Wie geht Mann mit Konkurrenzdruck um? Wie sind Männer in der Politik zu bewerten? Und wie lebt es sich so kurz vor 50? Lukas Golder, Co-Leiter von gfs.bern, erzählt es in den ellexx Männerfragen.
Du hast dich ja wahnsinnig über unsere Anfrage gefreut. Warum das?
(Lacht überrascht.) Die Verunsicherung kam schon noch.
Weshalb?
Weil es ein Format ist, bei dem es um Humor in einem sensiblen Bereich geht. Davor habe ich Respekt.
Dann schauen wir doch mal, wie du so klarkommst. Wir starten mit Politik. Bist du als Mann zufrieden mit den Wahlen vom Herbst?
Meine Männer-Perspektive ist vielleicht keine ganz typische. Ich achte seit jeher darauf, dass ich 50 Prozent Frauen wähle.
Wie vorbildlich.
Ja, oder (schmunzelt)? Leider ist die Quote noch nicht erreicht. Ich glaube, dass Diversität sehr wichtig ist. In der Politik wird Ideologie oft höher gewertet als Geschlecht. Aber das Geschlecht spielt auch eine entscheidende Rolle, vor allem, wenn es um politische Identitätsfragen geht. (Es folgt eine lange, theoretische Abhandlung über die Geschlechterverteilung, die Genderthematik zwischen Links und Rechts und und und.)
Das ging jetzt tief. Versuchen wir’s etwas einfacher: Fühlst du dich als Mann von der Politik gesehen?
(Überlegt lange.) Nun, die männliche Optik ist so prominent in unserem System eingepflanzt, dass sie nicht mehr hörbar gemacht werden muss. Unser System ist männlich geprägt. Aber mit der Frage, was ein emanzipierter Mann ist, struggle ich noch. Ich frage mich: Was sind echte emanzipatorische Beiträge von Männern ausserhalb der stereotypen Diskussionen rund um die Arbeitsteilung im Haushalt? Wie sieht politisch eine positiv geprägte Männerrolle aus?
Und zu welchem Schluss kommst du?
Die Antwort habe ich auch noch nicht gefunden. Es gibt Männergruppen, die sich mit dem Thema befassen, aber ganz ehrlich, die inspirieren mich zu wenig.
Anderes Thema: Was hat dich eigentlich an Politik und Wissenschaft gereizt? Das sind ja nicht grad die klassischen Männerdomänen.
Politisiert wurde ich durch die EWR-Abstimmung im Jahr 1992. Ich war damals total überrascht, dass das Anliegen eine Mehrheit in der Bevölkerung fand. Das ist der politische Teil. Der analytische Teil kam daher, dass ich damals das Gefühl hatte, der Bundesrat könne mit dem TV-Zeitalter nicht umgehen. Die Politisierung und die Polarisierung wurden wesentlich über das Fernsehen angetrieben. Ich hatte ein grosses Interesse an diesen Themen und war politisch engagiert. Nach einem gescheiterten Versuch mit einem Chemiestudium habe ich umgeschwenkt.
Chemie war dir zu kompliziert? Nicht so der MINT-Typ?
(Lacht verlegen.) Ich bin MINT-mässig tatsächlich nicht so gut aufgestellt. Auch, weil mir Zahlen nicht so liegen.
Das überrascht mich nicht.
Aber es waren nicht nur die Zahlen, weshalb ich im Studium gescheitert bin. Ich habe auch noch zwei linke Hände.
Oh je!
Das war wirklich ungünstig. Ich war so schlecht im Labor. Auch sonst habe ich mich total verschätzt: Ich startete das Studium mit drei Wochen Verspätung, weil ich noch im Militär war. In den Mathematikvorlesungen verstand ich kein Wort, wirklich nichts. Nach sechs Wochen gab ich auf. Ich widmete mich dann in der Freizeit anderen chemischen Substanzen und genoss eine Weile das Studentenleben, bevor ich meine Studienrichtung wechselte.
Bei gfs.bern hast du aber auch viel mit Zahlen zu tun. Blickst du denn heute durch?
Immer weniger, um ehrlich zu sein. Wer heute ab Studium kommt, bringt unfassbare Fähigkeiten im Umgang mit Daten mit. Das ist alles auf einem Niveau, davon kann ich nur träumen. Ich bin eher der intuitive Typ.
