Der Hairstylist erzählt in den Männerfragen, weshalb Männer für seinen Service weniger bezahlen, warum er für seine Birkenstocks ausgelacht wird und – natürlich – was die Trendfrisur ist.
Warum müssen Männer so viel mehr fürs Haareschneiden bezahlen als Frauen?
(Stutzt, dann wahrhaft aufgebracht.) Ja, leider müssen Männer nicht mehr bezahlen! Es müsste eigentlich ganz klar anders sein. Dieser Gap kann doch nicht sein, Männer zahlen bis zu 50 Prozent weniger für die gleiche Zeit … Auch im Hochzeitsbereich ist das übrigens so, alle Coiffeur-Leistungen sind plötzlich einfach doppelt so teuer wie sonst.
Und du frisierst jetzt einfach nur noch Frauen, Problem auch gelöst!
Doch nicht aus diesen Gründen. Alles, was mir keinen Spass macht, muss ich loswerden. Und deswegen frisiere ich seit diesem Jahr nur noch Frauen, ich habe eine grosse Waiting List.
Du hattest sie in der Tat alle: Du frisierst TV-Prominenz und Stars wie Dua Lipa. Warum machst Du alle Frauen blond?
(Kurzer, kritischer Blick auf die Haare der Journalistin …) Ich könnte dir mal wieder eine Glanzmischung mitgeben.
Gerne, aber was ist jetzt mit dem Blond, mich hast du ja auch mal blond gefärbt?
Ist das so? Das hat schon mal jemand behauptet und gesagt, dass jetzt alle TV-Promis blond seien. Auch die SRF-Meteo-Moderatorin Sandra Boner hat mich damit aufgezogen. Dann haben wir sie mehr aus Witz auch blond gefärbt. Aber ja, ich färbe gerne blond, das ist sehr herausfordernd.
Du hast acht Mal den Weltmeistertitel geholt. Dieses Kompetitive, dieses Wettbewerbsintensive ist ja etwas, das Männer sonst eher vermeiden und das sie abschreckt?
(Ist kurz irritiert, macht grosse Augen.) Ja okay, ich bin ein Wettbewerbs-Typ, ich bleibe ruhig und funktioniere in solchen Stresssituationen besonders gut. Bis ich 26 war, habe ich nur den Wettbewerb im Fokus gehabt.
Aber insgeheim unterschätzt du dich bestimmt oft?
Ja, total. Selbstwert ist bei mir ein grosses Thema. Das kommt von tief innen. Wenn du es nicht fühlst, dass du erfolgreich bist. Ich habe das vor allem im privaten Bereich in der Partnerschaft. Ich bin emotional und wahnsinnig sensibel.
Wie konntest du eigentlich beweisen, dass du selbst gründen und rechnen kannst? Gerade als Mann und Friseur?
(Kichert.) Ich glaube, dass man alles schaffen kann. Ich habe eine Coiffeurlehre gemacht und nicht studiert und auch keine Weiterbildung gemacht. Mit 28 habe ich mein eigenes Geschäft eröffnet. Mittlerweile habe ich fünf Mitarbeiterinnen, leite Workshops, Seminare, Hairshows und habe TV-Aufträge sowie Shootings.
In den Männerfragen haben wir gemerkt, dass Haare Männer enorm umtreiben. Warum dieser regelrechte Kult ums Haupthaar?
Lustig, dass du das sagst. Das hat sich tatsächlich enorm verändert. Wenn früher ein Mann eine Glatze bekommen hat, gab es nur noch eines: Haare abrasieren – viel besser als kaschieren. Heute legen auch Männer viel mehr Wert auf Ästhetik und das äussere Erscheinungsbild. Das Haar ist Identität, Schmuck, Schutz, und es gehört definitiv zur Persönlichkeit. Das ist bei Männern mittlerweile genau gleich wie bei Frauen.
(Journalistin guckt ungläubig.) Ja, wir im Hair Atelier haben viele Männer auf dem Stuhl, die Haarimplantate haben. Das lassen immer mehr Männer machen, klassischerweise vor allem in Kliniken in der Türkei. Das geht ganz schnell. Ich würde das auch sofort machen lassen … (Tippt an sein dichtes Haar.) Meine Haare sind meine Identität.
