Trotz meiner Liebe zu meiner Wahlheimat Zürich ist mein Fussballherz nicht blauweiss gefärbt: Seit ich ein kleiner Junge war, sind die Berner Young Boys mein Verein. Meine Eltern nahmen mich früh zu Spielen mit. Diese Tradition setzte ich im Erwachsenenalter fort und siedelte mich mit Freunden vor zehn Jahren im Sektor B an, dem Familiensektor genau gegenüber der Fankurve. Der Grund war einfach: Wir wollten nicht in das aufgeladene Getümmel der Fanbasis, sondern im damals praktisch leeren Sektor Fussball schauen, YB feiern, Bier trinken und uns lauthals über den Schiedsrichter beschweren. Trotz des lange ausbleibenden Erfolgs kam es uns all die Jahre nicht in den Sinn, uns nach den Niederlagen draussen vor dem Stadion zu prügeln. Wofür denn? Doch gerade dieser Frust wird oft und gerne als Ausrede für die Ausschreitungen an praktisch jedem Wochenende genutzt.
Die Energie in Stadien ist aufgeladen, sie ist intensiv und männlich getrieben. Das ist strukturell bedingt, was ich mit drei Beispielen ausführen möchte: Erstens sind die modernen Fankurven nach dem italienischen Vorbild der Ultra-Bewegung der 1950er-Jahre organisiert, oft mitsamt einer gewählten Leitung. Und da mir – zumindest in der Schweiz – keine weibliche Capo, also eine Vorsängerin oder Anheizerin, bekannt ist, liegt folglich die Verantwortung für die Stimmung in den Stadien bei den Männern. Andererseits verfolgen die meisten Ultras auch andere Ziele, als einfach Fussball zu schauen: Sie drücken unter anderem ihre Unzufriedenheit gegenüber der Kommerzialisierung des modernen Fussballs oder auch hinsichtlich kapitalistischer Zwänge und Entwicklungen aus. Themen, die mich eigentlich absolut abholen. Doch stellen sie eben in Fussballstadien nur einen Teil der Kultur dar. Die davon ausgehende Protest-Stimmung kann auf alle anderen Gruppierungen im Stadion überschwappen, denn die Ultras geben den Ton an.
Zweitens: Die Gewalt wird vom Stadion nach Hause getragen. Die englischen Polizeikorps erheben an Spieltagen spezifische Daten und publizierten diese erstmals nach dem verlorenen EM-Finale 2021. Die Kombination von Männern, Alkohol und Grossevent führt zu einem signifikanten Anstieg an häuslicher Gewalt. 24 Prozent mehr Fälle, nur schon wenn England spielt. Zwölf Prozent kommen hinzu, wenn das Team verliert, weil die Männer ihre negativen Emotionen zu Hause rauslassen. Auf der Insel ist das Problem dermassen gravierend, dass Frauen an Spieltagen anderen Frauen private Schlafplätze anbieten. Es muss allen einleuchten, dass da irgendwas falsch läuft. Kein Capo ruft zu häuslicher Gewalt auf.
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Drittens: Aggressive Fans sind eine Gefahr für ihre Umgebung, auch nach dem Spiel. Seit Februar 2022 verkehren vor und nach Fussballspielen keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr in der Region um das Zürcher Stadion Letzigrund. Diese Entscheidung der Zürcher Verkehrsbetriebe kann ich komplett nachvollziehen: Die aufgeladene Stimmung ist ein Sicherheitsrisiko für Personal und Fahrgäste. Ich ziehe mein YB-Trikot seit Jahren nicht mehr an, wenn ich von Zürich nach Bern an die Spiele fahre, um nicht aufzufallen. Denn bereits mein Dialekt reicht für manche Fans aus, um Streit zu suchen. Vor vier Jahren verabredeten sich zwei meiner Cousins, beide Zürcher, mit mir und meiner Schwester in Altstetten auf ein Tennis- und Squashturnier. An diesem Tag fand auch das Derby zwischen GC und dem FCZ statt. Auf der Fahrt mit der S-Bahn zurück zum Bahnhof versperrten mir plötzlich vier Türme von Männern die Sicht. Der Zug war fast leer, und sie nahmen den Weg durch das ganze Abteil auf sich, um sich vor mir aufzubauen: «Ah, du bist Berner? Interessierst du dich für Fussball? YB-Fan?», fragten sie. Ich verneinte und verwies auf den Tennisschläger meiner Schwester. Mit einem «Aha! Besser so!» stiegen sie an der nächsten Station aus. Was wäre bei einem Ja passiert? Ich will es nicht wissen. Und dieses Beispiel ist absolut harmlos, wenn man es mit den obengenannten Konsequenzen für Frauen oder auch Personen, die nicht heterosexuell sind, vergleicht.
Klar ist also: Es fängt eben doch schon bei den Fangesängen an, welches Bild von Frauen und welcher Umgang mit ihnen vermittelt wird. Deshalb müssen gängige Wörter wie Hurensöhne, Nutten und Schwuchteln in Sprechchören der Vergangenheit angehören. Genau so, wie das konstante Prügeln nach den Spielen im Fussball eigentlich nichts verloren hat. Denn das ist kein Zeichen der Stärke des eigenen Vereins, auch es wenn manch einer gerne so verkauft! Es prangert auch nicht Missstände an. Es ist für gewisse Fans eine einfache Rechtfertigung, ihre eigenen Probleme in die Gesellschaft zu verlagern, und das stinkt mir gewaltig. Dass es anders sein könnte, zeigt zum Beispiel die Ultragruppierung «Schickeria» aus Bayern. Sie setzt sich gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus ein.
Um es klarzustellen, ich plädiere hier nicht für mehr Polizeipräsenz. Das ist nicht die Lösung, im Gegenteil. Zehn Kastenwagen und hundert Gesetzeshüter:innen befeuern die aufgeheizte Stimmung vor dem Spiel eher. Die einzige wirkungsvolle Regulierung geschieht von innen. Primär durch die anderen Fans in den eigenen Reihen und die professionelle Fan-Sozialarbeit. Die Fan-Sozialarbeiter bewegen sich in dieser Subkultur, kennen die Akteure, ihre Lebenswelten – und eben ihre Probleme. Das erlaubt einen Dialog auf Augenhöhe. Sie setzen sich als neutrale Instanz für eine Verminderung der strukturellen und sozial bedingten Gewalt ein. Anstatt Millionen in riesige Polizeiaufgebote zu buttern, könnte die Politik dort mehr in die Förderung investieren. Denn das Reden über die Probleme der Fans zeigt erwiesenermassen Wirkung.
Und eben, die anderen Fans sind gefragt. Wir können entscheiden, worauf die Fangesänge fokussieren: Feiern wir den eigenen Verein, oder legen wir den Fokus auf den Hass für die gegnerischen Supporter? Wir haben Einfluss darauf, ob wir gewalttätige Aktionen in den eigenen Reihen dulden oder das Gespräch suchen. Ich musste in der Vergangenheit auch ab und an in den Spiegel schauen und mich fragen, weshalb mich die Niederlage so frustriert. Meistens war die ehrliche Antwort, dass gerade anderswo der Haussegen schief hing. Also fragt euch bitte das nächste Mal, bevor ihr die Fäuste fliegen lasst: Löst das jetzt meine Probleme, oder müsste ich die mal anderweitig angehen? Kleiner Tipp: Ein Gespräch hilft häufig.