Ach, ihr Männer immer mit eurem Bauchgefühl.
Bauchgefühl und eine gewisse Naivität spielen bei meiner Arbeit durchaus eine Rolle. Aber … (Macht eine Pause und überlegt.) Ich bin auch daran interessiert, genau zu sein. Das ist der geniale Mix, der in den Sozialwissenschaften möglich ist: Man kann mit Intuition und Feingefühl eintauchen in komplexe Themen. Gesellschaftswissenschaften haben eine gewisse Unschärfe, und die ist genauso spannend wie die Präzision.
Und für die Arbeit mit den Zahlen hast du ein paar fähige Frauen angestellt, die damit zurechtkommen?
Ja, und zwar ganz im Ernst und mit einem dreifachen Ausrufezeichen. Wir legen grossen Wert darauf, dass der Männer- und Frauenanteil ausgeglichen ist. Inzwischen erreichen wir dieses Ziel auch. Das war aber nicht immer so.
Haben sich die Männer den Job nicht zugetraut?
Die meisten, die bei uns arbeiten, haben mit einem Praktikum begonnen. Als wir nur auf das Dossier und die Selbstbeurteilung der Kandidat:innen im Bewerbungsgespräch fokussierten, war unsere Frauenquote im Praktikum etwa bei 10 Prozent. Frauen schätzen sich und ihre Fähigkeiten im Umgang mit Daten oft schlechter ein als Männer. Irgendwann haben wir angefangen, andere Fragen zu stellen. Wir wollten, dass Bewerber:innen Lösungen für ein echtes Problem finden, das sich bei uns im Alltag stellt. Von da an haben die Frauen total aufgeholt, und unser Frauenanteil stieg merklich.
Du führst gfs.bern in einer Co-Leitung. Hast du dir den Job alleine nicht zugetraut?
(Betreten.) Nein, alleine hätte ich mir das nicht zugetraut. Mein Geschäftspartner und ich funktionieren sehr gut zusammen. Wir haben unsere Rollen definiert und ergänzen uns gut.
Wie oft zickt ihr euch an?
(Lacht.) Das passiert tatsächlich selten. Das liegt vielleicht daran, dass wir uns in verschiedenen Bereichen ergänzen: Ich bin eher der Emotionale und er eher der Sachliche. Normalerweise. Kürzlich haben wir in einem Pitch die Rollen getauscht. Das war ganz nett und hat gar nicht so schlecht funktioniert.
Interessant. Apropos Zickereien: Wie verstehst du dich so mit Michael Herrmann? (Anm. der Redaktion: Sotomo von Michael Hermann ist der grösste Konkurrent von gfs in Bezug auf öffentliche politische Umfragen.)
(Lacht aus vollem Herzen.) Ich hatte immer eine grosse Faszination für ihn und seine Arbeit sowie Respekt vor seinen Analysen und Interpretationen. Zwischen uns hat es nie Streitereien gegeben.
Wie viele Jobs habt ihr schon bekommen, weil du so schöne blaue Augen hast?
(Leicht verlegen.) Naja, mit meinem Aussehen vermag ich wohl nicht zu überzeugen. Aber was ich vermehrt versuche, ist die Taktik «Management by Charm».
Also mit Körpereinsatz und so?
Nein, nein, das nicht. Management by Charm heisst, dass ich aufzeige, mit welcher Leidenschaft wir arbeiten. Statt jedes Detail eines Projekts darzulegen, erzähle ich lieber eine Geschichte. Ich versuche, unsere Ziele vermehrt mit Charme und Lockerheit zu erreichen. Das funktioniert ganz gut. Die Taktik habe ich übrigens von Frauen abgeschaut. Ich finde, viele beherrschen das sehr gut.
Wenn du das sagst. Du trägst ja immer so trendy Brillen. Bist du ein kleines Fashion Victim?
(Lacht herzhaft.) Das kann man so sagen. Aber das mit der Brille ist eine längere Geschichte, die auch mit einer Kritik zu tun hat.
Oh, das tut mir leid. Was ist denn passiert?
