Wir fragen Männer, was sonst nur Frauen gefragt werden. Heute den Miterfinder der wohl beliebtesten Schweizer Tasche: Markus Freitag.
1993 entwarf er zusammen mit seinem Bruder Daniel in einem Zürcher WG-Wohnzimmer eine Tasche aus alten LKW-Planen, Fahrradschläuchen und Autogurten. Heute trägt die Tasche Kultstatus. Der unauffällig gekleidete Mann hinter dem Erfolg radelt mit seinem selbst designten Velo zur ellexx Redaktion, um sich den Männerfragen zu stellen. Ein Gespräch über Taschen, Teamwork und Testosteron.
Aus alten Lastwagenblachen werden Designer-Taschen: hallo, Kreislaufwirtschaft! Hast du dich von deinem Zyklus inspirieren lassen?
Ja, das kann man so sagen (lacht). Ich finde biologische Kreisläufe allgemein sehr inspirierend. Schon als Kind war ich davon fasziniert, wie aus den Zucchetti-Resten auf unserem Komposthaufen irgendwann von alleine neue Zucchetti wuchsen. Einige dieser Systeme haben wir als Gesellschaft aus dem Gleichgewicht gebracht. Ich sehe es als unsere Aufgabe, dass wir den Kreis, der ein bisschen eiert, wieder rund biegen.
Elegant ausgewichen. Dein Testosteron-Zyklus steht dem Business also nicht im Weg?
Ich glaube, der kam mir bis jetzt nicht so in die Quere. Man müsste fairerweise mein Umfeld fragen, wie es ist, mit meinem Testosteronspiegel zusammenzuleben. Bei meinen Kollegen beobachte ich den Effekt von Testosteron aber nicht nur positiv. Dementsprechend probiere ich, meine Hormone einigermassen unter Kontrolle zu halten.
Eure Taschen wirken grob und robust. Man könnte meinen, sie strotzen nur so von Testosteron.
Unser Material ist tatsächlich sehr widerspenstig. Gerade deshalb ist es gar nicht möglich, ein geschlechtsspezifisches Produkt daraus zu entwickeln. Unisex-Artikel sind mir einfach am wohlsten. Klar haben wir gewisse Personas im Kopf, wenn wir eine Tasche entwickeln. In unserem Fall gilt aber der Grundsatz «Design to Material»: Wir nehmen Lastwagenblachen als Material und schauen, was sich daraus machen lässt. Damit stossen wir vielleicht gewisse Leute ab. Als Designer möchte ich aber etwas schaffen, das vor allem mir selbst gefällt.
Worüber definierst du deine Männlichkeit?
Über mein selbstgemachtes Velo, das keinen tiefen Einstieg, sondern eine waagrechte Stange hat. Das hat aber auch statische Gründe – ein klassischer Diamantrahmen funktioniert einfach besser.
Okay, Nerd.
(Denkt nochmals nach.) Ich kann nicht beurteilen, ob mein Auftreten besonders männlich ist. Ich versuche, sensibel zu sein und auf die Zeichen um mich herum zu achten. Ich verbringe wenig Zeit damit, mich selbst zu definieren. Mich interessiert eher, ob die Stimmung konstruktiv ist.
Also eher ein «Gschpürschmi-Fühlschmi-Typ»?
Eigentlich schon. Wenn ich merke, dass ich einen Beitrag leisten kann, dann definiere ich mich aber über meine Ideen und Lösungsvorschläge. Männlichkeit ist mir nicht wichtig.
Wie alt bist du?
(Rechnet kurz.) 54.
54! Dann bist du ja schon seit 14 Jahren unsichtbar für die Gesellschaft.
(Rechnet nochmals kurz.) Was? Man wird mit vierzig unsichtbar?
Das sagt man doch so bei Männern?
In dem Fall lebe ich sehr gut damit. Ich stehe gar nicht so gerne in der Öffentlichkeit. Unsichtbar sein zu können und trotzdem zu wirken, wäre mir eigentlich am liebsten. Ich finde es anstrengend, dass in unserer Gesellschaft so viel Energie darauf geht, sich sichtbar zu machen.
Das Interview dürfen wir aber trotzdem auf Social Media posten? (Lacht.)
Vielleicht kannst du mein Bild auf eurem Social Media ja verpixeln. (Beide lachen.)
Möchtest du denn gar nicht gefallen?
Wenn es um Inhalte geht, mache ich mich gerne sichtbar. Dem Inhalt zuliebe. Und nicht, weil ich es geil finde, populär zu sein. Ich fand es schon immer cool, im Tram zu sitzen und zu hören, dass vor mir zwei Leute über ihre Freitag-Taschen reden – ohne zu merken, dass ich gleich hinter ihnen sitze.
Warum sind Looks den Männern dann so wichtig?
Ein Look, der die eigene Persönlichkeit ausstrahlt, gibt Sicherheit. Wir alle sind wohl ein Leben lang auf der Suche nach diesem Look. Zu gerne hätte ich meinen Style zu Ende definiert, könnte blind etwas aus dem Schrank ziehen und einfach rausgehen. Die Modeindustrie lebt uns diese Unsicherheit zu einem grossen Teil vor. Für viele Marken ist es ein gutes Geschäft. Für die Umwelt weniger.
Nervt es dich, dass punkto Nachhaltigkeit wir Männer alles richten müssen?
Auf meiner Hinfahrt habe ich darauf geachtet, wer auf den Strassen so hinter den Windschutzscheiben von SUVs sitzt. Der erste war ein Mann, die zweite eine Frau. Mich haben beide genervt.
Warum sind Männer so idealistisch, wenn es um Nachhaltigkeit geht?
Ich bin in einer sehr idealistischen Bubble unterwegs. Ich sehe gerne das Positive und störe mich an jenen, die in einer Brainstorming-Session immer umgehend erklären, warum etwas nicht funktionieren soll. Ich versuche lieber, ein Idealist zu sein. Manchmal wird man von der Realität aber auch eines Besseren belehrt.
Ist Wirtschaftlichkeit kein Männerding?
Bei mir tatsächlich nicht: Ich habe noch keine einzige Excel-Tabelle selbst aufgezogen. Ich bin froh, dass es andere Menschen gibt – Männer wie Frauen –, die Dinge besser können als ich.
Dein Bruder zum Beispiel – mit ihm hast du Freitag gegründet. Gibt es häufig Zickenkrieg zwischen euch beiden?
Unglaublich häufig. Wie das so ist unter Brüdern. Wir kennen uns seit klein auf und wissen genau, wie wir uns gegenseitig provozieren können. Zum Glück hatten wir früh Erfolg und konnten unser Team schnell erweitern. Hätten wir nur zu zweit gearbeitet, hätte es wohl zu grosse Abnutzungserscheinungen gegeben (lacht). Eigentlich ergänzen wir uns super: Er kann sich gut in etwas vertiefen – ich behalte lieber den Überblick. Das Zicken ist meistens ein Kampf um inhaltliche Ansichten.
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