Männer sind ja viel eitler und schönheitsbewusster. Triffst du auf unterschiedliche Verhaltensweisen bei den Geschlechtern auf dem Friseur-Sessel?
Sagen wir es so: Männer langweilen mich eher. Sie wollen immer das Gleiche. Es ist alles sehr standardisiert. Es gibt zu wenig Abwechslung. Frauen sind entspannter. Ich bin ein hypersensibler Mensch. Ich sitze mit meinen Kund:innen zusammen und spüre die Energien der Menschen. Ich kann mit Frauen viel besser reden. Das ist immer eine wichtige Grundlage für grössere Veränderungen. Und Männer sind seltener dazu bereit. Sie sind tendenziell nicht flexibel und offen.
Du spürst also grosse Unterschiede?
Vielleicht hat es auch mit meiner sexuellen Orientierung zu tun. Mit den Frauen ist das sehr klar. Da ist der sexuelle Kontext nie das Thema, da ist niemand Flirt-Sprüchen ausgesetzt. Es ist definitiv entspannter. Und ich kann mich 100 Prozent auf das Haar konzentrieren.
Als schwuler Mann bist du bestimmt Kritik und Stereotypen ausgesetzt?
Ja, jeder schwule Mann kennt Diskriminierung. Es fängt oft schon als Kind an, und als Jugendlicher wird es noch heftiger. Dann bist du der Outsider. Ich habe glücklicherweise keine körperliche Gewalt erfahren, aber psychische: Ich wurde ausgeschlossen und gemobbt.
Weil du nicht dem gängigen Männlichkeitsbild entsprochen hast?
Genau. Ich habe gerne mit Mädchen und mit Barbies gespielt. Ich habe ihnen die Haare frisiert. Es gibt Fotos von mir, da bin ich zweieinhalb Jahre alt und frisiere der ganzen Familie die Haare. Alles, was wir in dieser Gesellschaft tun, wird gewertet. Wir wachsen auch heute noch nicht wertfrei auf.
Die psychische Gewalt hat erst aufgehört, als ich in meinem Gebiet «Haar» angekommen bin. Heute weiss ich, was ich will. Ich muss nicht mehr einem Bild entsprechen, wie ein Mann sein soll.
Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein?
Ja, leider ist dieses tolerante Umfeld immer noch nur eine kleine Bubble, auch innerhalb der Queer-Community. Wir kämpfen für Toleranz an der Pride, und gleichzeitig wird über mich in Gay Bars gelästert, wegen meines Outfits und Looks – also Blazer, kurze Hosen, Birkenstock, alles in Schwarz.
Also richtiger Zickenkrieg?
Ja, auch hier gibt es eine Spaltung innerhalb der Community. Wenn du nicht dem schwulen Stereotyp entsprichst mit vielen Muskeln und weissen Zähnen, dann hast du es schwer. Seien wir realistisch, es kann innerhalb der schwulen Community sogar noch schlimmer sein als ausserhalb. Schade, dass man sich das Leben so schwer macht.
Nun die alles entscheidende Frage: Wer schneidet Deine Haare?
(Lacht verschmitzt.) Ein Walk-In-Barber in Oerlikon. Ich gehe jede Woche da hin, denn es muss einfach top sein und stimmen. Den Pony schneide ich mir selbst. Klar könnten das auch meine Mitarbeiterinnen tun, aber dem Chef jede Woche die Frisur schneiden, das möchte ich ihnen nicht zumuten.
Was sind denn eigentlich die Haartrends?
Ganz klar der Mullet Haircut.
Klingt edel. Hiess das früher nicht mal Vokuhila?
(Breiter nachsichtiger Smile.) Stimmt. Trenden tut auch der Wolf’s Cut: Der ist ein bisschen länger und durchgestuft. Ähnlich auch der Butterfly Cut. Kupfer ist auch ein grosses Thema, und Blond geht immer.
Und bei Männern?
Es ist alles akkurater. Und man hat nicht mehr das Extreme à la seitlich kurz und oben länger. Die Dauerwelle feiert weiterhin ihr Comeback, etwa so wie bei Luca Hänni.