Ich erinnere mich lebhaft an den Tag, an dem ich das hässliche Gesicht der Eifersucht zum ersten Mal erblickte. Es war im Frühsommer 2002, kurz nach meinem 18. Geburtstag. Ich war mit meinem neuen Freund auf einer Geburtstagsparty irgendwo im Zürcher Enge-Quartier. Schwer verliebt und nichtsahnend standen wir knutschend an der Bar, als mein Ex-Freund, den ich für den Neuen verlassen hatte, mit einem Auto voller Homeboys vorfuhr und Anstalten machte, nicht nur den neuen Mann in meinem Leben, sondern gleich den ganzen Geburtstag zu Kleinholz zu schlagen.
Passiert ist natürlich nichts. Ich und der Neue flüchteten durch den Hinterausgang und traten unbeschadet den Weg nach Hause an. Aber ich erinnere mich lebhaft an mein Unverständnis und meine Wut, die auf dieses Erlebnis folgten: «Was zum Teufel hätte es denn bringen sollen», dachte ich bei mir, «meinem neuen Freund die Fresse zu polieren und meiner Kollegin den Geburtstag zu versauen?!» Meine Entscheidung habe ich entsprechend nicht revidiert, im Gegenteil: Nach diesem Auftritt war ich mir 100 Prozent sicher, den richtigen Mann verlassen zu haben!
Seither habe ich einige Beziehungen geführt, und in jeder einzelnen davon war Eifersucht ein Thema. Sämtliche meiner Männer litten unter der Paranoia, ich könnte mit anderen Männern schlafen; und zwar jeweils Jahre bevor ich dies tatsächlich auch tat. Vielleicht tat ich es, weil mir das ständige Genöle meiner Partner irgendwann auf die Nerven ging und ich nach einer Exit-Strategie suchte. Vielleicht, weil ich mir dachte, dass ich ja auch den Spass haben könne, wenn ich mich sowieso ständig mit dem Verdacht herumschlagen muss. Oder vielleicht, weil ich Eifersucht schlicht keine besonders attraktive Eigenschaft fand und finde.
Ja, ich stehe dazu: Früher oder später erwies sich Eifersucht in fast jeder meiner Beziehungen als Bumerang, als selbsterfüllende Prophezeiung.
Versteht mich nicht falsch: Auch ich bin manchmal eifersüchtig! Ich kenne die nagende Angst vor dem Vergleich mit anderen, ich weiss ganz genau, wie es sich anfühlt, wenn man an sich selbst die Note «ungenügend» vergibt! Nur: Bei mir – und bei vielen Frauen, die ich kenne – äussert sich dieses Gefühl weder in lauten Streitereien mit dem/der Partner:in noch in Gewalttätigkeiten gegenüber vermeintlichen Nebenbuhler:innen. Vielmehr erinnert uns Eifersucht daran, Menschen, die wir lieben, nicht für selbstverständlich zu nehmen und kontinuierlich an den eigenen Unsicherheiten zu arbeiten. Kurz: ein besserer Mensch zu werden!
Ein Beispiel: Ich beobachte an mir selber, dass ich mir in einer langjährigen Beziehung wieder mehr Mühe gebe, meinem Partner optisch zu gefallen, wenn ich merke, dass eine andere Frau Avancen macht. Ich werfe mich für ihn in Schale, ich verführe ihn wieder häufiger. Und: Ich stelle mich ganz besonders gut mit der betreffenden Frau – in meinen Augen ein sehr viel effizienteres Mittel, einen möglichen Seitensprung im Keim zu ersticken, als Gewalt.
Leider habe ich mit meinen Männern oft andere, weitaus weniger positive Erfahrungen machen müssen. Die Anekdote am Anfang dieser Kolumne hat sich vielfach in meinem Leben wiederholt, in unterschiedlichen Abstufungen und Schweregraden zwar, aber dennoch im Grunde sehr ähnlich. Lange habe ich das nicht hinterfragt, sondern einfach akzeptiert, dass Männer wohl eifersüchtiger sind als Frauen.
Die männlich dominierte Disziplin der Evolutionspsychologie hält dafür eine mögliche Erklärung bereit: Für Männer sei die sexuelle Untreue der Partnerin die schwerwiegendste, da sie ihr Vertrauen untergrabe, der leibliche Vater der von ihnen aufgezogenen Kindern zu sein. Ergo liege es im Naturell des Mannes, die sexuellen Kontakte seiner Partnerin zu kontrollieren und weitestgehend zu eliminieren.
Seitdem meine Sensorik für patriarchale Machtgefälle in unserer Gesellschaft allerdings halbwegs ausgebildet ist, erkenne ich die stereotypen misogynen Muster hinter dieser Argumentation. So waren meine Typen zum Beispiel höchst selten je beunruhigt ob der Vorstellung, ich könnte mich in einen anderen Mann verlieben. Noch viel weniger fragten sie je, ob ich denn noch in sie verliebt sei. Immer und immer wieder galt ihre Sorge ausschliesslich der Vorstellung, ich könnte mit einem anderen Mann ins Bett gehen.
Männer glauben seit vielen tausend Jahren, die Sexualität von Frauen kontrollieren zu müssen, mit zum Teil drastischen Methoden. So ist die Anwendung von Gewalt gegenüber einem realen oder imaginären Nebenbuhler keine Seltenheit. Ebenso gelten Eifersucht und die Kontrolle der weiblichen Sexualität als das häufigste Motiv für Gewalt innerhalb der Partnerschaft: Die allermeisten Feminizide oder «Ehrenmorde» werden aus diesem einen Grund begangen.
Wir sind uns wohl alle einig, dass es kaum dem Erhalt der Art dient, wenn Mann seine Frau mit krankhafter Eifersucht vertreibt oder ihr gegenüber sogar gewalttätig wird. Zudem zeigen Studien, dass Männer gar nicht per se eifersüchtiger sind als Frauen: Sechs von zehn Menschen würden sich selbst gemäss einer Untersuchung von Elite Partner aus dem Jahr 2022 als eifersüchtig bezeichnen, wobei sich keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern feststellen liessen. Das Argument, Männer seien von Natur aus eifersüchtiger als Frauen, greift also zu kurz.
Ich glaube, die Wahrheit ist viel profaner: Männer sind eifersüchtiger als Frauen – und vor allem destruktiver eifersüchtig! –, weil ihnen unsere Gesellschaft das Recht dazu gibt. Und: Männer empfangen das Gefühl vielleicht auch mit offeneren Armen als wir, geben sich ihm bedingungsloser hin. Schliesslich dürfen sie sonst nur in ganz wenigen Momenten so offen zu ihrer eigenen Verwundbarkeit stehen wie dann, wenn sie eifersüchtig sind.