Wir von elleXX wollen, dass Politik weiblicher wird. Darum stellen wir hier in den nächsten Wochen in Kooperation mit «Helvetia ruft!» Kandidatinnen aus unterschiedlichen Kantonen und Parteien vor. Wir machen damit keine Wahlempfehlung. Wir wollen zeigen, dass es in allen Parteien und Kantonen Kandidatinnen gibt, die man wählen kann. Heute stellen wir dir Simona Brizzi, Diana Gutjahr und Johanna Bartholdi vor.
Simona Brizzi (49), SP-Kandidatin, Ennetbaden, Aargau
Welches Anliegen treibt dich in den Nationalrat?
Ich möchte mich für tragfähige Lösungen zum Wohl einer sozialen, familienfreundlichen, ökologischen und wirtschaftlich starken Gesellschaft einsetzen.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie steht es in der Schweiz um die Gleichstellung?
6. Frauen leisten den grössten Teil der unbezahlten Arbeit in Haushalt und Familie. Deshalb arbeiten viele Frauen Teilzeit, was Auswirkungen auf ihre Karriere und die berufliche Vorsorge hat. Jede zehnte Frau ist im Pensionsalter auf Ergänzungsleistungen angewiesen. In führenden Positionen sind Frauen immer noch untervertreten.
Welches Thema wird dein Dossier?
Meine Themengebiete werden im Bereich der Bildungs- und Familienpolitik liegen.
Wann wirst du als Politikerin unbequem?
Wenn nicht fair und sachlich argumentiert wird und Personen auf einer persönlichen Ebene angegriffen werden.
Was sagst du zu folgenden Stichworten:
Gender Pay Gap: Das Problem ist vielschichtig: Frauen mit vergleichbarer Qualifikation, Tätigkeit und Erwerbsbiografie wie Männer verdienen weniger. Weitere Lohnunterschiede kommen hinzu, weil es für Frauen nach wie vor schwieriger ist, Karriere zu machen. Dieser Missstand muss beseitigt werden.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Im internationalen Vergleich schneiden wir schlecht ab. Eine Studie von Unicef platziert die Schweiz auf dem letzten Rang im europäischen Vergleich, wenn es um Familienfreundlichkeit geht. Ein Zugang zu erschwinglicher Betreuung, unabhängig von den familiären Umständen, kommt den Kindern, den Familien, der Gesellschaft und der Wirtschaft zugute.
Altersarmut: Die steigenden Lebenshaltungs- und Gesundheitskosten, fehlende AHV-Beitragsjahre sowie der Koordinationsabzug bei der beruflichen Vorsorge, der vor allem Teilzeitarbeitende benachteiligt, trägt zur Armut im Alter bei. Jede zehnte Frau ist davon betroffen. Das Rentensystem muss überprüft und die soziale Unterstützung verbessert werden.
Wie sieht deine Schweiz 2050 aus?
Meine Vision: Unser Land zeichnet sich durch einen hohen gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und durch ein chancengerechtes Bildungssystem aus. Wir leben in einer klimaneutralen Schweiz, und durch das verdichtete Wohnen können Synergien genutzt werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist selbstverständlich. Die Digitalisierung erleichtert uns den Alltag, und der persönliche Austausch und Kontakte haben an Wert und Bedeutung gewonnen.
Diana Gutjahr (39), SVP-Kandidatin, Amriswil, Thurgau
Welches Anliegen treibt dich in den Nationalrat?
Die aktive Mitgestaltung unserer Schweiz. Wenn man nicht mitentscheidet, wird über einen entschieden. Das entspricht nicht meinem Naturell.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie steht es in der Schweiz um die Gleichstellung?
10. Ich habe mich noch nie ungleich behandelt gefühlt. Egal ob Frau oder Mann, man kann alles erreichen. Im Gegenzug muss man aber auch Verzicht üben. Den «Fünfer und 's Weggli» gibt es nicht.
Welches Thema wird dein Dossier?
Meine politischen Themen kommen aus dem wirtschaftlichen Alltag. Meine Schwerpunkte sind die Bildungs-, Wirtschafts- und Sozialpolitik.
Wann wirst du als Politikerin unbequem?
Als Politikerin oder Politiker muss man immer unbequem, aber auch konstruktiv sein.