Naja, also mein Äusseres beziehungsweise mein Stil wurde immer wieder mal kritisiert. Bei meinem ersten Auftritt 2017 ging es beispielsweise um meine Krawatte, die nicht ok war. Einmal passten meine Turnschuhe nicht. Und einmal ging es eben um meine Brille. Da hat der Journalist Peter Rothenbühler in der «Schweizer Illustrierten» kritisiert, dass ich eine total unmodische Brille getragen habe. Das hat mich getroffen. Ich hatte damals noch nicht so lange eine Brille und war völlig überfragt, was eine modische Brille ist. Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen.
Wie ging die Geschichte mit der Brille weiter?
Kurz nach dieser öffentlichen Kritik lernte ich einen Optiker kennen, der einen super Stil hatte. Er wurde zu meiner Vertrauensperson in Sachen Brille. Er berät mich seither, und dank ihm fühle ich mich mit meinen Brillen inzwischen wirklich sicher und wohl.
Das freut mich für dich. Und ich finde es immer wieder krass, was ihr Männer euch über euer Äusseres anhören müsst …
Es ist wirklich belastend, wenn das Äussere kritisiert wird. Wir Männer haben da ja Glück: Bei uns wird meist der Stil und selten das Aussehen kritisiert. Im Gegensatz zu Frauen. Die müssen sich so viel anhören. Das finde ich schrecklich. Wenn jemand sagt: «Du hast eine scheiss Brille», kann ich damit umgehen – inzwischen. Wenn jemand sagt: Du siehst scheisse aus, finde ich das wirklich verletzend und unangemessen. Das geht doch einfach niemanden was an.
Absolut. Du wirst dieses Jahr 50. Wie geht es dir damit?
Extrem gut. Es ist erleichternd, dass mit der hormonellen Veränderung etwas mehr Gelassenheit entsteht.
Ein Hoch auf die Andropause!
Ich weiss gar nicht, wie das heisst, aber das wird es sein. Ich muss mich noch etwas einlesen. Zuerst kümmere ich mich um meine Gesundheit und mache mal alle nötigen präventiven Check-ups. Der zweite Teil ist die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. Vielleicht hätte ich damit früher anfangen sollen. Aber nun ist es, wie es ist. Ich warte einfach mal ab, welche Krise mich wann erwischt.
Hast du an deinem Körper neue Problemzonen entdeckt?
Ich habe mehr und mehr das Gefühl, dass meine Körpergrösse – meine beachtlichen 1,71 Meter – für Frauen weniger attraktiv ist. Früher war das weniger ein Thema als heute.
Also bist du im Dating-Game, oder warum fällt dir das jetzt auf?
Nein, ich date nicht. Aber wenn ich mit meiner Partnerin die Sendung: «First Dates – Ein Tisch für zwei» schaue, ist die Grösse eines Mannes für viele Frauen ein wichtiges Kriterium. Das Beuteschema hat sich verändert. Irgendwie irritiert mich das. Die verstehen alle nicht, dass Kleinheit und Wendigkeit bei der Flucht vor dem Säbelzahntiger ein massiver Vorteil sind (grinst). Ganz im Ernst: Mir war das einfach nie bewusst mit der Körpergrösse, und ich verstehe erst jetzt langsam, dass das eine Problemzone ist.
High Heels sind kein Thema für dich?
Doch.
Aha.
Meine Problemzone ist am klarsten ersichtlich, wenn mir 10-vor-10-Moderator Arthur Honegger im TV-Studio gegenübersteht. Dann stehe ich auf so hohen Podesten (macht eine ausladende Handbewegung) und wirke immer noch klein. Ich habe mir überlegt: Wenn Plateau-Schuhe für Männer noch mehr in werden, probiere ich das vielleicht mal aus.
Dann bin ich schon sehr gespannt auf dein nächstes TV-Outfit. So, du hast es fast geschafft. Noch eine letzte Frage: Was ist dein Beautygeheimnis?
Ich habe einen Schminktipp, von Mann zu Mann: Puder. Ich fühle mich vor der Kamera einfach sicherer, wenn ich gepudert bin und nicht so glänze. Wenn ich jetzt so in die Kamera schaue, hätte ich das vielleicht vor unserem Interview auch machen sollen.
Mir ist nichts aufgefallen. Aber das Licht ist wohl zu deinem Vorteil.
Da bin ich froh!