisch und finanziell gestellt ist und wie viel Macht sie hat, kann sie mehr oder weniger Einfluss auf den monetären Wert eines Werkes ausüben.
Emotion bewegt Geld. Aber wie viel? Und wieso?
Was ich an dieser Stelle anhand der Kunstwelt beschreibe, stellt eine schöne Metapher dar, um die Geld- und Machtverhältnisse in all den anderen gesellschaftlichen Bereichen aufzuzeigen, in denen ebenfalls mit Emotionen und nicht mit messbaren Grössen argumentiert wird. Es zeigt die Schwierigkeit auf, diesen Bereichen einen fixen monetären Wert zuzuschreiben. Denn ebenso wie in der Kunstwelt hängt dieser erst einmal mit der Wert-Schätzung zusammen.
Wenn wir nun in der Kunstwelt, aber auch in anderen Bereichen unserer Gesellschaft eine Neugestaltung der Bewertung anstreben, kommen wir nicht umhin, unseren Bewertungskatalog zu hinterfragen und von Grund auf neu werten zu lernen. Oder zumindest jede Bewertung von uns zu hinterfragen. Nämlich, wie wir Dinge, Lebewesen und Umstände bewerten. Entspricht dies wirklich meiner Wert-Schätzung oder ist es eine Wert-Schätzung, die von bestehenden gesellschaftlichen Normen geprägt ist?
Welchen Wert haben Beziehungen? Und Zeit?
Die erste Zeichnung meines Kindes hat für mich einen ganz besonderen Wert, nicht so für jemand Aussenstehenden. Für mich ist sie unbezahlbar, da ich das Kind und die Geschichte hinter der Zeichnung kenne. Für eine andere Person ist die Zeichnung lediglich das Papier wert, auf dem sie gemalt wurde. Meine Beziehung zu meiner Haushälterin oder zum CEO meines Unternehmens: Welche ist mir wie wichtig und wieso? Wie viel ist mir eine gute emotionale Beziehung zu meinen Kindern wert, wissend, dass ich in der Zeit, die ich ihnen widme, auch Geld verdienen könnte? Wie viel Geld ist diese Zeit und Beziehung also wert? Als Vater oder als Mutter? Für die Gesellschaft? Und wer bestimmt dies?
Die Wertgebung in der Kunst wie auch im sonstigen Leben sollten wir losgelöst von gesellschaftlichen Mustern vornehmen. Denn den Werten zugrunde liegt ein Wert, den wir erteilen. Aus diesem Wert, den wir geben, entstehen in der Folge übereinstimmende Werte mit anderen, und daraus ergeben sich wiederum gesellschaftliche Normen und Bewertungen.
Ich würde mir wünschen, dass wir so bald wie möglich in der Kunstwelt auf mehr Visibilität der Künstlerinnen treffen, da diese hoffentlich bald gleich wert-geschätzt werden wie ihre männlichen Kollegen. Nur so kann der Wert weiblicher Kunst auch im monetären Bereich steigen. Dann würde sich vielleicht zumindest in der Kunst der Gender Pay Gap allmählich schliessen.
Viel Spass bei der Erkundung deines Universums, ob mit oder ohne Kunst, wie du was bewertest und wieso du es genau so tust.
Ich freue mich auf weiteres. À la prochaine!