Was sagst du zu folgenden Stichworten:
Individualbesteuerung: Das heutige Steuersystem bestraft verheiratete Doppelverdiener massiv. Das Steuersystem der Schweiz müsste so ausgestaltet sein, dass sich Arbeit in jedem Fall lohnt. Ob mit der Individualbesteuerung das Ei des Kolumbus gefunden wurde, da setze ich ein Fragezeichen. Ich stehe aber verschiedenen Lösungsansätzen offen gegenüber.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Die Vereinbarkeit ist eine grosse Herausforderung, muss aber in erster Linie innerhalb der Familie gelöst werden und nicht durch die Politik. Kita-Plätze sehe ich als wichtige und richtige Ergänzung; das muss vor Ort in den Gemeinden und Kantonen gelöst werden. Familien müssen eine für sich passende Lösung finden, um die Vereinbarkeit zu erreichen.
Fachkräftemangel: Eine Herausforderung, die es schon immer gab, die sich aber durch das Ausscheiden der Babyboomer in die Rente akzentuiert. Hinzu kommt, dass die heutige Gesellschaft immer bequemer wird, da die Tendenz der Teilzeitarbeit zunimmt. Dadurch verschärft sich der Fachkräftemangel weiter. Gleichzeitig wird dabei nicht eingerechnet, dass Teilzeit auch zu tieferen Renten führen wird.
Wie sieht deine Schweiz 2050 aus?
Ich wünsche mir eine Schweiz, die weniger von politischen Hypes getrieben ist, sondern realistische erreichbare Ziele verfolgt. Deshalb scheint es in meinen Augen wichtiger zu sein, über persönliche Sicherheit, nachhaltige Sozialwerke, Wahrung von inländischen Arbeits- und Ausbildungsplätzen – unseren Werkplatz – und einen hohen Selbstversorgungsgrad in jeglicher Hinsicht zu debattieren, als unsere Energie auf politischen Nebenschauplätzen zu verlieren. Schliesslich wollen wir alle in einer lebenswerten Schweiz zu Hause sein und das auch der nächsten Generation ermöglichen.
Johanna Bartholdi (72), FDP-Kandidatin, Egerkingen/Solothurn
Welches Anliegen treibt dich in den Nationalrat?
Ich denke gerne quer, bin neugierig, wissbegierig und liebe Neues. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass bei festgefahrenen Revisionen wie zum Beispiel der Gesundheits- und Altersvorsorge komplett neue Wege gesucht werden und nicht am unbefriedigenden Dossier «weitergebastelt» wird.
Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie steht es in der Schweiz um die Gleichstellung?
7. Bei der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau sind die Unterschiede teilweise nicht erklärbar und müssen behoben werden. 5 bei der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und heterosexuellen Paaren, die Diskriminierung besteht hier vor allem in der gesellschaftlich fehlenden Akzeptanz.
Welches Thema wird dein Dossier?
Sicherung der Altersvorsorge für die zukünftigen Rentner:innen und eine bezahlbare Gesundheitsvorsorge; hier müssen Fehlanreize eliminiert werden.
Wann wirst du als Politikerin unbequem?
Bei «Sündenbockpolitik» und Fällen von «Wir und die anderen».
Was sagst du zu folgenden Stichworten:
Individualbesteuerung: Muss zwingend kommen; auch das ist auch eine Frage der Gleichstellung.
Fachkräftemangel: Ist ein Faktum und wird sich mit der Pensionierung der Babyboomer noch verschärfen. Darum braucht es eine kontrollierte Zuwanderung.
Gewalt gegen Queers in der Schweiz: ein No-Go. Die Schweiz hat ihren Wohlstand und ihre Stabilität, weil sie es bis anhin immer verstanden hat, auch Anliegen von Minderheiten zu berücksichtigen.
Wie sieht deine Schweiz 2050 aus?
Leiser, vegetarischer, mit einem Comeback von Zeppelinen, mehr 15-Minuten-Ortschaften, mit einer erfolgreichen Energiewende und keiner kompletten Abkoppelung (Kündigung der Bilateralen) mit der EU.
Helvetia ruft! motiviert Frauen zur Kandidatur, unterstützt Kandidatinnen mit Mentorings und regt die Parteien dazu an, Frauenkandidaturen zu fördern. Helvetia ruft! veröffentlicht im September ein finales Rating sämtlicher Wahllisten für die nationalen Wahlen am 22.Oktober 2023. Darin errechnet Helvetia ruft!, welche Wahlchancen die Kandidatinnen in den verschiedenen Kantonalsektionen aller Parteien haben. Bereits am 1. Juni hat Helvetia ruft! anhand der zu dem Zeitpunkt bekannten Listen ein Zwischenrating veröffentlicht. Aus diesen Listen hat Helvetia ruft! elleXX die Namen der bestplatzierten Kandidatinnen genannt. Die Auswahl, wen elleXX in dieser Reihe porträtiert, hat elleXX selbst vorgenommen.