Liebe Joel,

So beginnen viele E-Mails, die ich seit meinem Arbeitsbeginn in einem feministischen Start-up erhalte. Dass eine «Joelle» ihren Namen überraschend etwas anders schreibt, scheint vielen Leuten naheliegender, als dass sich ein Mann für Gleichstellung einsetzt.

Zugegeben: Ich hatte Respekt davor, mich als Mann öffentlich für Gleichstellung stark zu machen. Schliesslich werde ich im Beruf nicht aufgrund meines Geschlechts diskriminiert. Wen interessiert es also, was ich über Gleichstellung zu sagen habe?

Joel Chavez
Die Vorstellung, wie Frauen und Männer zu sein haben, ist omnipräsent.

Wenn ich dennoch Männer über Frauenrechte aufklären möchte, gelte ich schnell als unmännlich. Oder als mühsam. Joel, der Sexismus-Polizist. You must be fun at parties.

Wenn ich mich an Frauen richte, wird mir unterstellt, dass ich bei ihnen nur Karma-Punkte abstauben möchte. Oder mansplaine. Und das erst noch bei einem Thema, das mich nicht einmal selbst betrifft.

Der Punkt aber ist: Es betrifft mich. Die Vorstellung, wie Frauen und Männer zu sein haben, ist omnipräsent. Und wenn es etwas gibt, was Männer und Frauen vereint, dann ist es der konstante Druck, diesen Vorgaben gerecht zu werden.



Ich finde: Wir sollten als Gesellschaft anerkennen, dass wir alle Teil eines Systems sind, das unterschiedliche Erwartungen an Frauen und Männer setzt. Da Frauen offensichtlicher diskriminiert werden (Stichwort Lohnungleichheit, Aufstiegsmöglichkeiten, Vereinbarkeit, Sexismus), wird es als selbstverständlicher angesehen, dass sie gegen diese Umstände ankämpfen.


Dass diese Erwartungen auch Männer diskriminieren, wird dagegen oft verharmlost oder gar romantisiert. Du kannst keine Gefühle zeigen? Dafür bist du der Fels in der Brandung. Du hast keine intimen Beziehungen? Dann kannst du dich voll auf dich selbst konzentrieren. Du hast nie gelernt, runterzukommen? Glückwunsch, kleiner Hustler.

Joel Chavez
Von Männern kommt zurzeit wenig bis nichts.


Damit wir Gleichstellung für alle erreichen, müssen Männer und Frauen zusammenarbeiten. Nur: Von Männern kommt zurzeit wenig bis nichts. Da sehe ich mich und meine Geschlechtsgenossen in der Pflicht. Erst wenn wir Männer uns aktiv in die Diskussion um Gleichberechtigung einbringen, erst wenn wir unsere Ängste kommunizieren und gemeinsam nach einer Lösung suchen, ändern sich die Bedingungen.


Deswegen – liebe Frauen und Männer – anstatt uns gegeneinander auszuspielen, lasst uns eine Koalition gründen, für eine geschlechtergerechte Gesellschaft.


Dann muss ich hoffentlich irgendwann nicht mehr erklären, warum ich bei ellexx arbeite.


Euer Joel



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